Kritik wird lauter
London: Alle drei Täter waren Behörden bekannt
Drei Tage nach dem blutigen Terroranschlag in Londons Ausgehviertel ist es nun Gewissheit: Alle drei Attentäter waren den Behörden bekannt und schon einmal im Fokus von Ermittlungen gewesen. Die italienische Polizei bestätigte am Mittwoch, sie hätte die britischen Geheimdienste über Youssef Zaghba informiert. Schon zuvor hatte sich herausgestellt, dass auch die anderen beiden Angreifer zeitweise auf dem Radar der Behörden gewesen waren.
Laut der italienischen Polizei sei der 22-jährige Zaghba, ein Italiener marokkanischer Herkunft, im März 2016 auf dem Flughafen von Bologna festgenommen worden. Er habe Verdacht geschürt, weil er lediglich mit einem Rucksack nach Istanbul reisen wollte und sich merkwürdig verhalten habe. So soll er dem kontrollierenden Beamten zunächst gesagt haben, er wolle ein Terrorist werden, habe sich dann aber korrigiert. Die italienischen Behörden hätten nicht genügend Beweise gehabt, um ihn wegen Terrorismus belangen zu können, und ihn wieder freigelassen. Die britischen Geheimdienste seien aber informiert worden, dass er potenziell gefährlich sein könnte. In Italien sei er zudem "immer überwacht" worden.
Mutter: "Habe Radikalisierung mitbekommen"
Die Mutter des Italo-Marokkaners ist der Ansicht, dass sich ihr Sohn im letzten Jahr in England radikalisiert habe. "Er ist starrer geworden. Anhand seines Blicks habe ich begriffen, dass es zu einer Radikalisierung bezüglich der islamischen Prinzipien gekommen war", berichtete die Italienerin Valeria Collina, die vor 26 Jahren zum Islam übergetreten war, in einem Interview mit italienischen Medien am Mittwoch.
In London hatte ihr Sohn als Kellner in einem pakistanischen Fast-Food-Lokal gearbeitet. "Er arbeitete zehn Stunden am Tag - und das beruhigte mich. Dann ist das passiert, was geschehen ist. Etwas Schreckliches, das nicht hätte geschehen sollen und nie wieder geschehen darf. Ich werde alles Mögliche tun, um das zu verhindern. Man muss vor allem die Jugend erziehen", sagte die in der Provinz Bologna lebende Collina. Sie sei davon überzeugt, dass sich ihr Sohn online radikalisiert hat: "Wir haben immer Youssefs Freundschaften kontrolliert. Er benützte jedoch das Internet, von dort kommt alles. Weder in Italien noch im marokkanischen Fez, wo er an der Universität Informatik studierte, hat er sich jemals von jemanden beeinflussen lassen."
Italiens Polizeichef: "Habe ein reines Gewissen"
Italiens Polizeichef Franco Gabrielli sieht keinen Grund für Vorwürfe an die Geheimdienste seines Landes. Er habe ein "reines" Gewissen, zitierte die Nachrichtenagentur ANSA Gabrielli. Er wolle zudem keinen Streit mit britischen Amtskollegen lostreten, fügte er hinzu.
London-Attentäter in Dschihadisten-Doku zu sehen
Ein weiterer London-Attentäter, Khuram Shazad Butt (27), ein in Pakistan geborener Brite, hatte seine Gesinnung nicht verborgen und sogar in einer TV-Dokumentation mit einer Fahne der Terrormiliz Islamischer Staat posiert. Er war der Polizei und dem Inlandsgeheimdienst MI5 bekannt. Trotz seiner radikalen Ansichten arbeitete er 2016 mehrere Monate für die Londoner U-Bahn. Die Sicherheitskräfte stuften ihn als nachrangig ein.
Dritter Täter war abgelehnter Asylwerber
Rachid Redouane (30), ein Marokkaner, der sich auch als Libyer ausgegeben hat, hatte britischen Medienberichten zufolge in Großbritannien um Asyl angesucht. Sein Antrag sei aber 2009 abgelehnt worden. Sicherheitskreise in Irland bestätigten, er habe 2012 in Dublin eine Britin geheiratet und sich damit das Bleiberecht für Großbritannien gesichert.
Die drei Attentäter hatten am Samstagabend bei Attacken auf der London Bridge und am nahen Borough Market mehrere Menschen getötet und Dutzende weitere verletzt. Angesichts der Kritik an den britischen Sicherheitsbehörden kündigte Premierministerin Theresa May eine Untersuchung des Einsatzes ang.
Imame verweigern Attentätern Totengebet
Für Aufsehen sorgte am Mittwoch ein offener Brief von 130 Imamen aus Großbritannien. Die muslimische Religionsführer kündigten an, den drei Terroristen von London das Totengebet verweigern zu wollen. Aus Schmerz über das Leid der Opfer und ihrer Angehörigen habe man beschlossen, das Totengebet Salat al-Janaaza, bei dem um Vergebung für die Taten der Verstorbenen und ihren Eintritt in das Paradies gebetet wird, für die Attentäter nicht zu sprechen, teilte der Muslim Council of Britain am Montagabend mit. Man sei "geschockt und abgestoßen" vom Verhalten der Männer, deren "unhaltbares Handeln, den Lehren des Islam widerspricht".
Die Imame fordern auch andere Muslime und religiöse Autoritäten auf, es ihnen gleichzutun. Die Terroristen würden vergeblich versuchen, die Gesellschaft zu spalten, und genössen "weder die Legitimität noch Sympathie" der muslimischen Gemeinschaft. "Es ist die islamische Pflicht eines jeden Muslim, loyal zu dem Land zu sein, in dem er lebt." Man werde nun Fragen stellen, um zu verstehen, wie "der Hass in einigen Elementen unserer eigenen Gemeinschaften Fuß fassen konnte", heißt es in der Erklärung, die von Vertretern verschiedener Strömungen des Islams unterzeichnet wurde.
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