Internet-Mobbing

“MySpace-Selbstmord”: Frau schuldig gesprochen

Ausland
27.11.2008 11:06
Im Prozess um den sogenannten „MySpace-Selbstmord“ in den USA hat das Gericht in Los Angeles einen Schuldspruch gefällt. Wie von Beobachtern erwartet, wurde dem Staatsanwalt allerdings die Gesetzeslage und die historisch einzigartige Anklageschrift zum Verhängnis. Statt der geforderten Haftstrafe von bis zu 20 Jahren konnte man die 49-jährige Lori Drew, die die 13-jährige Megan Meier im Jahre 2006 durch Internet-Mobbing in den Freitod getrieben haben soll, nur für Verstöße gegen die Nutzungsbedingungen der Social-Networking-Plattform „MySpace“ zur Verantwortung ziehen. Der 49-Jährigen, deren Tochter einmal mit Megan befreundet war, droht nun eine Geldstrafe von bis zu 300.000 Dollar.

Lange Zeit hatte Megans Mutter Tina (Foto) befürchtet, dass die Gerichte aufgrund der schwierigen Rechtslage des Falles untätig bleiben würden. Die Probleme: Staatsanwälte fanden zunächst keine rechtliche Grundlage, um die 49 Jahre alte Lori Drew aus dem US-Staat Missouri vor Gericht zu bringen. Missouri führte dann auf Drängen Tina Meiers eigens ein "Cyberbullying"-Gesetz ein, doch weil die Internetserver von "MySpace" in Kalifornien stehen, wurde der Fall vor einem Gericht in Los Angeles verhandelt.

Drew musste sich in einer in ihrer Zusammensetzung bisher einzigartigen Anklage wegen Internet-Betrugs, Verschwörung und in drei Fällen illegaler Benutzung eines Computers bzw. Verstoßes gegen die Nutzungsbedingungen von MySpace verantworten. Die Anklageschrift ähnelte eher einem Hacker-Prozess als einer Verhandlung, die vor dem Hintergrund eines tragischen Selbstmordes abläuft. Bei einem Schuldspruch wegen Verschwörung zu einer Straftat hätten der Angeklagten bis zu 20 Jahre Haft gedroht. Wegen Verstoßes gegen die Nutzungsvorschriften von MySpace könnte sie nun maximal zu einer Geldstrafe von bis zu 300.000 Dollar (232.000 Euro) bzw. einem Jahr Gefängnis - was aber als unwahrscheinlich gilt - verurteilt werden. Ein Datum für die Urteilsverkündung steht noch nicht fest.

Psychoterror vom 16-jährigen "Josh" 
Den Höhepunkt hatte das Verfahren am zweiten Verhandlungstag erreicht, als die Mutter von Megan Meier zu Wort kam. Tina Meier schilderte mit wütender Mine, wie die 49-jährige Lori Drew alias "Josh" ihre Tochter mit bösartigen Botschaften auf der Social-Networking-Plattform in den Suizid getrieben haben soll. Als sie den Tag von Megans Selbstmord schilderte, brach die Frau in Tränen aus: "Unsere letzten Worte wechselten wir im Streit!" 

Lori Drew - sie lebt in der Nachbarschaft der Meiers - soll zusammen mit ihrer Tochter und einer 18-jährigen Bekannten das Profil für den fiktiven 16-jährigen "Josh" auf MySpace erstellt haben. Die 49-Jährige trat mit Megan Meier in Kontakt und flirtete als "Josh" mit dem 13-jährigen Mädchen, das einmal mit ihrer Tochter befreundet war. Als das Vertrauen aufgebaut war, machte "Josh" Megan mit bösartigen Botschaften fertig. Laut der Anklage wurde das Mädchen in den Selbstmord getrieben.

Der Staatsanwalt sagte in seinem Eröffnungsplädoyer, Drew habe das Profil von "Josh" zunächst nur eröffnet, um für ihre Tochter zu erfahren, ob Megan Gerüchte über das Mädchen auf MySpace in Umlauf gebracht habe. "Doch die Beweise werden Ihnen zeigen, dass es nicht dabei blieb. Die Angeklagte hat Megan mit voller Absicht weh getan und ihr entsetzliche psychische Schmerzen zugefügt", sagte Staatsanwalt Thomas O'Brien zu den Geschworenen. 

Mutter: "Unsere letzten Worte fielen im Streit"
Tina Meier schilderte danach den Tag, an dem ihre Tochter sich das Leben nahm. Megan habe ein latentes Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom gehabt und sei in den letzten Wochen vor ihrem Freitod auch wegen Drepressionen behandelt worden - angeblich eine Folge des Psychoterrors durch "Josh". Deshalb hatte sie ihrer Tochter zu dieser Zeit eigentlich ein Internetverbot auferlegt gehabt. Als Megan von den boshaften Botschaften erzählte, sei zwischen den beiden ein Streit entbrannt - von wegen, es wäre nie so weit gekommen, wenn Megan das Verbot berücksichtigt hätte. 

"Ihre letzten Worte waren: 'Du bist meine Mutter. Du müsstest auf meiner Seite stehen!", schilderte Tina Meier unter Tränen im Gerichtssaal. "Unsere letzten Worte fielen im Streit." Sie habe dann ein ungutes Gefühl gehabt und sei in Megans Zimmer gegangen. Meier fand ihre Tochter mit einem Gürtel um den Hals im Kleiderschrank hängend vor. Die Notärzte konnten das Mädchen noch einmal reanimieren, doch Megan starb am Tag darauf.

Megans Antwort: "Für dich würden sich Mädchen umbringen"
Die letzte Botschaft die Tina Meier wenige Tage später im MySpace-Postfach ihrer Tochter fand, war von "Josh" und lautete: "Die Welt wäre ohne dich eine bessere." Im Gerichtssaal offenbarte die Mutter erstmals, was Megan darauf geantwortet hat: "Du bist diese Art von Junge, für den sich ein Mädchen umbringen würde."

Loading...
00:00 / 00:00
Abspielen
Schließen
Aufklappen
Loading...
Vorige 10 Sekunden
Zum Vorigen Wechseln
Abspielen
Zum Nächsten Wechseln
Nächste 10 Sekunden
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.

Kostenlose Spiele
Vorteilswelt