Ausraster in Brüssel

Juncker platzt der Kragen: “Was für eine Scheiße!”

Ausland
01.03.2017 18:39

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat sich in drastischen Worten über Kritik an seinen fünf Szenarien für die Zukunft der Europäischen Union beschwert. "Was für eine Scheiße! Ich würde 'Scheiße' sagen, wenn wir hier nicht im Parlament wären. Was wollen Sie denn, dass wir machen?", rief er am Mittwoch im Europaparlament angesichts des Vorwurfs, er habe sich nicht auf eine konkrete Zukunftsvision festgelegt.

Der Kommission werde immer wieder vorgeworfen, nicht genug mit den Bürgern zu diskutieren, sagte Juncker. "Und wenn wir es machen, werden wir kritisiert", empörte sich der Kommissionspräsident.

Die Brüsseler Behörde hatte am Mittwoch fünf Szenarien für die Zukunft Europas vorgestellt. Diese reichen von einem "Weiter wie bisher" über die radikale Rückbesinnung auf lediglich den freien Warenverkehr bis hin zu einem Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten. Die Ideensammlung soll Grundlage für eine Debatte über mögliche EU-Reformen sein. Die Staats- und Regierungschefs sollen bei ihrem Spitzentreffen am 25. März in Rom darüber beraten.

Jean-Claude Juncker mit Antonio Tajani, dem Präsidenten des EU-Parlaments (Bild: AFP)
Jean-Claude Juncker mit Antonio Tajani, dem Präsidenten des EU-Parlaments

Die fünf Zukunftsszenarien im Überblick:

  1. "Weiter so wie bisher": Die EU der nach dem Brexit 27 verbleibenden Staaten orientiert sich weiter an ihren bisherigen Grundfesten. Dazu gehören etwa die Verteilung von Entscheidungskompetenzen zwischen den nationalen Regierungen und der übergeordneten EU-Ebene. Neue Probleme werden angegangen, wenn sie entstehen. Das Tempo, mit dem Einigungen gefunden werden, hängt dabei stark davon ab, wie schnell sich die Staaten untereinander auf gemeinsame Positionen verständigen können. In einigen Bereichen kann dies zu Stillstand führen.
  2. "Schwerpunkt Binnenmarkt": Die EU-Staaten konzentrieren sich nur noch auf den Binnenmarkt, vor allem auf den grenzüberschreitenden Warenverkehr. In anderen Bereichen werden keine gemeinsamen Lösungen mehr gesucht, die Regierungen können individuell Entscheidungen treffen. Ihre Zusammenarbeit organisieren die Staaten bilateral untereinander und je nach Interessenlage. Für jede neue EU-Regelung werden zwei bestehende zurückgezogen. Die EU als Ganzes wird in zahlreichen internationalen Organisationen nicht mehr vertreten sein.
  3. "Wer mehr will, tut mehr": Im Grundsatz arbeitet die EU weiter wie bisher, es müssen aber nicht mehr alle Staaten bei allem mitmachen. Stattdessen bekommt eine Reihe von Staaten die Möglichkeit, in einzelnen Bereichen, etwa bei der Verteidigung oder bei Sozialem, enger zusammenzuarbeiten. In der Praxis läuft dies auf ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten hinaus. Im Ansatz - etwa bei den 19 Staaten, die sich den Euro als Gemeinschaftswährung gegeben haben - gibt es das bereits.
  4. "Weniger, aber effizienter": Die EU kümmert sich nicht mehr um eine große Bandbreite an Themen. Gemeinschaftsregelungen werden nur noch in einigen als wichtig identifizierten Bereichen gefunden. Welche das sein könnten, ist offen. In den ausgewählten Politikfeldern wird die EU aber mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet, sodass Ergebnisse schneller und effizienter erzielt werden können.
  5. "Viel mehr gemeinsames Handeln": Dieses Modell stellt eine Art Vereinigte Staaten von Europa dar. Die 27 Länder einigen sich darauf, mehr Entscheidungsgewalt aus den Hauptstädten abzugeben und Beschlüsse gemeinsam zu treffen. Grundlage hierfür ist die Annahme, dass weder die EU in ihrer bestehenden Form noch isoliert handelnde europäische Staaten den weltweiten Herausforderungen gewachsen sind. In der Folge können Gemeinschaftsentscheidungen deutlich schneller getroffen und umgesetzt werden.
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