TV-Duell mit Merkel
Schulz: “EU-Verhandlungen mit Türkei abbrechen”
Nach der Festnahme von zwei weiteren Deutschen in der Türkei hat sich SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz für einen sofortigen Stopp der EU-Beitrittsverhandlungen mit Ankara ausgesprochen. "Da müssen wir mit unseren europäischen Partnern darüber reden", sagte er am Sonntagabend beim einzigen TV-Duell mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) vor der Bundestagswahl am 24. September.
Er wolle als Kanzler einen härteren Kurs gegenüber der Türkei fahren, sagte Schulz. Das Verhalten der Türkei lasse keine andere Wahl, obwohl er sich lange für den EU-Beitritt ausgesprochen habe. "Hier sind alle roten Linien überschritten. Der Punkt ist beendet", sagte Schulz.
Merkel will wirtschaftlich stärkeren Druck auf Türkei ausüben
Merkel will sich in der Europäischen Union für einen Abbruch der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei einsetzen. Sie werde mit ihren EU-Kollegen darüber sprechen, "ob wir hier zu einer gemeinsamen Position kommen können und diese Beitrittsverhandlungen auch beenden können. Die Türkei entfernt sich in einem atemberaubenden Tempo von allen demokratischen Gepflogenheiten." Gegenüber dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan sei "klare Kante" gefordert, fügte Merkel hinzu. Die Zahlung von EU-Vorbeitrittshilfen für die Regierung in Ankara müsse eingestellt werden. "Die Tatsache, dass die Türkei nicht Mitglied der EU werden soll, das ist auch klar", sagte sie.
Die Kanzlerin erklärte, dass die deutsche Bundesregierung auch "stärkere Reisewarnungen" für die Türkei prüfe. Außerdem müsse es "wirkliche Einschränkungen der wirtschaftlichen Kontakte" zur Türkei geben.
Zum Auftakt des einzigen TV-Duells zwischen Merkel und Schulz hatte der SPD-Spitzenkandidat der Kanzlerin Fehler in der Flüchtlingspolitik vorgeworfen. Merkel hätte auf dem Höhepunkt der Krise im Sommer 2015 die europäischen Partner früher einbinden müssen, sagte Schulz. Nur weil die Kanzlerin dies nicht getan habe, könnten sich heute etwa Ungarn und Polen bei der Aufnahme der Menschen aus der Verantwortung stehlen. Merkel konterte, der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban sei von Anfang an nicht bereit gewesen, in der Krise zusammenzuarbeiten.
Flüchtlingskrise: Merkel verteidigt EU-Türkei-Abkommen
"Wir haben damals eine sehr dramatische Situation gehabt", sagte Merkel. "Es gibt im Leben einer Bundeskanzlerin Momente, da müssen Sie entscheiden." Sie räumte aber Versäumnisse vor der Krise ein. Die Bundesregierung habe sich zu wenig um die Flüchtlingslager in der Türkei und etwa in Jordanien und dem Libanon gekümmert. Das Abkommen mit der Türkei sei dann aber die richtige Antwort gewesen: "Ich halte es nach wie vor für absolut richtig." Schulz sagte, er könne jedenfalls nicht dazu raten, alles noch einmal genauso zu machen wie 2015.
Merkel: "Verfassungskonformer Islam gehört zu Deutschland"
Schulz und Merkel betonten, dass die Integration der Migranten in Deutschland nach wie vor eine große Herausforderung sei. Mit Blick auf die bestehende Anschlagsgefahr äußerte die Kanzlerin Verständnis für Menschen, die dem Satz 'Der Islam gehört zu Deutschland' nicht zustimmen wollten. "Ich verstehe die Menschen, die da sehr skeptisch sind." Der Terror unter dem Namen des Islam löse dies aus. "Die Geistlichkeit muss hier noch sehr viel stärker sagen, dass das mit dem Islam nichts zu tun hat", sagte sie mit Blick auf islamische Geistliche in Deutschland. Ein Islam, der verfassungskonform sei, gehöre aber zu Deutschland.
SPD-Panne: Schulz schon vor TV-Duell zum Sieger gekürt
Wenige Stunden vor dem dem TV-Duell hatte sich die SPD eine peinliche Panne geleistet. Im Internet erschien bei einer Google-Suche nach der Auseinandersetzung eine SPD-Anzeige mit der Überschrift "TV-Duell: Merkel verliert klar gegen Martin Schulz", wie ein Twitter-Nutzer mit einem Screenshot am Sonntag belegte.
Union in Umfragen weit vor SPD
Trotz schlechter Umfragewerte will sich Schulz noch nicht geschlagen geben. Jeder zweite Bürger habe sich noch nicht entschieden, sagte er. In den Umfragen liegen CDU und CSU weit vorne: Sie kommen auf 37 bis 40 Prozent, während die SPD zwischen 22 und 24 Prozent rangiert. Linke, Grüne, FDP und AfD ringen mit Werten zwischen 6,5 Prozent und elf Prozent um Platz drei. Die Wahl findet am 24. September statt.
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