Wie kann das sein?

Manchester-Bomber reiste unbehelligt durch Europa

Ausland
25.05.2017 16:35

Die Terror-Bestie von Manchester, der erst 22 Jahre alte Salman Abedi, ist nur wenige Tage vor der unfassbaren Bluttat unbehelligt kreuz und quer durch Europa gereist. Von Tripolis, der libyschen Heimatstadt seiner Eltern, aus flog er über Prag und Düsseldorf nach Manchester, um in der Stadt, in der er geboren und aufgewachsen war, einen der folgenschwersten Anschläge auf europäischem Boden zu begehen: Er sprengte sich in der Eingangshalle der Manchester Arena in die Luft und tötete 22 meist junge Menschen. Das jüngste Opfer ist erst acht Jahre alt.

Etwa drei Wochen war Abedi vor der Tat in Libyen und vermutlich auch in Syrien. Offiziell hatte er seine Familie in Tripolis besucht - seine Eltern waren vor dem Gadafi-Regime nach Manchester geflüchtet, mit Abedis jüngerem Bruder Hashem aber nach dem Sturz des Diktators wieder in ihre Heimat zurückkehrt -, im Hintergrund dürfte er aber die letzten Weichen für das Blutbad gestellt haben.

So wusste Hashem Abedi, der wie sein Vater am Mittwoch in Tripolis verhaftet wurde, von den Anschlagsplänen. Der 20-Jährige gab an, er habe Salman noch vor dessen Reise nach Libyen im April in Manchester besucht und die Vorbereitungen für das Blutbad in der Manchester Arena mitbekommen. Hachem sei am 16. April wieder ausgereist, aber weiterhin in ständigem Kontakt mit seinem Bruder gewesen.

Salman Abedis Bruder Hashem wurde ebenfalls verhaftet - er gibt Verbindungen zum IS zu. (Bild: AP)
Salman Abedis Bruder Hashem wurde ebenfalls verhaftet - er gibt Verbindungen zum IS zu.

Hashem habe eingeräumt, zur Terrormiliz Islamischer Staat zu gehören. Salman soll außerdem Kontakt zu dem weltweit gesuchten Al-Kaida-Anführer Abd al-Baset Azzouz gehabt haben. Azzouz gilt als sehr gefährlicher Terrorist, berüchtigter Bombenbauer und Sprengstoffexperte. Er stammt ebenfalls aus Manchester.

Jüngster Bruder wurde in Libyen überwacht
Anders als Salman, der den britischen Behörden zwar bekannt, aber in internationalen Fahndungssystemen nicht erfasst war und auch auf keiner Beobachtungsliste stand, war Hashem sehr wohl seit etwa eineinhalb Monaten beobachtet worden. Allerdings dürften die libyschen Ermittler den britischen Behörden von ihrem Verdacht nichts mitgeteilt haben, da sie wohl davon ausgegangen seien, dass der jüngste Bruder nur in einen geplanten Anschlag in Tripolis involviert gewesen sei, schrieb die "Daily Mail".

Video: Die Terror-Bestie von Manchester hatte Komplizen

In den vergangenen Jahren radikalisiert
Salman Abedi wurde 1994 als Sohn libyscher Flüchtlinge in Manchester geboren und studierte in der Stadt auch, bis er das Studium abbrach und sich in den vergangenen Jahren dem radikalen Islam zuwandte. Wie und wann genau er sich radikalisierte, ist unklar. Der 22-Jährige hatte mit seinem Vater und seinem älteren Bruder Ismail, der am Mittwoch in Manchester verhaftet wurde, regelmäßig die Didsbury-Moschee besucht und vielleicht dort entsprechende Kontakte geknüpft.

Ein Polizist vor der Didsbury-Moschee in Manchester (Bild: AFP)
Ein Polizist vor der Didsbury-Moschee in Manchester

In Syrien paramilitärische Ausbildung durchlaufen
Allerdings sei er auch international gut vernetzt gewesen. 2015 hat Abedi offenbar eine paramilitärische Ausbildung in Syrien durchlaufen, bevor er über Frankfurt am Main wieder nach Großbritannien zurückgekehrt sei, wie Scotland Yard damals dem deutschen Bundeskriminalamt (BKA) mitgeteilt habe.

"Die Szene ist international eng verflochten", zitierte der "Focus" am Donnerstag einen ranghohen BKA-Experten. "Wir müssen klären, ob Abedi in Syrien Leute kennengelernt hat, die er in Nordrhein-Westfalen oder Hessen getroffen hat." Bisher sieht es allerdings so aus, als habe Abedi sich sowohl 2015 als auch jetzt, bei seiner Rückreise nach Manchester über Düsseldorf, lediglich im Transitbereich der deutschen Flughäfen aufgehalten und niemanden getroffen.

Salman Abedi (Bild: AP, AFP)
Salman Abedi

Weder in Fahndungssystemen noch auf der Beobachtungsliste
Dass Abedi trotz des Aufenthaltes in einem Terrorlager in Syrien, mehrerer Reisen nach Libyen und obwohl er amtsbekannt war ungehindert reisen konnte, ist auf folgenden Umstand zurückzuführen: Abedi schien in internationalen Fahndungssystemen mit seinem Namen nicht auf und war auch auf keiner Beobachtungsliste verzeichnet, auf der Reisebewegungen verdächtiger Islamisten erfasst werden.

Der britische Inlandsgeheimdienst MI5 führe um die 500 Ermittlungen gleichzeitig. Jederzeit gebe es bis zu 3000 Personen, die für den Geheimdienst von besonderem Interesse seien. Abedi habe in der Vergangenheit zu diesem Personenkreis gehört, zuletzt sei er aber nicht mehr regelmäßig überprüft worden, verlautete aus Regierungskreisen.

Salman Abedi ein "klassischer, hausgemachter Terrorist"
Warum er allerdings nicht weiter beobachtet wurde, steht auf einem anderen Blatt. Bereits der in Bangladesch geborene und in Sydney tätige Psychiater und Buchautor Tanveer Ahmed schrieb in einem Kommentar für den "Spectator Australia", Salman Abedi sei ein klassischer "hausgemachter" Terrorist. Zudem habe er sich in der letzten Zeit verschlossen und sehr religiös gezeigt - sozusagen wie aus dem "How to Spot a Radical Islamist for Dummies"-Lehrbuch ("Wie man eine radikalen Islamisten erkennt - für Dummies").

Der Psychiater und Autor Tanveer Ahmed (kl. Bild) rät zu einem kurzfristigen Zuwanderungsstopp. (Bild: AFP, AP, twitter.com/Tanveer Ahmed)
Der Psychiater und Autor Tanveer Ahmed (kl. Bild) rät zu einem kurzfristigen Zuwanderungsstopp.

Freunde und Familienmitglieder warnten Behörden vor Salman Abedi
Dazu kommt, dass nicht nur Freunde des Manchester-Bombers die Polizei vor Salman Abedi gewarnt hätten, sondern angeblich auch dessen eigene Mutter, die Nuklearwissenschaftlerin Samia Tabbal, und weitere Verwandte. Teile der Familie hätten ihn für "gefährlich" gehalten, zwei Studienkollegen hätten vor fünf Jahren bei der für solche Fälle eingerichteten Anti-Terror-Hotline angerufen und mitgeteilt, dass Abedi "Selbstmordanschläge für okay" halte.

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