Rechnungshof-Kritik

Mindestsicherung: Wien hat zu wenig kontrolliert

Österreich
07.07.2017 12:42

Zahlreiche Probleme beim Vollzug der Mindestsicherung in Wien hat nun der Rechnungshof aufgedeckt. So habe die Stadt unter anderem zu wenig kontrolliert, Kürzungen hätten ihre Wirkung verfehlt. In dem am Freitag veröffentlichten Bericht sprechen sich die Prüfer zudem für eine bundesweit einheitliche Regelung aus, das Sozialministerium solle einen entsprechenden Entwurf vorlegen.

Der Rechnungshof überprüfte von Mai bis Juli 2016 die Bedarfsorientierte Mindestsicherung in Wien. Die Prüfung umfasste den Zeitraum 2011 bis 2015, also die Zeit vor der kürzlich präsentierten Mindestsicherungsreform. Bemängelt wird, dass ...

  • ... Überprüfungen unvollständig oder verspätet durchgeführt wurden und
  • ... messbare Indikatoren zur Zielerreichung fehlten;
  • ... "der Bund seine verfassungsrechtliche Möglichkeit als Grundsatzgesetzgeber, einheitliche bzw. harmonisierte Vorgaben im Bereich der Mindestsicherung festzulegen, bisher nicht wahrgenommen" hat;
  • ... bei fehlender Arbeitsbereitschaft Kürzungen von Mindestsicherungsansprüchen wenig geeignet gewesen seien, bei "Bedarfsgemeinschaften mit hoher Personenanzahl" den Einsatz der Arbeitskraft sicherzustellen;
  • ... auch bei verheirateten Bezieherinnen und männlichen Alleinstehenden das Kürzungsmodell kaum Wirkung gezeigt habe.
(Bild: thinkstockphotos.de)

Plus 71 Prozent Bezieher binnen fünf Jahren
Die Anzahl der Mindestsicherungsbezieher in Wien stieg im Zeitraum 2010 bis 2015 um 71 Prozent auf 138.592 Personen. Auch in den vergangenen Monaten zogen jeden Monat im Schnitt rund 720 Asylberechtigte nach Wien. Die Ausgaben der Stadt stiegen bis 2015 (hier gerechnet seit 2011, Anm.) um 50 Prozent von 363,79 Millionen Euro auf 543,72 Millionen Euro an.

Problematisch sieht der Rechnungshof daher auch die Finanzierbarkeit der Mindestsicherung in Wien. Insbesondere "angesichts der Finanzlage der Stadt Wien und der Neuverschuldung von 2011 bis 2015" wurden die ursprünglichen Schätzungen der Ausgaben von bis zu 1,8 Milliarden Euro für das Jahr 2022 als kritisch eingestuft. Die Stadt Wien hielt fest, dass diese Schätzungen mittlerweile zurückgenommen werden müssten, da die Flüchtlingszahlen rückläufig seien.

(Bild: "Krone"-Grafik)

Ein Drittel der Bezieher aus Nicht-EU-Ländern
Nur knapp mehr als 50 Prozent der Bezieher waren aus Österreich, auf Staaten außerhalb der EU entfiel rund ein Drittel (30 Prozent). Besonders auffällig seien der starke Anstieg von Mindestsicherungsbeziehern im arbeitsfähigen Alter, der Anstieg der Anzahl mindestsicherungsbeziehender Asyl- und subsidiär Schutzberechtigter auf mehr als das Dreifache sowie die Verdoppelung der Anzahl der Bezieher mit ganzjähriger Unterstützung gewesen.

"Akuter Handlungsbedarf"
"Die Wiener Mindestsicherung muss endlich reformiert werden", so Wiens ÖVP-Chef Gernot Blümel. Am sinnvollsten sei es, wenn die rot-grüne Stadtregierung die Widerstände gegen eine bundesweit einheitliche Lösung aufgebe. Auch ÖAAB-Chef August Wöginger sieht "akuten Handlungsbedarf", da das System sonst an die Wand gefahren werde.

Der freiheitliche Vizebürgermeister Wiens, Johann Gudenus, und ÖVP-Wien-Chef Gernot Blümel (Bild: Gerhard Bartel)
Der freiheitliche Vizebürgermeister Wiens, Johann Gudenus, und ÖVP-Wien-Chef Gernot Blümel

Viele der Bezieher hätten "noch nie einen Cent in das System eingezahlt", kritisierte zudem FPÖ-Vizebürgermeister Johann Gudenus. Für eine "bundeseinheitliche Regelung" plädierte NEOS-Wien-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger: "Das Sozialministerium ist daher dringend gefordert, einen Entwurf für eine österreichweite Mindestsicherungsregelung vorzulegen."

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