Nicht minder exquisit die aktuelle Besetzung: 11 Jahre nach „Titanic“ stehen Leonardo DiCaprio und Kate Winslet wieder gemeinsam vor der Kamera - als junge Eheleute im Amerika der adretten 50er-Jahre, die verzweifelt versuchen, der spießigen Angepasstheit zwischen manikürtem Rasen, appetitlichen Cocktailhäppchen und zermürbender Jobroutine zu entgehen.
Traum von Paris
Nein, die Wheelers wollen nicht wie all die anderen in ihrer Straße sein, hängen kühn vermeintlichen Begabungen nach und träumen gar davon, mit ihren zwei kleinen Kindern nach Paris auszuwandern, begierig, die Lektionen des französischen Savoir-vivre zu erlernen und den eigenen Herzschlag dem Puls der charmanten Metropole anzupassen. Allein, es sind gläserne Träume. Wer nichts mehr hat, wofür es sich zu hoffen lohnt, weil der Mut und das Geld und das Sehnen einfach nicht reichen, weil der Wunsch auszuwandern mit dem Insichgehen kollidiert, während die Fratze der Gewohnheit hämisch feixt, schlägt wie ein Ertrinkender um sich.
Betrug auf dem Beifahrersitz
Im Eismeer erkaltender Gefühle driften Frank - Leonardo DiCaprio - und April Wheeler - Kate Winslet - rettungslos auseinander. Schal schmecken die Momente ehelichen Betrugs zwischen fremden Laken oder auf dem Beifahrersitz. Ein Aufbegehren, das sich echtem Begehren verweigert und in traurige Ausweglosigkeit führt. Szenen einer Ehe, die in ihrer Heftigkeit an Bergman’sche Paar-Schablonen heranreichen, dramatisch und aufwühlend. Eine schauspielerische Tour de Force für DiCaprio und eine großartige Kate Winslet, die Sam Mendes’ Verfilmung von Richard Yates’ Kultroman „Revolutionary Road“ aus den frühen 60er-Jahren mit ihrer darstellerischen Präsenz adeln.
Für DiCaprio kam erschwerend dazu, dass er als Filmehemann der Ehefrau seines Regisseurs - Kate Winslet heiratete Sam Mendes 2003 auf Anguilla, kurz darauf kam der gemeinsame Sohn Joe zur Welt - zu agieren hatte. Emma Thompson, Kates Freundin und Filmpartnerin aus „Sinn und Sinnlichkeit“, hatte die „Titanic“-Heroine mit dem brillanten Filmemacher zusammengebracht.
Kate Winslet küsst besser als zu „Titanic“-Zeiten
Die Frage, wie es ist, nach all der Zeit wieder mit Kate Winslet zu drehen, ringt Leonardo DiCaprio nur begeisterte Worte kollegialer Bewunderung ab, gepaart mit jungenhafter Schalkhaftigkeit, attestiert dieser ihr doch, ohne Wenn und Aber die talentierteste Schauspielerin ihrer Generation zu sein. Ja, und sie küsse heute wirklich noch besser als zu bewegten „Titanic“-Zeiten und habe offenbar viel geübt. Ein schönes und faszinierendes Paar, das die große Leinwand zum Leuchten bringt.
„Revolutionary Road – Zeiten des Aufruhrs“ hat die schmerzhaft desillusionierende Botschaft, dass eine Liebesbeziehung langfristig mit dem alltäglichen Leben kaum zu vereinbaren ist. Kate Winslet hält auch nach einer gescheiterten Ehe (mit Jim Threapleton) an ihrem Enthusiasmus in Sachen Jawort fest: „Wir müssen in Liebesdingen kreativ sein! Und Verzeihen ist meiner Meinung nach noch immer die beste Immuntherapie gegen Krisen aller Art!“
Mit dem oft bemühten Begriff „Traumpaar“ kann die charismatische und kluge Aktrice dagegen nicht viel anfangen: „Sogenannte Traumpaare werden von Medien gemacht und richten sich nach Äußerlichkeiten. Attraktivität ist noch kein Glücksgarant. Unser Leben ist kein Traum, sondern sehr real und mitunter kompliziert. Aber im tagtäglichen Miteinander bildet wohl jede Familie ihr eigenes kleines, wundervolles Sonnensystem.“ („Revolutionary Road - Zeiten des Aufruhrs“, ab 16. Jänner im Kino)
Christina Krisch, Kronen Zeitung
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.