Mithilfe einer zum größten Teil in Wien entwickelten Methode können Neuroforscher Mäusen gewissermaßen beim Denken zusehen. Über mehrere Jahre erarbeiteten sie am Institut für Molekulare Pathologie (IMP) eine Technik, mit der sie ganze Nervenzellen-Verbünde aufleuchten lassen und das extrem kurze Feuerwerk in Echtzeit am Mikroskop beobachten.
"Unser Ziel ist es zu verstehen, wie weitläufig vernetzte Neuronen in Echtzeit miteinander 'reden' und wie diese Dynamik das Verhalten steuert", sagte Alipasha Vaziri, der in Wien eine Arbeitsgruppe am IMP leitet und mittlerweile auch Professor an der Rockefeller University (USA) ist. Die Schlüsse, die aus der Beobachtung einer einzelnen Gehirnzelle gezogen werden können, sind nämlich begrenzt, da die verschiedenen Leistungen des Gehirns wie die Bildung von Gedanken oder das Steuern von Bewegungen, auf der Zusammenarbeit ausgedehnter neuronaler Netzwerke beruhen, die miteinander in Kontakt stehen.
"Mit neu erarbeiteten bildgebenden Verfahren, die auf der von uns entwickelten Technik des 'Light sculpting' basieren, können wir die Aktivität eines Großteiles der Neuronen abbilden, die in der Gehirnrinde eine funktionale Einheit bilden. Damit sind wir unserem Ziel einen großen Schritt nähergekommen", so der Neurobiologe, der die mit Kollegen entwickelte Methode jetzt im Fachblatt "Nature Methods" vorgestellt hat.
Entwicklung der Methode war Herausforderung
Mit der Entwicklung der sehr herausfordernden neuen Methode begann das Team bereits vor sechs Jahren. Über diesen Zeitraum hinweg ist es dem Team um Vaziri und Robert Prevedel gelungen, die extrem kurzlebigen Signale von einer wachsenden Anzahl an Zellen einzufangen und gleichzeitig immer größere Teile des Gehirns zu beobachten. Mit speziellen lichtmikroskopischen Methoden konnten sie zuerst die Aktivität der lediglich 302 Nervenzellen eines Fadenwurm-Gehirns verfolgen. Das gleiche gelang ihnen daraufhin mit dem wesentlich komplexeren Gehirn einer Zebrafisch-Larve, das aus ungefähr 100.000 Neuronen besteht. Danach wagten sie sich an das aus 70 Millionen Nervenzellen bestehende Mausgehirn.
Genetischer Trick lässt Nervenzellen leuchten
Mit einem genetischen Trick veränderten die Wissenschaftler die Zellen so, dass sie fluoreszierendes Licht aussandten, wenn sie aktiv waren. Je stärker das Signal, desto intensiver leuchteten die Neuronen. Das Problem dabei sind nicht nur die winzigen Strukturen, sondern auch die kurzen Zeitintervalle. "Wir mussten in jeder Sekunde Millionen von Bildpunkten abtasten - einen nach dem anderen", so Prevedel. Um das Leuchten einzufangen mussten die Forscher "ein eigenes Laser-System konstruieren und das Licht innerhalb des Mikroskops auf eine Weise manipulieren, wie es bei normalen Mikroskopen nicht möglich wäre".
Gehirn-Aktivitäten in Echtzeit verfolgen
Mit der "Light sculpting"-Technik schafften es die Wissenschaftler nun "die Aktivität tausender Neuronen in Echtzeit und in drei Dimensionen beobachten", sagte Prevedel. Konkret verfolgten sie die Gehirnaktivität von Mäusen, die sich frei auf einer rotierenden Scheibe bewegen konnten. So konnten sie gezielt die Neuro-Aktivität in jenem Gehirnbereich abbilden, der für die Bewegungsplanung zuständig ist.
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