Usbeke (39) in Haft
Stockholm: Killer ist vierfacher Familienvater
Nach dem blutigen Lkw-Anschlag mit vier Toten und zahlreichen Verletzten in der schwedischen Hauptstadt Stockholm hat die Polizei offenbar den Terrorlenker gefasst. In der Nacht auf Samstag wurde ein 39-Jähriger aus Usbekistan verhaftet, nach Behördenangaben dürfte er dem IS nahestehen und ist "dringend verdächtig", den Lkw gesteuert zu haben. Besonders schockierend: Der Verdächtige soll selbst vierfacher Familienvater sein. Am Samstagnachmittag gab es dann in Stockholm weitere Festnahmen, bei denen jedoch unklar ist, ob und inwiefern sie mit dem Anschlag in Verbindung stehen.
Die schwedische Zeitung "Aftonbladet" veröffentlichte Samstag Details über den mutmaßlichen Todeslenker. So soll er in einem Vorort von Stockholm leben. Allerdings habe er nicht dort gewohnt, wo er offiziell registriert war, sondern irgendwo im Süden der Stadt, sagte eine Bekannte des Usbeken gegenüber der Zeitung. Laut einer anderen schwedischen Zeitung, dem "Expressen", habe der 39-Jährige wegen Streitereien getrennt von seiner Familie gelebt. Wie lange der Islamist schon in Schweden sei, ist nicht bekannt. Demnach soll er aber in der Baubranche tätig sein.
Bekannte des Täters: "Er sprach nie über Politik"
Die Bekannte sei entsetzt, sie könne nicht glauben, dass er zu solch einem Attentat fähig sei. "Er sprach nie über Politik oder Religion", sagte sie. "Das Einzige, worüber er sprach, war, wie er mehr arbeiten kann, um mehr Geld in seine Heimat zu schicken." Im Internet soll er sich laut "Aftonbladet" allerdings als IS-Anhänger zu erkennen gegeben und Propagandafilme hochgeladen haben. Außerdem soll er ein Bild von blutverschmierten Opfern des Bombenattentats auf den Boston-Marathon 2013 geliked haben, das Sekunden nach der Explosion aufgenommen worden war.
Die Polizei scheint jedenfalls sicher, dass der Usbeke der Todeslenker ist. "Wir haben den dringenden Verdacht, dass der Mann der Angreifer ist. Nichts deutet darauf hin, dass wir die falsche Person gefasst hätten", hieß es. Der 39-Jährige stehe unter dem "höchsten Verdacht des Mordes durch einen Terrorakt", sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Seine Personenbeschreibung passe auf die eines am Anschlagsort gefilmten Mannes, der zur Fahndung ausgeschrieben wurde. Das Telefon des Verdächtigen und seine Aktivitäten in sozialen Netzwerken würden untersucht.
Polizei hält sich nach weiteren Festnahmen bedeckt
Am Samstagnachmittag gab es dann laut schwedischen Medien weitere Festnahmen. "Aftonbladet" berichtete, dass die Polizei in Stockholm drei Personen aus einem Auto gezerrt und in Gewahrsam genommen hat. Bilder auf Twitter zeigen, wie zwei der drei Männer auf die Straße gedrückt werden. Die Beamten waren in Zivil gekleidet, mindestens einer von ihnen trug eine Sturmhaube. Demnach steht das Auto in nicht näher definierter Verbindung zum mutmaßlichen Attentäter, weitere Informationen zu dem Einsatz gab es seitens der Behörden nicht.
Zudem stürmte die Polizei eine Wohnung im Stadtteil Varberg und führte eine Person ab. Auch hier war unklar, inwiefern und ob diese etwas mit dem Anschlag zu tun hat. Bereits am Freitagabend war ein Verdächtiger verhaftet worden. Die Ermittler wollten sich aber auch in diesem Fall nicht dazu äußern, ob die Festnahme im Zusammenhang mit dem Anschlag stehe.
Ein Amateurvideo zeigt die Todesfahrt von Stockholm:
Augenzeugen: "Unmengen an Blut"
Ein gekaperter Lastwagen war am Freitagnachmittag in einer großen Einkaufsstraße in der Stockholmer Innenstadt zunächst in eine Menschenmenge und dann in ein Kaufhaus gerast. Dabei wurden vier Menschen getötet und 15 verletzt, neun von ihnen schwer. Augenzeugen berichteten von "Unmengen an Blut" und Leichen auf dem Asphalt. "Es hat in der Fahrerkabine des Lastwagens gebrannt und die Leute haben geschrien, dass wir weglaufen sollen", sagte eine Schwedin gegenüber dem Staatssender SVT. "Ich bin geschockt."
ÖVP-Klub erlebte Stockholm-Terror "hautnah"
Auch der burgenländische ÖVP-Klub war zum Tatzeitpunkt am Freitag gerade zu Besuch in Stockholm. Er und eine 20-köpfige Delegation - zu der laut neuesten Informationen auch Ex-Minister Niki Berlakovich gehörte - hätten die Ereignisse "hautnah" miterlebt, berichete Landesparteiobmann Thomas Steiner am Freitagabend im Gespräch mit der "Krone".
Video: Passanten entkommen dem Todes-Lkw nur knapp
Lkw wird kriminaltechnisch untersucht
Der Lastwagen war in der Nacht zu Samstag abgeschleppt worden und soll nun kriminaltechnisch untersucht werden. Die Polizei gab bekannt, in dem Lkw sei etwas gefunden worden, "das dort nicht hingehörte". Um was es sich genau handelt, solle nun eine Untersuchung klären. Der staatliche Sender SVT hatte zuvor berichtet, dass es sich dabei um Sprengstoff handle. Dies wurde von der Polizei vorerst nicht bestätigt.
Premier: "Die Terroristen können Schweden niemals besiegen"
Am Freitagabend hatten Tausende zu Fuß nach Hause gehen müssen. Viele Stockholmer boten den Menschen, die außerhalb der Stadt wohnten, eine Unterkunft an. Auf diese Solidarität könne Schweden stolz sein, sagte Regierungschef Stefan Löfven am späten Abend. "Die Terroristen wollen, dass wir Angst haben, sie wollen unser Verhalten verändern, wollen, dass wir unser Leben nicht mehr normal leben, aber das werden wir nicht tun. Die Terroristen können Schweden niemals besiegen, niemals", erklärte er. An den oder die mutmaßlichen Täter gerichtet sagte der Sozialdemokrat: "Ihr könnt nicht über unser Leben bestimmen. Ihr werdet niemals gewinnen."
Schweden verstärkt Grenzkontrollen
Löfven ordnete zudem eine Verstärkung der Grenzkontrollen an. Zehn Tage lang sollen alle Ausreisenden an den Grenzen kontrolliert werden. Innenminister Anders Ygeman sagte, die Kontrollen könnten um weitere 20 Tage verlängert werden. "Das ist natürlich wichtig, um einen Täter oder eventuelle Helfer daran zu hindern, das Land zu verlassen und sich einer Festnahme der Polizei zu entziehen."
Schwedische Königsfamilie geschockt
Die schwedische Königsfamilie reagierte geschockt auf das Attentat. "Ich und die gesamte Königsfamilie haben mit größter Bestürzung die Informationen über das verachtenswerte Attentat in Stockholm entgegengenommen", teilte König Carl Gustaf mit. Dennoch gebe es ihm Hoffnung, "dass all diejenigen unter uns, die helfen wollen, viel zahlreicher sind als diejenigen, die uns schaden wollen". Zudem lobte er Polizei und Rettungsdienste für ihre "tolle Arbeit" nach dem Vorfall.
Weltweites Entsetzen nach Anschlag
UNO-Generalsekretär Antonio Guterres sprach den Angehörigen der Opfer sein Mitgefühl aus. Ein Sprecher des US-Außenministeriums sprach von einem "brutalen und sinnlosen Angriff". Die USA stünden bereit, bei der Aufklärung zu helfen. Russlands Präsident Wladimir Putin erklärte, "in dieser schwierigen Zeit trauern die Russen mit dem schwedischen Volk". Die deutsche Bundesregierung versicherte der schwedischen Bevölkerung ihre Solidarität: "Wir stehen zusammen gegen den Terror." In Paris lag der Eiffelturm in der Nacht auf Samstag zur Erinnerung an die Opfer im Dunkeln. In Stockholm selbst wehten am Samstag nach dem Anschlag alle Flaggen auf halbmast.
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