Berlin, Nizza, Paris
Warum Attentäter ihre Ausweise hinterlassen
Anis Amri, der Attentäter von Berlin, konnte aufgrund eines Personalausweises identifiziert werden, den er im Todes-Lkw hinterlassen hatte. Auch nach dem Anschlag auf die "Charlie Hebdo"-Redaktion im Jahr 2015 und jenem in Nizza am 14. Juli wurden Personaldokumente gefunden, die die Ermittler auf die richtige Spur führten. Was anfangs als fataler Fehler der Attentäter gesehen wurde, war offenbar ein bewusster Akt. Experten vermuten, dass die Ausweise als eine Art Visitenkarte hinterlegt werden - als Teil einer psychologischen Kriegsführung.
Der deutsche Psychologieprofessor Jan Ilhan Kizilhan findet es durchaus plausibel, dass von den Terroristen Wert darauf gelegt wird, wer die Taten begangen hat. Gegenüber dem ARD-Politmagazin "report München" sagte der Experte am Mittwoch: "Sie wollen damit ihrer Gemeinschaft eine Botschaft als Märtyrer hinterlassen." Damit werde die Schaffung eines "Heldenmythos" angestrebt.
Täter bekommen ein Gesicht und mobilisieren "Nachwuchs"
Der Tod eines Täters könne, so Kizilhan, auch bei der Familie, den Bekannten und Kameraden "einen tiefen Eindruck hinterlassen, sie vielleicht sogar dadurch an die Terrororganisation über den Bund des Blutes verbinden". "Die Terrororganisation legt großen Wert darauf, dass sich die Kämpfer in der globalen Welt der Medien durch Videoausschnitte, Selbstberichte und Enthauptungen präsentieren. Diese Präsentationen werden nach dem Tod der Täter wie ein 'Juwel' behandelt und in den Medien publiziert. Sie dienen der Mobilisierung neuer Kräfte, vor allem aus der Jugend. Es geht darum, die Jugend und insgesamt bestimmte Bevölkerungsschichten für den Krieg und Kampf zu begeistern, zur Bestätigung und Rechtfertigung der Handlungen des IS", führte der Psychologe weiter aus.
Neben Ausweis auch Fingerabdrücke im Lkw gefunden
Häufig verwenden Attentäter aber auch gestohlene Identitäten. Daher werden erste Hinweise auf die Personaldaten von Verdächtigen immer mit äußerster Vorsicht behandelt. Dass es sich im Fall des Berliner Attentäters um eine falsche Spur handelt, gilt als ausgeschlossen. Neben dem Ausweis wurden auch Amris Fingerabdrücke im Sattelschlepper gefunden.
Der europaweit gesuchte Verdächtige wurde in der Nacht auf Freitag bei Mailand gestellt und während eines Schusswechsels mit der Polizei tödlich verwundet. Diesmal hatte der Tunesier keine Papiere bei sich. Er rechnete wohl nicht damit, dass sein Leben in dem Vorort Sesto San Giovanni enden würde.
Suche nach Unterstützern des Todeslenkers
Nach dem italienischen Innenminister Marco Minniti hat auch der deutsche Generalbundesanwalt Peter Frank den Tod Amris bestätigt. Nun würden sich die Ermittlungen der deutschen Sicherheitsbehörden auf ein mögliches Helfernetzwerk des Tunesiers konzentrieren. Allerdings liefen die Ermittlungen "derzeit nur gegen Unbekannt weiter", sagte Frank. Unter anderem gelte es herauszufinden, ob Amri von Unterstützern Geldmittel oder Fluchthilfe erhielt.
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