Lampedusa-Chaos

1.300 Flüchtlinge aus Lager ausgebrochen

Ausland
24.01.2009 17:21
Mehrere hundert Flüchtlinge sind am Samstag aus dem Flüchtlingslager der Mittelmeerinsel Lampedusa ausgebrochen. Sie überwanden die Zäune um das Lager, zogen bis zum Hauptlatz vor dem Gemeinderat Lampedusas und skandierten Slogans wie "Freiheit!" und "Helft uns". Die rund 700 Flüchtlinge wurden von den seit Wochen gegen die italienischen Regierung protestierenden Bewohnern der Insel mit Applaus begrüßt.

Nach Angaben des Innenministeriums verließen insgesamt 700 der 1.300 Flüchtlinge das Auffanglager. Am Nachmittag entschärfte sich die Lage, allerdings kehrten nur 500 Personen wieder in das Flüchtlingslager zurück. Der Flughafen Lampedusas wurde zwischenzeitlich aus Sicherheitsgründen gesperrt. Die verschreckten Behörden befürchteten, dass die Flüchtlinge aus Protest die Landepiste belagern würden. 

Italienische Medien berichteten von einem "Ausbruch". Das Innenministerium beteuerte aber, dass es sich um keine Flucht handle, da die Migranten nicht zwangsmäßig im Auffanglager gehalten werden. "Daher haben die Sicherheitskräfte den Ausbruch nicht verhindert, sondern die Situation unter Kontrolle gehalten, ohne einzugreifen", so ein Sprecher des Innenministeriums.

Berlusconi: "Sie können jederzeit ein Bier trinken gehen"
Regierungschef Berlusconi versicherte, dass die Lage auf Lampedusa unter Kontrolle sei. "Lampedusa ist kein Konzentrationslager", sagte er. Es stehe den illegalen Einwanderern in dem Lager frei, jederzeit "ein Bier trinken zu gehen". Eine Sprecherin des UNO-Flüchtlingshochkommissariats widersprach der Darstellung und betonte, die Asylsuchenden dürften das Lager nicht einfach verlassen. Falls diese Regelung seit Freitag geändert worden sei, sei das UNHCR darüber zumindest nicht informiert worden. Ein Sprecher von Ärzte ohne Grenzen betonte, das Auffanglager sei bewacht und niemand könne es auf eigene Faust verlassen.

Berlusconi meinte weiters, Innenminister Roberto Maroni werde am kommenden Dienstag seinen tunesischen Amtskollegen treffen, um die Prozeduren zur Abschiebung 1.200 tunesischer Flüchtlinge zu beschleunigen, die sich auf Lampedusa befinden.

"Lampedusa ist kein Alcatraz"
Eine Delegation von Bewohnern der Insel protestierte indes gegen die Regierung, die ein zweites Flüchtlingslager zur Identifizierung und Abschiebung der Migranten errichten will. "Lampedusa ist kein Alcatraz", lautete der Slogan des Bürgermeisters De Rubeis. Das Auffanglager der Insel ist seit Wochen überfüllt. Während die Bootsflüchtlinge bisher nach nur wenigen Tagen von Lampedusa auf das Festland gebracht wurden, hatte Innenminister Maroni angesichts der massiven Flüchtlingsströme direkte Rücktransporte von der Insel in die Herkunftsländer angekündigt. Er plant die Errichtung eines zweiten Auffanglagers zur Identifizierung der Flüchtlinge. Die neue Einrichtung soll neben dem bereits bestehenden und chronisch überlasteten Auffanglager etabliert werden. Sie wird in einem alten Militärstützpunkt, weit vom bewohnten Teil der Insel entfernt, angesiedelt, kündigte Maroni an.

Das alte Flüchtlingslager ist nur für 850 Menschen ausgelegt, doch in den vergangenen Tagen waren zeitweise mehr als 1.800 Menschen untergebracht. Am Samstag waren es noch 1.300. Nach Angaben des UN-Flüchtlingswerks UNHCR müssen Hunderte Flüchtlinge in dem Lager unter Plastikplanen im Freien schlafen.

Opposition: Berlusconis Politik ist gescheitert
Die Opposition setzte die Mitte-Rechts-Regierung wegen der schwierigen Lage auf Lampedusa unter Druck. Die Situation auf der Insel sei eines zivilisierten Landes unwürdig. Sie bezeuge das Scheitern der Immigrationspolitik der Regierung Berlusconi, die unfähig sei, die Einwanderungsströme zu regeln. Die Regierung halte Hunderte Flüchtlinge auf Lampedusa unter unmenschlichen Bedingungen bis zur Abschiebung fest, kritisierten Oppositionspolitiker.

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