Macron gegen Le Pen:
“Wilder Globalisierer” traf “Geist der Niederlage”
Die französischen Präsidentschaftskandidaten Emmanuel Macron und Marine Le Pen haben sich wenige Tage vor der Stichwahl ein hitziges TV-Duell geliefert. Dabei wollten sowohl Le Pen als auch Macron am Mittwochabend um die vielen noch unentschlossenen Wähler werben. In einer Umfrage direkt nach der Konfrontation fanden 63 Prozent der befragten Zuseher den sozialliberalen Kandidaten überzeugender. Macron gilt weiterhin als Favorit auf den Sieg am Sonntag.
Die Rechtspopulistin vom Front National attackierte den sozialliberalen Ex-Wirtschaftsminister scharf und bezeichnete ihn als Kandidaten der "wilden Globalisierung", der "sozialen Brutalität" und des "Krieges aller gegen alle". Macron entgegnete, Le Pen verbreite "Lügen" und "Unsinn". Außerdem verkörpere sie den "Geist der Niederlage" und zeichne ein negatives Bild von Frankreich. Er wolle dagegen auf den Erfolgen und der Stärke Frankreichs aufbauen.
Die Stichwahl am Sonntag gilt als Schicksalsabstimmung für Europa, weil Le Pen ein Referendum über die EU-Mitgliedschaft Frankreichs anstrebt und im Euro-Land Frankreich wieder eine nationale Währung einführen will. Ex-Wirtschaftsminister Macron könnte laut jüngsten Umfragen auf 59 bis 60 Prozent der Stimmen kommen, Le Pen lag zuletzt bei 40 bis 41 Prozent. Das von den Sendern France 2 und TF1 übertragene TV-Duell war das einzige direkte Aufeinandertreffen der beiden Finalisten.
Macron: "Ihre Versprechen sind nicht zu finanzieren"
Macron bezichtigte Le Pen der Lüge und warf ihr vor, die "echte Erbin" der "Partei der extremen Rechten Frankreichs" zu sein. Le Pen bemüht sich seit Jahren, ihrem Front National eine gemäßigtere Außendarstellung zu verschaffen. Ihre Versprechen, die Kaufkraft der Franzosen zu stärken, seien nicht finanziert, sagte Macron: "Sie werden entweder die Steuern erhöhen oder die Schulden erhöhen." Die von Le Pen geforderte Absenkung des Rentenalters auf 60 Jahre koste 30 Milliarden Euro, "das ist nicht finanzierbar".
Le Pen hielt dagegen, sie wolle Milliarden bei den Ausgaben für die Europäische Union und für die Einwanderung einsparen: "Ich gebe den Franzosen ihr Geld zurück." Die 48-Jährige warf Macron mehrfach vor, wegen seiner Zeit als Berater des sozialistischen Amtsinhabers Francois Hollande und als Wirtschaftsminister von 2014 bis 2016 für Fehlentwicklungen mitverantwortlich zu sein und weiterhin von Hollande "ferngesteuert" zu werden. Zudem griff sie Macron wegen seiner Vergangenheit als Investmentbanker an. Ihm fehle der "Nationalgeist".
Le Pen: "Frankreich wird von entweder mir oder von Merkel regiert"
Die Rechtspopulistin bescheinigte Macron einen "europäischen Extremismus" - und warf ihm vor, sich Deutschland und dessen Bundeskanzlerin Angela Merkel zu unterwerfen. Bei einem Wahlsieg Macrons würde in Wirklichkeit Merkel über die Geschicke Frankreichs entscheiden: "So oder so wird Frankreich künftig von einer Frau regiert - entweder von mir oder von Frau Merkel."
Gute Chancen für Macron auch bei Parlamentswahl
Macron tritt unabhängig von den traditionellen Parteien an und hatte den ersten Wahlgang am 23. April mit 24 Prozent gewonnen, Le Pen kam auf 21,3 Prozent. Laut einer neuen Studie könnte die erst vor gut einem Jahr gegründete Bewegung Macrons bei der Parlamentswahl im Juni auf Anhieb stärkste Kraft werden. Das Abschneiden seiner Formation "En Marche!" bei der Parlamentswahl gilt als großer Unsicherheitsfaktor für den 39-Jährigen.
Die Untersuchung im Auftrag der Zeitung "Les Echos" geht davon aus, dass die Bewegung 249 bis 286 Sitze in der Nationalversammlung holen könnte. Das Umfrageinstitut OpinionWay und die Firma SLPV analytics modellierten die Kräfteverhältnisse in 535 der insgesamt 577 Wahlkreise. Sie stützten sich insbesondere auf Umfragen für den ersten Wahlgang der Parlamentswahlen und die Wählerstrukturen bei früheren Abstimmungen.
Kurz: "Stimme Macron nicht in allen Fragen zu"
Österreichs Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) sagte in einem Interview mit dem "Neuen Volksblatt", er gehe davon aus, dass Macron die Wahl gewinnen wird. "Und ich halte es auch für sinnvoll, wenn Frankreich sich einsetzt, um die EU zum Positiven zu verändern und nicht, um sie zu zerschlagen." Doch stimme er "nicht in allen Sachfragen" mit Macron überein, so Kurz in dem Gespräch.
"Er steht auch für die Sozialunion, die ich ablehne. Es kann nicht funktionieren, dass wir die Sozialsysteme in Europa schlagartig auf das gleiche Niveau bringen. Wie soll das funktionieren? Soll das bedeuten, dass wir in Österreich auf rumänische Niveaus absinken oder dass man in Rumänien dann doppelt so viele Sozialleistungen bekommt? Wenn ja, wer soll das bezahlen?", fragte Kurz.
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