Macron-Sieg mit 66%
“Junger Bonaparte” muss jetzt zeigen, was er kann
Den Franzosen waren die Umbaupläne für ihr Land und die EU, die die rechtspopulistische Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen im erbittert geführten Wahlkampf vertrat, offenbar zu radikal: Sie statteten ihren Konkurrenten, den linksliberalen Emmanuel Macron, bei der Stichwahl am Sonntag mit großer Mehrheit aus. Er kam auf 66,1 Prozent der Stimmen und erreichte damit eine noch deutlichere Mehrheit, als die Umfragen vorausgesagt hatten.
Eliteschüler, Investmentbanker, Wirtschaftsminister: Emmanuel Macron hat eine steile Karriere hinter sich - ein raketenhafter Aufstieg des 39-jährigen, der in der Öffentlichkeit noch vor drei Jahren kaum bekannt war. Jetzt hat er den politischen Olymp erreicht. Er, der von vielen Beobachtern mit Bezug auf den legendäre Feldherrn Napoleon schon als "junger Bonaparte" gesehen wird, hat Frankreichs politische Landschaft jenseits der klassischen Parteien umgepflügt. Macron positioniert sich "weder rechts noch links" und tritt mit seiner unabhängigen Bewegung "En Marche!" offen für Europa und für eine enge Partnerschaft mit Deutschland ein.
2012 wurde Macron Berater des sozialistischen Präsidenten Francois Hollande, später dessen Wirtschaftsminister. Immer wieder fiel er mit Kritik am zögerlichen Reformkurs der Regierung auf und brach schließlich mit dem Staatschef. Nun folgt er ihm im Pariser Elysee-Palast an der Staatsspitze nach - als mächtigster Staatschef der EU.
Und diese Nachfolge wird rasch über die Bühne gehen: Spätestens am kommenden Sonntag will Macron offiziell das Amt übernehmen. Ob er auch eine Regierungsmehrheit bekommt, steht allerdings noch in den Sternen: Darüber entscheidet die Parlamentswahl im Juni. Da hat dann wohl auch wieder Le Pens Front National ein Wörtchen mitzureden.
Franzosen nach Schlammschlacht wahlmüde
Die Wahlbeteiligung lag am Sonntag laut dem Innenministerium in Paris unter jener bei der ersten Runde vor zwei Wochen. Knapp 75 Prozent gingen wählen, in der ersten Runde waren es 78 Prozent gewesen. Auch im Vergleich mit den vergangenen drei Präsidentenstichwahlen wurde ein Rückgang verzeichnet. Das dürfte wohl auch daran liegen, dass der Wahlkampf im Finale nur noch eine Schlammschlacht war. Die etablierten Parteien waren bereits im ersten Durchgang auf historische Art abgestraft worden: Weder die Sozialisten noch die Konservativen hatten eine Chance auf den Einzug in die Stichwahl - ein Novum in der Geschichte der Fünften Republik, das an die österreichische Bundespräsidentenwahl im Vorjahr erinnerte.
Etwa vier Millionen Franzosen entschieden sich in der zweiten Runde dafür, entweder einen leeren Wahlumschlag abzugeben oder ungültig zu stimmen - das ist laut Medienberichten einer neuer Rekord.
Macron-Fans feiern im Louvre
Vor den ersten Hochrechnungen hatten sich die Kandidaten selbst am Sonntag - wenig überraschend - guter Dinge gegeben. Macron und seine um 24 Jahre ältere Ehefrau Brigitte gaben am Vormittag in ihrem Wahlkreis im nordfranzösischen Le Touquet am Ärmelkanal ihre Stimmen ab. Später begab sich das Paar nach Paris, wo Macron-Anhänger den Wahlsieg im altehrwürdigen Louvre feierten.
Le Pen schritt im nordfranzösischen Henin-Beaumont, einer Hochburg ihres Front National, zur Wahlurne. Dort hatte sie im ersten Wahlgang vor zwei Wochen 46,5 Prozent der Stimmen erhalten. Landesweit waren es nur 21,3 Prozent, Macron hatte mit seiner unabhängigen Bewegung "En Marche!" den ersten Wahlgang mit 24 Prozent gewonnen. Den Wahlabend verbrachte Le Pen in einem Veranstaltungsort im Bois de Vincennes, einem der beiden Pariser Stadtwälder.
"Neues Kapitel öffnet sich"
Nur wenige Minuten nach der ersten Hochrechnung räumte Le Pen dann ihre Niederlage ein. Sie habe Macron bereits angerufen, um ihm zu gratulieren, sagte sie. Der Wahlsieger gab sich betont optimistisch für die Zukunft des Landes: Mit seinem Sieg in der Stichwahl öffne sich "ein neues Kapitel: das der Hoffnung und der wiedergewonnenen Zuversicht".
"Ich werde mit allen Kräften gegen die Spaltung kämpfen, die uns zermürbt und entmutigt", so Macron, der am späten Sonntagabend vor Tausenden jubelnden Anhängern vor dem Louvre auftrat. Er wolle alles tun, damit Wähler in Zukunft nicht mehr für den Front National stimmen. Die Wähler Le Pens hätten "Wut, Verunsicherung, manchmal Überzeugungen" ausgedrückt, sagte Macron vor seinen Anhängern. "Ich respektiere sie. Aber ich werde in den fünf kommenden Jahren alles tun, damit sie keinen Grund mehr haben, für Extreme zu stimmen."
Als eine Hauptaufgabe sieht Macron den Antiterrorkampf an. Frankreich wird seit 2015 von einer Terrorwelle erschüttert, fast 240 Menschen wurden ermordet.
Video: Tag der Entscheidung - Frankreich wählt Präsident
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