Fund in Kläranlage

Wiener Forscher entdecken neue Riesenviren-Art

Wissenschaft
07.04.2017 06:29

Auf der Suche nach Bakterien, die im natürlichen Stickstoffkreislauf der Erde eine wichtige Rolle spielen, hat ein Forscherteam um Holger Daims und Michael Wagner von der Universität Wien und des Joint Genome Institute im kalfornischen Walnut Creek bislang unbekannte Riesenviren entdeckt. Nach einem der Fundorte - einer Kläranlage in Klosterneuburg - haben sie sie Klosneuviren getauft.

Bei der Untersuchung von Wasserproben, die sie unter anderem in der Kläranlage in Klosterneuburg (Niederösterreich) gezogen hatten, stießen die Mikrobiologen auf das Erbgut der ungewöhnlichen Riesenviren. "Uns war sofort klar, dass wir da etwas ganz Neuem auf der Spur sind", wird Frederik Schulz in einer Aussendung der Uni Wien zitiert.

Symbolbild Kläranlage (Bild: Universität Wien/Marton Palatinszky)
Symbolbild Kläranlage

Die nun gefundenen Klosneuviren sind laut Angaben der Wissenschaftler 100-mal größer als das Grippevirus und damit ähnlich groß wie ein Bakterium, haben ein für Viren gigantisch umfangreiches Erbgut und sind für den Menschen harmlos. Den Forschern zufolge wurden bis dato in keinem anderen Virus ähnlich viele Gene für die Proteinbiosynthese (die Herstellung von Eiweißen, Anm.) entdeckt, wie bei den Klosneuviren.

Erst seit rund zehn Jahren bekannt
"Riesenviren kennt man tatsächlich erst seit etwa zehn Jahren. Ursprünglich in einfachen Amöben in Südfrankreich entdeckt, geht die Wissenschaft mittlerweile davon aus, dass sie weit verbreitet sind", erklärt Matthias Horn vom Department für Mikrobiologie und Ökosystemforschung an der Uni Wien. Wie alle bekannten Viren sind auch Riesenviren für die Vermehrung auf die Zellen anderer Organismen angewiesen.

Ein aus sibirischem Permafrostboden isoliertes Riesenvirus namens Pithovirus sibericum (Bild: Julia Bartoli & Chantal Abergel, IGS und CNRS-AMU)
Ein aus sibirischem Permafrostboden isoliertes Riesenvirus namens Pithovirus sibericum

Riesenviren sind keine eigene Lebensform
Die Rekonstruktion der Evolutionsgeschichte der Klosneuviren zeigt, dass das Genom der Riesenviren ursprünglich eher klein war - so wie das anderer Viren. Erst im Laufe der Zeit sind durch den Einbau zusätzlicher Gene - darunter auch solche für die Herstellung von Proteinen - die riesigen Genome heutiger Vertreter entstanden.

Ihr Erbgut entstammt nicht einer bis dato unbekannten Lebensform, sondern ist den Genen heutiger Lebewesen erstaunlich ähnlich, so die Forscher. "Riesenviren sind also keine Relikte einer vierten Domäne des Lebens, sondern eine höchst ungewöhnliche Gruppe an Viren, die sich auf das Sammeln von Genen anderer Organismen spezialisiert haben", resümiert die Leiterin der Studie am Joint Genome Institute, Tanja Woyke. 

Klosneuviren werden nun im Labor studiert
Um die Klosneuviren und ihre ungewöhnliche Sammelleidenschaft besser verstehen zu können, müssten sie eingehender im Labor studiert werden. Bislang konnten die Virusteilchen aber nicht isoliert werden. "Derzeit versuchen wir, die Viren aus neuen Proben aus Klosterneuburg zu gewinnen, indem wir ihnen einzellige Amöben für die eigene Vermehrung anbieten", erklären die Wissenschaftler.

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