Kommissar deutlich:

“Kein EU-Beitritt der Türkei unter Erdogan”

Ausland
30.08.2016 07:29

Der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger hält einen Beitritt der Türkei zur EU unter Präsident Recep Tayyip Erdogan nicht mehr für möglich. "Das wird wohl eher ein Thema für die Zeit nach Erdogan", sagte Oettinger in einem am Dienstag veröffentlichten "Bild"-Interview. Unter den derzeitigen Bedingungen sei ein Beitritt "weit bis ins nächste Jahrzehnt hinein nicht realistisch". Dennoch bleibe die Türkei für die EU ein geostrategisch und wirtschaftlich wichtiges Land - gute Beziehungen seien daher wichtig.

Gleichzeitig stellte Oettinger eine Aufhebung der Visapflicht für alle Türken bis Oktober infrage. Noch habe die Regierung in Ankara nicht alle Bedingungen für die Visafreiheit erfüllt: "Vor allem bei der Änderung der türkischen Anti-Terror-Gesetze kann es keinen Rabatt von unserer Seite geben. Für uns gehen Rechtsstaatlichkeit und Genauigkeit vor Schnelligkeit. Wenn die Türkei mehr Zeit für die Änderung der Gesetze braucht, ist das eben so."

Nach Lesart der türkischen Regierung ist die Visafreiheit eine Gegenleistung für das Abkommen, mit dem die Migration vor allem aus Syrien und dem Irak nach Europa über die Balkanroute verringert wurde. Die Türkei pocht auf eine Visafreiheit ab Oktober, andernfalls drohe das Flüchtlingsabkommen zu platzen.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (Bild: APA/AFP/TURKEY'S PRESIDENTIAL PRESS)
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan

Hahn optimistisch: Flüchtlingsdeal hält
EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn geht hingegen davon aus, dass die Türkei auch ohne Visafreiheit am Flüchtlingsabkommen mit der EU festhalten wird. "Der Flüchtlingsdeal ist getrennt zu sehen von der Visaliberalisierung", sagte Hahn dem "Handelsblatt". Die Europäer sollten sich nicht "ins Bockshorn jagen lassen und Konditionalitäten herstellen, die es gar nicht gibt".

EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn (Bild: APA/EPA/JULIEN WARNAND)
EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn

Die Türkei profitiere von dem Abkommen genauso stark wie die EU, sagte Hahn zur Begründung. Er verwies auf die von der EU bereitgestellten Finanzmittel zur Versorgung der rund 2,7 Millionen Flüchtlinge in der Türkei. Darauf wolle Ankara "bestimmt nicht verzichten", sagte er.

Türkei beharrt auf Aufhebung der Visapflicht
Die Türkei allerdings beharrte am Dienstag weiter auf der Aufhebung der Visapflicht: "Wir erwarten die Aufhebung bis spätestens Oktober 2016", sagte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu der griechischen Zeitung "Kathimerini". Die Türkei könne anderenfalls die illegale Migration in die EU nicht alleine stoppen, solange die EU ihre Verpflichtungen nicht erfülle.

(Bild: EPA)

Oettinger befürchtet Flüchtlingswelle von Türken
Oettinger äußerte sich auch besorgt über eine mögliche Flüchtlingswelle von Türken nach dem gescheiterten Putsch in dem Land. "Es ist nicht auszuschließen, dass sich viele Türken wegen der Säuberungswelle nach dem gescheiterten Putsch auch in der EU in Sicherheit bringen wollen. Darunter dürften vor allem entlassene Staatsdiener und Militärs, Intellektuelle und Journalisten mit ihren Familien sein."

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