Nicht so in „The Duchess“. Regisseur Saul Dibb orientiert sich an der Erfolgsbiographie „Die Herzogin von Devonshire - Das Leben einer leidenschaftlichen Frau“ der promovierten Historikerin Amanda Foreman, und er erweckt mit Keira Knightley die titelgebende skandalumwitterte Aristokratin in einem erlesenen Kostümdrama zum Leben. Dass er sich dabei größtmöglicher historischer Authentizität verpflichtet, hat schon seinen Grund, hieß doch Georgina, die spätere Herzogin, mit Mädchennamen Spencer, was sie zur Vorfahrin von Lady Diana Spencer macht. Eine unbeugsame Schönheit, liebevolle Mutter, missachtete Gattin und sinnliche Geliebte, gefangen in einem Klassensystem, aus dem es kein Entrinnen gab.
Ralph Fiennes als böser Tyrann
Althorp, 1774: Während Georgina, bezaubernde 17, in adeliger Gesellschaft durch den Park tobt, die Glut der Jugend auf den Wangen, handelt Lady Spencer - Charlotte Rampling - einen rigiden Ehevertrag mit dem an Eiseskälte und Einsilbigkeit nicht zu überbietenden Herzog von Devonshire - fabelhaft unnahbar: Ralph Fiennes, zuletzt in „Der Vorleser“ zu sehen - aus, für den die Ehe ausschließlich der „Aufzucht“ eines männlichen Erben dient. Noch beseelt von kindlich-naiver Neugier auf das, was Liebe sein mag, fügt sich Georgina in dieses familiäre Arrangement, um in der Hochzeitsnacht die verstörende Gewissheit zu erlangen, mit einem entsetzlichen Egomanen und Macho-Aristokraten vermählt zu sein. Stumm schneidet ihr der Herzog die Robe vom fragilen Leib.
Geschockt flieht Georgina in die Rolle der Gastgeberin - und an die Spieltische, wo sie mit viel Esprit, koketter Schlagfertigkeit und untrüglichem Gespür für avantgardistische Mode die britische Gesellschaft erobert. Der Herzog indes wird Georgina die Erziehung einer außerehelichen Tochter aufzwingen, die „wertlosen“ Töchter, die sie ihm gebiert, aber mit Verachtung strafen, er wird sich mit willigen Zofen vergnügen und schließlich Georginas einzige Freundin Bess - Hayley Atwell, „Wiedersehen mit Brideshead“ - ins Bett und ins Haus holen, um eine frostige Ménage-à-trois zu führen.
Georgina landet in den Armen eines Romantikers
Die einzigen Kreaturen, die er wirklich liebt, scheinen seine Hunde zu sein. Als Georgina verzweifelt Momente wahrer Liebe in den Armen eines aufstrebenden Politikers und sanften Romantikers - Dominic Cooper aus „Mamma Mia!“ - sucht, vergrößert sich ihr Leid nur.
Mit ihren feinen Gesichtszügen und ihrer hoheitsvoll-anmutigen Haltung erscheint die schmale Britin Keira Knightley („Stolz und Vorurteil“, „Fluch der Karibik“, „Abbitte“) wie eine Schönheit aus einer anderen Zeit. Und in historische Charaktere schlüpft die 23-Jährige, die sich als Parfum-Ambassadrice für Chanel und den Duft „Coco Mademoiselle“ lasziv in Pose wirft, in der Tat gern. Das Balancieren der extrem hohen, schweren Perücken, kunstvoll mit Perlen und Federn verzierte pompöse Hochsteckfrisuren, erwies sich aber als ziemliche Belastungsprobe für ihren zarten Hals.
„Georgina war ein Superstar ihrer Zeit“
Knightley: „Georgina war gewissermaßen eine Art weiblicher Superstar ihrer Zeit - so wie wir das Wort heute definieren. Die besten Karikaturisten des Landes adelten sie mit immer neuen Skizzen in den Zeitungen. Ihr modisch-kreatives Gespür machte sie schnell zu einer Trendsetterin und Stil-Ikone! Was die Duchess trug, wurde über Nacht von allen kopiert. Und sie machte mit all dem Tand geistreich Politik!“
Gibt es einen modernen Bezug in diesen herzöglich-horriblen „Szenen einer Ehe“? Knightley: „Georginas rigides Ehekorsett ist weniger antiquiert, als man vielleicht annehmen möchte. Auch heute gibt es noch solche arrangierten Verbindungen, wo alle Leidenschaft der Etikette geopfert wird. Für mich unvorstellbar, diese Liebeshändel!“ („The Duchess - Die Herzogin“, ab 24. April im Kino)
Christina Krisch, Kronen Zeitung
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