Schwarz auf Weiß bestätigt jetzt der Rechnungshof alle Vorwürfe gegen Wiens Sozialhilfe-System: Die Kosten für die Mindestsicherung explodieren in nur vier Jahren von 626 Millionen auf 1,6 Milliarden Euro. Und es fanden sich massive Kontrollmängel: Selbst Fremde ohne Ausweis oder "Phantom-Kinder" erhalten Steuergeld, Akten fehlen.
Der bislang von der Wiener SPÖ-Sozialstadträtin Sandra Frauenberger und ihrer Amtsvorgängerin Sonja Wehsely geheim gehaltene Rechnungshof-Rohbericht (GZ 004.411/004-3A3/16) liegt nun im "Krone"-Newsroom. Die 123 Seiten über das Wiener Mindestsicherungs-System müssten in der Bundes- und Stadtpolitik sofort alle Alarmglocken schrillen lassen: Alles, was ein Whistleblower bereits im September in einem "Krone"-Interview enthüllt hat, wird nun von offizieller Seite bestätigt - und es findet sich im Prüfbericht sogar noch wesentlich mehr Kritik an mangelnder Kontrolle und Überzahlungen.
Hier die wichtigsten Passagen des Berichts:
86,4 Prozent Anstieg bei den Mindestsicherungsfällen
Bei 30.000 Akten fehlt Angabe über Nationalität
Auch ohne Ausweis gibt's 837 Euro Mindestsicherung
Ebenso kritisiert der Rechnungshof: Auch Personen, die keinen Lichtbildausweis vorweisen wollen oder können, erhalten in Wien monatlich 837,76 Euro Mindestsicherung. Dazu wird auch an Nicht-Österreicher, deren Aufenthaltsbewilligung abgelaufen ist, noch monatelang das Sozialgeld ausbezahlt.
Steuergeld für Kinder, die unauffindbar sind
Zweieinhalb Seiten widmet der Rechnungshof den Sozialgeld-Überweisungen für sechs- bis zehnjährige Kinder. Allein bei dieser Prüfung fiel auf, dass 27 Kinder in Wien nicht auffindbar sind. Und zur Höhe der Sozialgeld-Bezüge stellt der Rechnungshof klar: Die überwiegende Masse (89 Prozent) der Sozialgeld-Bezieher erhält weniger als 1000 Euro pro Monat, nur 40 Familien beziehen mehr als 2500 Euro. Der Maximalwert lag bei 3250 Euro (Anm.: Mit den Familienbeihilfezahlungen kommen dann Paare mit zehn Kindern auf Netto-Einkommen von 5140 Euro).
Erste Stellungnahme aus dem Büro von Wiens Sozialstadträtin Sandra Frauenberger, die das Ressort erst kürzlich von Sonja Wehsely übernommen hat: Die Kostenkalkulation der Stadt sei bereits nach unten korrigiert worden. Und es bestehe "sehr wohl Ausweispflicht". Zusatz: Es gebe "Probleme beim Vollzug".
Ganz Österreich zahlt für Wiens Sozialsystem
Die dramatische Kostenexplosion bei der Mindestsicherung belastet nicht nur die rot-grüne Regierungskoalition der Bundeshauptstadt: Der Bundesrechnungshof stellt in seinem Rohbericht auch klar, dass vor allem die stark steigenden Gesundheitskosten durch die im Wiener Sozialsystem mitversicherten Personen alle Steuerzahler in ganz Österreich treffen werden. So muss der Bund immer mehr für die in Wien pflichtversicherten Mindestsicherungsempfänger ausgeben: Die Krankenhilfe-Leistungen stiegen von 30,4 Millionen Euro (2011) auf 49 Millionen (2015), die Beiträge der Stadt erhöhten sich gleichzeitig jedoch nur von 16 auf 27,8 Millionen Euro.
Dafür setzt es im Rohbericht scharfe Kritik an der Stadt Wien: "Der Rechnungshof bewertete diese Lastenverschiebung des Armenwesens kritisch, da sie im Widerspruch zur verfassungsmäßigen Kompetenzverteilung stand."
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.