Familiendrama

Ehefrau getötet: “Karin war meine große Liebe”

Österreich
07.05.2017 09:28

Nach außen hin galten sie als eine "Bilderbuchfamilie": Christian E., seine große Liebe Karin und die gemeinsame kleine Tochter. Dann lag die Bankerin tot im Innenhof ihres Wohnhauses in Wien. Ihr Mann hatte sie von der Dachterrasse in die Tiefe gestoßen. Die "Krone" recherchierte die Hintergründe der Tragödie.

Das vierstöckige Haus im Botschaftsviertel in Wieden wirkt beinahe herrschaftlich. Ärzte und Unternehmen sind hier eingemietet, nur wenige der Wohnungen werden privat genutzt. Ganz oben, im Dachgeschoss, lebten seit knapp vier Jahren Karin und Christian E. in einer geräumigen, hübsch eingerichteten Maisonette mit Terrasse. Für 1500 Euro monatlich, kalt.

Das Ehepaar konnte sich diesen Luxus leisten: er ein gefragter IT-Spezialist, sie eine erfolgreiche Firmenkundenberaterin bei einem großen Bankunternehmen. Und es sollte ja auch genug Platz sein für die kleine Tochter. Emilia ist drei. Innerhalb weniger Tage hat sie beide Elternteile verloren. Die Mutter tot. Der Vater im Gefängnis.

Karin E. wurde am Abend des 22. April von ihrem Mann umgebracht, vom Balkon ihres Appartements aus fast 15 Metern Höhe in die Tiefe gestoßen. Was war der Auslöser für das Drama? Was geschah in den Stunden davor?

(Bild: Andi Schiel)

"Die Situation war schwierig"
"Schon am Morgen", gab der Tatverdächtige mittlerweile der Kripo zu Protokoll, "war die Situation bei uns daheim wieder einmal schwierig." Die Frau hatte einige Freunde und Verwandte zur Feier ihres 45. Geburtstags in ein Restaurant eingeladen. "Aber nun erklärte Karin plötzlich, sie würde das Fest auslassen. Weil sie sich so entsetzlich alt fühle und es deshalb für sie keinen Grund gebe, fröhlich zu sein. Ich dachte, sie hätte bloß eine ihrer üblichen Launen, und versuchte stundenlang, sie zum Mitkommen zu überreden. Vergeblich. Letztlich musste ich wirklich mit unserer Tochter alleine zu der Party."

Im Lokal Bestürzung bei den Gästen über das Ausbleiben der Bankerin. Ihre Mutter ging zu ihr, mit einem Blumenstrauß. Karin E. warf ihn in eine Ecke, bat darum, in Ruhe gelassen zu werden. In ihrer Depression.

Nach dem Mittagessen nahm Christian E. die Einladung eines befreundeten Pärchens in deren Wohnung an, legte dort Emilia schlafen. SMS des Mannes an seine Frau: "Bitte komm hierher. Wir warten auf dich." Ablehnende Antworten. Um circa 20 Uhr ein Telefonat zwischen den Eheleuten, in dem Karin E. in betrunkenem Zustand ankündigte, "jetzt solo auszugehen", in einen Club.

(Bild: Andi Schiel)

"Sie hämmerte mit den Fäusten auf mich ein"
"Also fuhr ich zu ihr", so der IT-Spezialist in Verhören: "Schon als ich die Tür öffnete, fing sie Streit mit mir an. Sie warf ein Sektglas nach mir und schrie - während ich die Scherben wegräumte -, dass ich bloß ein guter Vater, aber ein miserabler Ehemann sei. Dabei trat und schlug sie auf mich ein, total in Rage holte sie sogar ein Messer aus der Küche. Ich schaffte es, es ihr wegzunehmen. Sie hämmerte noch mehr mit ihren Fäusten auf mich ein. Da musste ich mich doch wehren. Und ich habe mit meinen Händen gegen ihren Hals gedrückt."

"Ich stieß sie über das Geländer - lebend oder tot"
Der 46-Jährige weiter: "Ich flüchtete auf unsere Terrasse, um mich ein bisschen zu beruhigen und eine Zigarette zu rauchen. Gleich stand Karin vor mir und ging neuerlich auf mich los. Ich war wie in Trance und habe sie abermals gewürgt." Und dann? "Ich stieß sie über das Geländer. Ich weiß nicht, ob lebend oder tot."

In der Folge fuhr Christian E. zurück zu seinen Freunden, berichtete ihnen nichts von dem Geschehenen - und als sie kurz vor 22 Uhr ankündigten, bei der Bankerin vorbeischauen zu wollen, gab er ihnen seine Wohnungsschlüssel und sagte: "Ja, holt sie bitte." Im Innenhof des Hauses der schreckliche Fund: Die Frau lag in einer riesigen Blutlache am Boden.

Täter mimte trauernden Witwer
Christian E. gab danach den trauernden Witwer, weinte bitterlich um seine "geliebte Karin", klagte: "Wie konnte sie nur Selbstmord begehen und Emilia und mich alleine auf dieser Welt zurücklassen?"

(Bild: Andi Schiel)

Als "Bilderbuchfamilie" und Traumpaar bekannt
Spurensicherer am Tatort, die Obduktion der Leiche. Am 27. April der Beweis: Die Frau hat mit Sicherheit nicht Suizid begangen, sie ist einem Verbrechen zum Opfer gefallen. Der grauenhafte Schlussakt einer Ehe, die nach außen hin als besonders gut gegolten hatte. "Wir hielten die E.s für eine Bilderbuchfamilie." "Karin und Christian schienen ein Traumpaar zu sein." "Wir dachten, sie wären glücklich." Diese Sätze sind oft zu hören, aus dem Umfeld der zwei. Denn nur wenige Menschen wussten, dass es in der Beziehung schon seit Längerem kriselte.

Die Geschichte der beiden? Die Bankerin und der IT-Spezialist waren eine kleine Ewigkeit hindurch locker befreundet - bevor sie sich vor sieben Jahren ineinander verliebten. Trotz der großen Unterschiede, in ihren Charakteren, in ihren Interessen. Der Mann: ein eher stiller Typ, der selten über Probleme sprach, sie gerne "wegdrückte". Die Frau: extrovertiert und sehr ehrgeizig. Bereits vor der Hochzeit stellte sie die Regeln für eine gemeinsame Zukunft auf: keine Kinder bekommen, viel ausgehen, oft verreisen.

Karin E. litt an Stimmungsschwankungen
Der IT-Spezialist war mit den Vorgaben einverstanden, ließ an sich sogar eine Vasektomie vornehmen. Dennoch wurde Karin E. schwanger. Das Paar wollte deshalb den Chirurgen, der den Eingriff vorgenommen hatte, klagen. Ein sinnloses Unterfangen, da eine derartige OP keinen hundertprozentigen Verhütungsschutz garantiert.

Karin E. liebte ihr Kind sehr, aber sie empfand es auch als Last. Weil es sie einschränkte, in ihrer Freiheit, in ihrer Lebenslust - und dabei, Karriere zu machen. Laufend litt sie mehr an Stimmungsschwankungen. Zog sich, wie eine Freundin erzählt, "mitunter tagelang völlig in sich zurück". Und brach dann wieder aus dem Alltag aus, tanzte Nächte in Discos durch.

"Weiß nicht, warum ich explodiert bin"
Und Christian E.? Er passte sich der Situation an. Übernahm Aufgaben im Haushalt, kochte, putzte, kümmerte sich viel um die kleine Emilia. Verdrängte die Schwierigkeiten in der Partnerschaft. "Ich weiß nicht, warum ich plötzlich so fürchterlich explodiert bin. Karin war doch meine große Liebe", schluchzt er jetzt. Der Mann ist nun in der Justizanstalt Josefstadt in Untersuchungshaft, er wird dort rund um die Uhr überwacht. Denn er gilt als schwer selbstmordgefährdet.

Martina Prewein, Kronen Zeitung

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