Für hitzige Diskussionen sorgte dieser Tage der Bau einer 67 Meter langen und 80 Zentimeter hohen Mauer im Regierungsviertel rund um den historischen Wiener Ballhausplatz, an der seit letzter Woche intensiv gearbeitet wird. Das 1,5 Millionen Euro teure Bauprojekt soll das Bundeskanzleramt und die Bundespräsidentenkanzlei vor Terrorattentaten mit Autos, Lkw oder Autobomben schützen und bis Oktober fertiggestellt sein. Inkludiert sind zudem 70 teils fixe, teils versenkbare Poller.
Der Mauerbau just einen Monat vor den Nationalratswahlen hinterlässt eine denkbar schiefe Optik, wurde doch vor nicht allzu langer Zeit die Bevölkerung beschwichtigt, dass bauliche Sicherheitsmaßnahmen für stark frequentierte Fußgängerzonen derzeit nicht notwendig seien und der Aufwand dafür zu groß sei.
"Poller sind halt so eine Sache"
Der Wiener Bürgermeister Michael Häupl erklärte dazu im Nachrichtenmagazin "News": "Poller sind halt so eine Sache. Ich will nicht, dass der Eindruck einer weltoffenen, gastfreundlichen Stadt getrübt wird und alle, wenn sie nur ein Auto von weitem sehen, zusammenzucken und sich fürchten." Nun wird - unabhängig vom Eindruck - eine Mauer rund um das Regierungseck gebaut.
Die furchtbaren Terroranschläge in Nizza, mehrmals Paris, London und Brüssel, Barcelona, Stockholm, Berlin, Istanbul, Kopenhagen und Manchester hatten alle genau ein Ziel: möglichst viele unbeteiligte und unschuldige Zivilisten zu töten, unabhängig ihres Alters, ihrer Herkunft oder ihrer Religionszugehörigkeit.
Viel Geld für wenige Schutzbedürftige
Dass nun vor diesem Kontext viel Geld investiert wird, um ein paar wenige vor Amokfahrten zu schützen, die ohnehin durch gepanzerte Limousinen und hochausgebildete Personenschützer mit Sturmgewehren ein für Terroristen weniger leichtes Ziel abgeben, bevor die von Zivilisten stark besuchten Fußgängerzonen mit Pollern ausgestattet werden, liefert ein denkbar schlechtes und schier unverständliches Bild.
Auch erscheinen die von Politikern gedroschenen Parolen wie "Wir dürfen uns nicht von diffusen Ängsten leiten lassen" einmal mehr doppelzüngig. Hinter einer Mauer, geschützt von bewaffneten Soldaten und Pollern, lässt es sich eben leicht furchtlos sein. Dem besorgten Bürger wird von der Magistratsdirektion hingegen versichert: Es gebe regelmäßige Meetings mit Experten, um über die aktuelle Gefahrenlage informiert zu sein. Dem Bürger seine Experten-Meetings, dem Politiker seine Mauer. Gleichheit sieht anders aus.
Weltkulturerbe nicht so wichtig
In Hinkunft werden also unseren Wien-Touristen auf ihrer Erkundungstour durch unsere "weltoffene und gastfreundliche Stadt" Mauern mitten im Stadtzentrum präsentiert. Wie wir allerdings spätestens seit dem Heumarkt-Projekt wissen, ist die Stampiglie "Weltkulturerbe" ohnehin nicht ganz so wichtig.
Die zuständigen Behörden und Ämter scheinen bei diesem Bauprojekt angesichts der raschen Umsetzungszeit jedoch generell besonders großzügig zu sein. Aber Gnade Gott, wenn die Thujenhecke eines gartelnden Bürgers zu weit auf den Gehsteig ragt. Diese könnte nämlich das Straßenbild verschandeln und müsste mit eiserner Amtshand unter Strafandrohung zurückgestutzt und die Wucherung auf Lebzeit unterbunden werden.
Demonstranten müssen vor den Mauern bleiben
1848 wurde der Ballhausplatz noch Revolutionsplatz genannt. Heute dient der Platz, auf dem gerade eine Mauer gebaut wird, als Ort für Kundgebungen im Rahmen von Demonstrationen. Das aufmüpfige Fußvolk muss wohl ab jetzt draußen vor den Mauern bleiben. Wohl ein praktischer Nebeneffekt.
Katia Wagner
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