OSZE-Mission
Kurz in der Ukraine: Per Helikopter an die Front
Den Zeitpunkt für den Frontbesuch in der Ostukraine hätte Außenminister Sebastian Kurz nicht besser wählen können, denn vier Tage vor dem orthodoxen Weihnachtsfest ist den Konfliktparteien nicht zum Kämpfen zumute. Vor zwei Wochen wurde eine Waffenruhe vereinbart, die selbst in Hotspots weitgehend hält. Tatsächlich absolvierte der frischgebackene OSZE-Vorsitzende am Dienstag den wohl riskantesten Teil seiner Reise tief auf ukrainisch kontrolliertem Territorium: Am Flughafen Dnipro musste Kurz nämlich in einen ukrainischen Militärhubschrauber umsteigen, der nur im übertragenen Sinn "gut in Schuss" war.
Zerbeultes Metall, Rostflecken und vor allem große Rußspuren unterhalb der Rotorblätter ließen der mit einem Flugzeug aus Wien angereisten Delegation die Gesichtszüge gefrieren. Und woher der starke Dieselgeruch im Fahrgastraum kam, war schnell geklärt: Mitten in der Kabine stand eine gelbe Treibstoffzisterne, die über eine Art Ofenrohr mit dem Motor auf dem Dach verbunden war.
Mit rasantem Tempo durch die verschneite Ostukraine
Große Absturzgefahr bestand nicht. Wäre es nicht tiefster Winter, man hätte fast den Eindruck gewinnen können, dass mit den Helikoptern Feldarbeit verrichtet werden sollte. In rasantem Tempo flogen die insgesamt vier Hubschrauber nur wenige Meter über schneebedeckten Feldern dahin. Nur ab und zu stieg die Flughöhe ein wenig an, wenn Stromleitungen oder Baumkronen zu überwinden waren.
In Mariupol angekommen, war noch eine 30 Kilometer lange Autofahrt zum Grenzübergang Pyschtschewyk zu absolvieren. Organisiert von der OSZE-Militärbeobachtungsmission, wurde dabei nichts dem Zufall überlassen. In einer Sicherheitsunterweisung zeigten die unbewaffneten Experten, dass sie auf alle Eventualitäten vorbereitet sind, von Verkehrsunfällen bis zum unerwarteten Auftauchen von Medienvertretern auf der Route. Schließlich sei die Lage in der Region "gespannt, unvorhersehbar, volatil, riskant, gefährlich".
Spezialisten der Cobra im Einsatz
"Heute ist die Situation ruhig. Wir erwarten ein geringes Risiko", sagte ein Vertreter der Sonderüberwachungsmission an Kurz und seinen ukrainischen Amtskollegen Pawlo Klimkin gerichtet. Im Klartext: Es wird nichts passieren. Die ukrainische Armee widme dem Besuch großes Augenmerk, auch österreichische Cobra-Spezialpolizisten seien im Einsatz. Und die Separatisten? "Wir haben auch die Kooperation der anderen Seite", sagte der OSZE-Vertreter verklausuliert.
Noch im Oktober war die Strecke zwischen Mariupol und Pyschtschewyk beschossen worden. Seit Mitte Dezember müssen Einheimische mehr als einen Kilometer zu Fuß "unter äußerst gefährlichen Bedingungen" zwischen den Checkpoints zurücklegen. Immer wieder strandeten Menschen über Nacht im Niemandsland zwischen den nur während der Bürozeiten geöffneten Kontrollpunkten.
Trügerische Weihnachtsruhe zwischen den Gefechten
Kurz und Klimkin erwartete am Dienstag zu Mittag fast idyllische Weihnachtsruhe in Pyschtschewyk. Gerade einmal ein Dutzend Fahrzeuge wartete vor dem Grenzbalken, die Insassen zeigten stoische Ruhe. Eine trügerische Momentaufnahme, die dazu verleiten könnte, den Konflikt als alltagstauglich hinzunehmen. Doch das ist nicht einmal die halbe Wahrheit. Wenige Kilometer weiter besuchte Kurz eine Siedlung, wo erst kürzlich Häuser zerschossen wurden. Und im Gespräch mit Einheimischen erfuhr er, dass die Feuergefechte regelmäßig in der Nacht aufflammen. Dann nämlich, "wenn die OSZE-Leute weggehen".
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