Das US-Repräsentantenhaus hat mit überwältigender Mehrheit einen Gesetzesentwurf zu neuen Sanktionen gegen Russland verabschiedet. An der geplanten Verschärfung der Strafmaßnahmen gibt es heftige Kritik seitens der EU, befürchtet man doch dramatische Auswirkungen auf europäische Unternehmen. Tatsächlich sind die Sorgen berechtigt, denn von den Sanktionen sind mehrere Erdgasprojekte in Europa betroffen - darunter die Pipeline Nord Stream 2, an der auch die OMV beteiligt ist. Nun müssen noch der US-Senat und danach Präsident Donald Trump das Gesetz unterzeichnen.
Nord Stream 2 würde nach der Fertigstellung (angepeilt ist Ende 2019) eine der längsten Offshore-Erdgasleitungen sein. Das Projekt ist seit dem Startschuss politisch umstritten. Der Grund: Die rund 1200 Kilometer lange Pipeline von der russischen Küste durch die Ostsee bis nach Deutschland würde die Ukraine und Polen komplett umgehen, was in Kiew und Warschau als "Erpressungsversuch" des Kreml gesehen wird - vor allem vor dem Hintergrund des Ostukraine-Konflikts und der NATO-Aufrüstung an der Ostflanke. Bereits die seit 2011 in Betrieb stehende Nord-Stream-Pipeline, die über die gleiche Route verläuft, hatte für politische Konflikte innerhalb der EU gesorgt.
Versorgungssicherheit Europas bedroht?
Die Befürworter - darunter die OMV - unterstreichen die ökonomische Bedeutung der zwei zusätzlichen Röhren. Immer wieder ist von der Versorgungssicherheit Europas die Rede. So strich auch OMV-Generaldirektor Rainer Seele unlängst in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" folgenden Punkt hervor: "Amerikanisches Flüssiggas (LNG) konkurriert natürlich mit russischem Pipelinegas - dagegen ist auch nichts einzuwenden. Aber es muss klar sein, und Bundesaußenminister Sigmar Gabriel spricht es prägnant aus: Europas Energieversorgung ist immer noch eine europäische Angelegenheit und nicht eine der Vereinigten Staaten. Amerika sowie Polen und die baltischen Staaten im Schlepptau haben kein Veto- und Blockaderecht gegen europäisch-russische Erdgasbeziehungen, Pipelines eingeschlossen."
Nord-Stream-2-Chef: "Folgen von China bis Westeuropa spürbar"
Deutschland befürchtet ganz klar, dass die US-Sanktionen dazu genützt würden, um russisches Gas vom europäischen Markt zu verdrängen. Dies würde natürlich nicht nur der OMV, sondern auch Firmen wie BASF, E.ON, Wintershall und Shell Milliardenverluste bescheren. Matthias Warnig, Chef der Pipelineentwicklungsgesellschaft Nord Stream 2, warnte in der Vorwoche: "Sollten die Sanktionen tatsächlich so kommen, hätte das eklatante Auswirkungen auf die gesamte Öl- und Gasversorgung. Erfasst sind nach bisherigem Stand alle Pipelines, die Öl oder Gas aus Russland exportieren." Die Folgen würden von China bis Westeuropa reichen, sagte er dem "Handelsblatt".
EU-Nachbarschaftskommissar Johannes Hahn ist "nicht ganz sicher, wie die endgültige Entscheidung" der Union angesichts der von den USA angedrohten einseitigen Verschärfung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland aussehen wird. "Wir müssen uns noch beraten", es gebe "laufende Diskussionen".
Kern: "Bedauerliche Abkehr von gemeinsamer Politik"
Auch Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) äußerte Besorgnis über die geplanten Sanktionen. "Eine einseitige Verschärfung der US-Sanktionen gegen die Russische Föderation könnte eine bedauerliche Abkehr von der vereinbarten gemeinsamen Politik der EU und der USA die Ukraine betreffend darstellen", wurde Kerns Sprecher Jürgen Schwarz von der russischen Agentur TASS zitiert. "Es wäre sehr bedauerlich, wenn die USA diesen gemeinsamen Kurs verließen."
Russischer Abgeordneter fordert "schmerzhafte Antwort"
Erwartungsgemäß scharf fiel die Reaktion in Moskau aus. Die angedrohten Strafmaßnahmen ließen auf absehbare Zeit keinen Raum für eine Verbesserung der Beziehungen zwischen Russland und den USA, sagte der russische Vizeaußenminister Sergej Riabkow. Der prominente Abgeordnete im russischen Oberhaus, Konstantin Kosatschjow, forderte, die Regierung müsse eine "schmerzhafte Antwort" vorbereiten. "Angesichts des einhelligen Votums des US-Repräsentantenhauses über das Sanktionspaket wird es keinen Durchbruch geben", sagte er mit Blick auf die Beziehungen zwischen den beiden Ländern. "Tatsächlich wird eine weitere Verschlechterung der bilateralen Zusammenarbeit unausweichlich."
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