Berlin statt Brüssel
Schulz bestätigt Wechsel in deutsche Bundespolitik
Der deutsche SPD-Europapolitiker Martin Schulz hat offiziell bestätigt, dass er nicht mehr für eine weitere Amtszeit als EU-Parlamentschef kandidieren wird. Er werde dem europäischen Projekt von Berlin aus verpflichtet bleiben, sagte Schulz am Donnerstag in Brüssel. Schulz will auf dem ersten Listenplatz in Nordrhein-Westfalen für die Bundestagswahl antreten.
Schulz bezeichnete das europäische Einigungswerk als "größte zivilisatorische Errungenschaft der vergangenen Jahrhunderte. Mehr denn je braucht die Welt heute eine starke, eine selbstbewusste und eine vereinte Europäische Union." Es brauche Europäer, die für ihre Werte und Überzeugungen einstehen. Man müsse verteidigen und stärken, was vergangene Generationen aufgebaut haben.
Neue Wirkungsstätte Berlin
Er wolle sich künftig von nationaler Ebene aus einsetzen, dass Gräben zwischen den Ländern und Gesellschaften geschlossen werden, sagte Schulz. Nur so könne verlorenes Vertrauen in die Politik wieder zurückgewonnen werden. Deutschland als größtes Mitgliedsland der EU habe hier eine besondere Verantwortung, für die er sich künftig in Berlin einsetzen wolle.
Schulz für die vergangenen fünf Jahre "zutiefst dankbar"
Die Entscheidung sei ihm nicht leichtgefallen, sagte Schulz. Das Amt des EU-Parlamentspräsidenten sei "eine große Ehre" gewesen, für die er zutiefst dankbar sei. Schulz dankte auch seinem "Freund", EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker, für die vertrauensvolle Zusammenarbeit.
SPD nominiert Kanzlerkandidat erst im Jänner
Die SPD will trotz des Wechsels von Schulz am Zeitplan bei der Kanzlerkandidatenfrage festhalten. Es bleibe dabei, dass die Kanzlerfrage Ende Jänner auf einer Vorstandsklausur entschieden werde, sagte ein Sprecher von Parteichef Sigmar Gabriel am Donnerstag in Berlin. Bei der Suche nach einem SPD-Kanzlerkandidaten gilt der amtierende EU-Parlamentspräsident Schulz als mögliche Alternative zu Gabriel. Schulz wird in der SPD für die Nachfolge von Außenminister Frank-Walter Steinmeier favorisiert. Steinmeier soll am 12. Februar in der Bundesversammlung auf Vorschlag von CDU, CSU und SPD zum neuen Bundespräsidenten gewählt werden.
Othmar Karas möglicher Nachfolger von Schulz
Nach dem Sozialdemokraten Schulz soll nun im Jänner ein Abgeordneter der konservativen Europäischen Volkspartei gewählt werden. Als möglicher Anwärter auf den Posten des EU-Parlamentspräsidenten gilt auch ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas. Karas würdigte die Verdienste von Schulz: "Er hat das Europäische Parlament im Kampf gegen demagogischen Populismus und Nationalismus gestärkt. Er hat das Parlament als Herz der europäischen Demokratie profiliert. Meine Zusammenarbeit mit ihm war immer von gegenseitigem Respekt und Vertrauen geprägt."
Juncker "enttäuscht" über Rückzug von Schulz
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zeigte sich enttäuscht über den Rückzug von Schulz aus der Europapolitik. "Ich bedauere es", sagte der konservative Politiker am Donnerstag vor dem EU-Ukraine-Gipfel in Brüssel. Juncker hatte sich ausdrücklich für einen Verbleib von Schulz an der Spitze des Europaparlaments ausgesprochen. Schulz und der Luxemburger Juncker waren 2014 als Spitzenkandidaten für ihre jeweiligen Parteien im Europawahlkampf gegeneinander angetreten. Nach dem Sieg der Christdemokraten übernahm Juncker den Posten als Kommissionschef, Schulz wurde als Parlamentspräsident wiedergewählt. Der SPD-Politiker dankte am Donnerstag seinem "Freund Jean-Claude Juncker" ausdrücklich "für die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit".
Schulz hinterlasse eine große Lücke. Es sei "dennoch eine gute Entscheidung, da es für Europa gut ist, wenn im größten Mitgliedsstaat Menschen die politische Verantwortung tragen, die proeuropäisch sind", sagte Josef Weidenholzer (SPÖ). Die grüne Delegationsleiterin und Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Ulrike Lunacek, sagte, Schulz habe dem Europaparlament "zu mehr Sichtbarkeit in der europäischen Öffentlichkeit verholfen".
FPÖ-Delegationsleiter Harald Vilimsky begrüßte den Abgang von Schulz als "gute Nachricht". Vilimsky: "Wenn nun auch noch EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker den Hut nimmt, könnte sich die EU endlich wieder besser entwickeln."
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