Kopfschütteln in F

“Unislamisches Sitzen”: Diplomat in Ankara gerügt

Ausland
01.05.2017 09:04

Wegen seines "unislamischen Sitzens" ist der französische Botschafter in der Türkei gerügt worden. Während einer Sitzung des Parlaments in Ankara anlässlich des Gedenkens der ersten Versammlung der Volksvertreter vor 97 Jahren hatte Charles Fries auf der Besuchergalerie seine Beine übereinandergeschlagen. Wenig später wurde der Diplomat von einer Parlamentsangestellten darauf hingewiesen, beide Beine auf den Boden zu stellen. Das Zeigen der Schuhsohlen sei nämlich "unislamisch".

In Frankreich herrscht seit dem Vorfall am 23. April Kopfschütteln, zumal es das erste Mal war, dass ein ausländischer Diplomat auf nicht korrektes Sitzen im türkischen Parlament hingewiesen wurde. Er könne sich an keinen solchen Vorfall erinnern, sagte der Botschafter eines anderen EU-Mitgliedsstaates gegenüber dem deutschen "Tagesspiegel".

Zeigen der Schuhsohlen ist für Muslime eine Beleidigung
Neben Fries wurden auch andere ausländische Gäste im Parlament gebeten, sich "ordentlich" hinzusetzen. Das Problem waren nicht die Beine der Betroffenen, sondern vielmehr ihre Schuhsohlen, die dadurch sichtbar waren. Für gläubige Muslime gelten Schuhsohlen als Inbegriff der Unreinheit. Es gilt als Beleidigung, wenn man dem Gegenüber seine Schuhsohlen zeigt.

Als besonderes Zeichen der Verachtung galt es, als im Jahr 2003 nach dem Sturz des Regimes im Irak die monumentale Statue von Saddam Hussein mit Schuhen beworfen wurde. Auch der ehemalige US-Präsident George W. Bush war während einer Pressekonferenz im Jahr 2008 Opfer eines Schuhwurfes geworden, als er in Bagdad eine Pressekonferenz hielt.

Wenn man sich Bilder von muslimischen Staats- und Regierungschefs bei Staatsbesuchen ansieht, dann sieht man sie zumeist breitbeinig sitzen. Dies gilt laut der Wiener Managementberaterin Barbara Eichberger in unseren Kulturkreisen als machohaft und vulgär. Tatsächlich aber gehe es um die Macht: "Je mehr Platz ein Mensch einnimmt, umso höher ist der Status, den er sich zumisst oder den er signalisieren möchte", erklärte Eichberger in einem Gespräch mit dem "Tagesspiegel". Es gilt: Je breiter und stabiler eine Sitzhaltung, desto höher der Rang.

Erdogan mit Russlands Präsident Wladimir Putin während eines Staatsbesuchs in Moskau (Bild: APA/AFP/ALEXANDER NEMENOV)
Erdogan mit Russlands Präsident Wladimir Putin während eines Staatsbesuchs in Moskau

Doch warum wird plötzlich im türkischen Parlament so sehr auf die Sitzhaltung geachtet? Hat das mit der fortschreitenden Islamisierung durch Präsident Recep Tayyip Erdogan zu tun? Das Parlament galt bisher als eine der Säulen der säkularen türkischen Republik (strenge Trennung von Kirche und Staat, Anm.) unter Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk. 1935 zogen die ersten weiblichen Abgeordneten ins Parlament ein und saßen ohne Kopftuch und sogar mit überschlagenen Beinen wie ihre männlichen Kollegen im Plenarsaal. Mit diesen Gepflogenheiten dürfte es nun aber vorbei sein ...

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