Reinhard S. hatte am 13. Mai in Wien seine Ehefrau und seine siebenjährige Tochter, dann im oberösterreichischen Ansfelden seine Eltern und zum Schluss in Linz seinen Schwiegervater jeweils mit einer Axt brutal ermordet. Er selbst hatte bereits am ersten Prozesstag (siehe Infobox) um lebenslange Haft gebeten, auch der Staatsanwaltschaft forderte die Höchststrafe.
Einstimmiges Urteil der Geschworenen
Das Urteil wurde von den Geschworenen einstimmig gefällt. Bei der Strafbemessung wurden dem Mann die bisherige Unbescholtenheit mildernd angerechnet. "Ein reumütiges Geständnis konnte das Gericht demgegenüber nicht erkennen", stellte der vorsitzende Richter Wilhelm Mende fest. Erschwerend war das "Ausnützen eines Vertrauensverhältnisses". Die Opfer hätten mit keinem Angriff gerechnet und auch keine Möglichkeit gehabt, die Attacken abzuwehren.
"Die verhängte Strafe erscheint im Hinblick darauf tat- und schuldangemessen", sagte Mende. Reinhard S. blieb während der Urteilsverkündung nach außen hin emotionslos. Die Frage, ob er das Urteil verstanden habe, quittierte er mit einem bestimmten Kopfschnicken. Danach ließ er sich von der Justizwache die Handschellen anlegen und aus dem Schwurgerichtssaal abführen.
Bei Schlussworten Gericht verhöhnt
"Es tut mir leid, dass ich noch Ihre Zeit in Anspruch nehmen muss. Aber was der Staatsanwalt sagt, kann ich nicht so stehen lassen", hatte Reinhard S. nach den Schlussplädoyers von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Worte an die Geschworenen zu richten.
Er habe "nie gesagt, nicht zu feig zum Selbstmord zu sein", betonte er. Und weiter: "Ich bin zu feig! Ich bin immer noch zu feig dazu!" Er nahm dann vor allem am psychiatrischen Gutachten Anstoß, demzufolge er "ein gerichtlich beeideter Narziss" und "eitel" sei: "Unsympathischer kann ich nicht mehr werden. Also verzeihen Sie, dass ich noch spreche." Im Gutachten wären "703 Schlampigkeitsfehler" zu lesen, "die jeder beim ersten Mal Durchlesen sofort korrigiert", höhnte der Angeklagte. Unter Verweis auf Lehre und Judikatur versuchte er zu belegen, dass die Frage nach einer Zurechnungsunfähigkeit in seinem Fall nicht hinreichend geprüft worden sei.
Die Geschworenen kamen zu einem anderen Ergebnis. Die Frage nach dem Vorliegen eines sogenannten Schuldausschließungsgrunds wurde einstimmig verneint. Die Urteilsfindung dürfte den Laienrichtern grundsätzlich nicht sehr schwer gefallen sein. Die Beratung dauerte kaum länger als eine Stunde.
Staatsanwalt: "Ich halte ihn für einen Feigling"
Staatsanwalt Michael Radasztics hatte sein Schlussplädoyer am Freitag zuvor zu einer schonungslosen Abrechnung mit dem 39-Jährigen gestaltet. "Ich halte ihn für einen Feigling, einen zutiefst feigen Menschen. Er hat lieber den Ausweg gewählt, seine Familie zu töten, als vor sie hinzutreten und die Karten auf den Tisch zu legen", spielte der Ankläger auf die 350.000 Euro an, die der Angeklagte an der Börse verloren hatte, was er den Angehörigen verheimlichen wollte.
"Er ist nicht anderes als ein grenzenloser Egoist. Ein Egomane. Es geht immer nur um ihn", verlieh Radasztics seinem Unmut Ausdruck. Vor die Wahl gestellt, ob sie mit dem verloren gegangenen Geld und der angeblich damit verbundenen Schmach leben oder lieber sterben hätten wollen, hätten sich selbstverständlich alle fünf Opfer gegen den Tod entschieden, betonte der Staatsanwalt.
"Sie haben es nicht verdient gehabt, zu sterben. Ich glaube, dass wir diese Charakterzüge, die Feigheit und diesen Egoismus bei der Strafbemessung berücksichtigen müssen. Ich bitte Sie um die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe", meinte der Anklagevertreter zu den Geschworenen.
"Sie spielen da einen Gott, an den Sie eh nicht glauben!"
Radasztics vermiss bei Reinhard S. "Reue oder ein zumindest kritisches Auseinandersetzen mit der Tat". Er selbst sei Vater eines sechs Jahre alten Kindes und könne sich nicht vorstellen, "wie man so etwas macht", kam der Ankläger auf die Tötung der kleinen Nathalie zu sprechen. "Sie haben nicht das Recht oder die Pflicht zu töten! Sie spielen da einen Gott, an den Sie eh nicht glauben! Sie maßen sich an, über das Leben anderer zu entscheiden. Das ist Hybris!", donnerte Radasztics in seinem Schlussvortrag.
Der Staatsanwalt vermutete, dass der Angeklagte von seiner Frau "rausgeschmissen" worden wäre, hätte sie von dem verlorenen Geld erfahren: "In der Beziehung hatte die Frau die Hosen an. Er wurde mir als belesener Sonderling beschrieben." Die Vorliebe des PR-Managers für nihilistische Schriften bezeichnete der Anklagevertreter als "eher lächerliche Geisteshaltung." Die Entscheidung, seine Familie zu töten und sich selbst zu verschonen, verstand Radasztics gerade vor diesem Hintergrund nicht. In Wahrheit sei Reinhard S. "zu feig, um die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Es findet sich ein Hochhaus, wo man sich runterstürzen kann. Es findet sich irgendwo immer ein Strick. Es findet sich irgendwo eine Eisenbahnschiene."
Die Verantwortung des Angeklagten stoße ihm sauer auf, betonte der Staatsanwalt, ehe er am Ende den Geschworenen ein vergrößertes Bild des Leichnams der kleinen Nathalie zeigte: "Schauen Sie in dieses Gesicht des mitleidlos erschlagenen Kindes!"
Verteidiger zweifelte an Zurechnungsfähigkeits-Gutachten
Ernst Schillhammer, der Verteidiger des 39-jährigen Reinhard S., zog in seinem Schlussvortrag das psychiatrische Gutachten in Zweifel: "Jemand, der so seine Tochter tötet, kann nicht zurechnungsfähig sein." Er versuchte die Geschworenen mit Vehemenz davon zu überzeugen, dass sich sein Mandant entgegen den Ausführungen der Sachverständigen zum Tatzeitpunkt zumindest nahe an der Unzurechnungsfähigkeit befunden habe. "Bauchgefühl ist nicht recht", appellierte der Anwalt an die Laienrichter, eine wohl überlegte Entscheidung zu fällen. Schillhammer verwies weiters darauf, der Angeklagte hätte nicht aus Zorn, Hass, finanziellen Erwägungen oder wegen eines Beziehungsproblems gehandelt. Das Fehlen dieser besonders verpönten Motive habe bei der allfälligen Strafbemessung berücksichtigt zu werden.
Reinhard S. war voll zurechnungsfähig
Das psychiatrisches Gutachten, auf das S. in seinem Schlussplädoyer eingegangen war, bescheinigt dem 39-Jährigen zwar eine narzisstische Persönlichkeitsstörung, aber volle Zurechnungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt. Zum Motiv hieß es in der Anklageschrift: "Angesichts des nahenden wirtschaftlichen Ruins und infolge seines Unvermögens, seine nächsten Angehörigen sein wirtschaftliches Totalversagen einzugestehen, fasste der Angeklagte den Entschluss, seine Ehefrau, seine Tochter, seine Eltern und seinen Schwiegervater zu töten."
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