Frankreich-Terror
Rückenwind für “Kriegsherrin” Le Pen
Viele hatten es befürchtet, nun ist es geschehen: Kurz vor der Präsidentenwahl stirbt ein Polizist auf den Pariser Champs-Elysees bei einem Mordanschlag. Schon die Woche zuvor war ein IS-Terrorangriff vereitelt worden. Hinter diesem dschihadistischen Großangriff steckt ein teuflischer Plan gegen Frankreich.
Der Angriff ist eine gigantische Wahlhilfe für Front-National-Chefin Marine Le Pen. Genau darauf zielen die IS-Anhänger ab: Frankreich soll durch einen Sieg von Le Pen destabilisiert werden. Dazu zählt auch das Schüren einer Anti-Islam-Stimmung. Endziele sind ein bürgerkriegsartiges Klima und letztlich die Zerstörung der staatlichen Strukturen westlicher Länder.
Der symbolträchtige Angriff mit maximaler Publikumswirkung auf die abendlich belebten Champs-Elysees hat prompt das Finale eines ohnehin bereits chaotischen Wahlkampfs schwer belastet. Die jüngste Attacke auf die Ordnungshüter verstärkt das Gefühl der Unsicherheit und der Bedrohung.
Scharfe Attacken gegen Regierung
Le Pen präsentiert sich in der angespannten Lage als "Kriegsherrin" und greift die Regierung scharf an. "Der Krieg, der gegen uns geführt wird, ist ohne Gnade und ohne Atempause", so die 48 Jahre alte Chefin der rechtsextremen Partei Front National.
Seit zehn Jahren sei unter den Regierungen der Konservativen und der Sozialisten alles getan worden, damit Frankreich den "Krieg" gegen den Terrorismus verliere, sagte sie am Freitag in Paris. Zwei Tage vor der Präsidentschaftswahl forderte sie "eine Nation, die die Naivität ablegt".
Le Pen antwortet mit "Kriegs-Rede"
"Ich rufe zum Erwachen der tausendjährigen Seele unseres Volkes auf, die in der Lage ist, der blutigen Barbarei eine Entschlossenheit entgegenzustellen, die durch nichts eingeschüchtert wird", so Le Pen. Sie wiederholte ihre Wahlkampfforderungen nach härteren Maßnahmen im Kampf gegen den Islamismus. So will sie alle Ausländer, die in einer Datei der Behörden als mutmaßliche Gefährder geführt werden, ausweisen. Le Pen kann sich laut Umfragen die besten Chancen ausrechnen, sich am Sonntag für die entscheidende Stichwahl am 7. Mai zu qualifizieren.
Kann Le Pen von der akuten Terrorgefahr profitieren? Am Sonntag findet in Frankreich die erste Runde der Präsidentschaftswahl statt. Die Abstimmung soll von mehr als 50.000 Polizisten und Soldaten geschützt werden. Im Land gilt nach einer beispiellosen Terrorserie mit mehr als 230 Toten immer noch der Ausnahmezustand. Mehrere Kandidaten sagten am Freitag geplante Auftritte ab.
Elf Kandidaten im ersten Wahldurchgang
Die Lage vor der für ganz Europa wichtigen Wahl ist mit elf Präsidentschaftskandidaten völlig unübersichtlich. In Umfragen liegen der sozialliberale Kandidat Emmanuel Macron und die Rechtspopulistin Marine Le Pen an der Spitze. Zuletzt hat der Linkspopulist Jean-Luc Melenchon stark aufgeholt, auch der skandalbelastete bürgerliche Ex-Premier Francois Fillon hat noch immer Chancen.
Suche nach Komplizen des IS-Terroristen
Polizisten hatten noch am Donnerstagabend die Wohnung des getöteten Angreifers im Umland von Paris durchsucht, um Spuren zu eventuellen Komplizen und Hintermännern des Terrors zu finden. In der Wohnung wurde ein Schreiben mit Verweis auf den IS entdeckt, im Auto des Täters wurde ein Koran gefunden. Außerdem hatte der Mann einen Zettel mit den Adressen eines Polizeikommissariats und des Hauptquartiers des Inlandsgeheimdienstes DGSI bei sich.
Französische Sicherheitskräfte waren in der Vergangenheit bereits mehrfach von Dschihadisten attackiert worden. Im vergangenen Juni wurde ein Polizistenpaar im Umland von Paris ermordet. Vor einem Monat erschossen Soldaten auf dem Pariser Flughafen Orly einen Mann, der sie zuvor angegriffen hatte.
50.000 Sicherheitskräfte sichern die Wahl
Die Polizei hatte erst am Dienstag in Marseille zwei Islamisten festgenommen, in deren Wohnung ein Waffenarsenal versteckt war. Laut Ermittlern drohte ein Anschlag unmittelbar vor der Wahl. Die Sicherheitsmaßnahmen für den Wahlkampf wurden verstärkt. Am Wahlsonntag sind 50.000 Polizisten und Soldaten im Einsatz.
Kurt Seinitz, Kronen Zeitung
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