Wegen Fluchtgefahr

Julius Meinl V. in Wien verhaftet

Wien
02.04.2009 08:52
Knalleffekt in der Meinl-Affäre: Julius Meinl V. ist am Mittwochabend verhaftet worden, nachdem er zuvor von den Ermittlern stundenlang zur Affäre um die Meinl European Land (MEL; heute Atrium Real Estate) einvernommen worden war. Gerhard Jarosch, der Sprecher der Staatsanwaltschaft Wien, begründete dies am Donnerstagvormittag mit Fluchtgefahr. Wie Jarosch darlegte, geht es um den Verdacht der Untreue, des schweren gewerbsmäßigen Betrugs und Verstöße gegen mehrere wirtschaftliche Nebengesetze. Für Julius Meinl V. gilt die Unschuldsvermutung. Die Bank betonte, dass die Festnahme keine Auswirkungen auf den laufenden Geschäftsbetrieb habe. Die Lage des Instituts sei stabil und die Einlagen sicher, hieß es.

"Julius Meinl besitzt die Staatsbürgerschaft des Vereinigten Königreichs. Aufgrund der bisherigen Ermittlungen und jüngst gewonnener Beweisergebnisse war zu befürchten, dass er sich der Strafverfolgung entzieht", erläuterte Jarosch die rechtlichen Hintergründe. Nun muss binnen 48 Stunden der Haftrichter entscheiden, ob über den Eigentümer der Meinl Bank AG die U-Haft verhängt wird. Der 49-Jährige ist zurzeit in der Haftanstalt Josefstadt in Wien untergebracht.

Schwere Vorwürfe gegen Meinl
Die MEL soll vor allem Zertifikationsscheine ausgegeben haben, die über mehrere Firmen mit dem Geld von Anlegern zurückgekauft wurden. "Zweck war, den Kurs der Papiere hochzuhalten", sagte Jarosch. Der zuständige Staatsanwalt habe Meinl dazu "eingehend befragt". Rede und Antwort musste Meinl auch zu sogenannten Partly-Paid-Shares (teileinbezahlte Anteile) stehen, "durch die der MEL sehr viel Geld entgangen ist", wie der Behördensprecher mitteilte. 150 Millionen derartige Anteile wurden aufgelegt, für die laut Jarosch nur 1 Cent pro Stück einbezahlt wurde. Der damit verbundene Vorwurf der Anklagebehörde an das Management: "Man hätte diese Anteile jederzeit einrufen können. Das ist nicht geschehen."

Die weiteren Anschuldigungen betreffen einerseits Werbematerial, in dem die MEL "als quasi mündelsicher beworben wurde", wie Jarosch erklärte. Das habe "natürlich nicht den Tatsachen entsprochen". Andererseits wurden dem Sprecher der Staatsanwaltschaft zufolge bei der Ausgabe der MEL-Anteile an die Meinl Bank AG bzw. an Treuhänder "extrem hohe Gebühren ausbezahlt", was - so zumindest der Verdacht - ebenfalls bewusst rechtswidrig geschehen sein soll.

Durchsuchungen bereits im Februar
Bereits Mitte Februar hatten etwa 60 Ermittler stundenlang mehr als 10 Villen, Wohnungen und Büros des Milliardärs und drei seiner Vorstände im In- und Ausland durchsucht. Im Visier der Polizei-Razzia stand unter anderem die erst vor einem Jahr von Tresorknackern ausgeräumte Meinl-Privatvilla im noblen Grinzing. Aber auch Domizile in der Wiener Innenstadt sowie im benachbarten Bratislava. Zudem durchstöberten Ermittler die Computer sowie Akten der Privatbank. Die Wirtschafts- und EDV-Experten suchen nach Hinweisen auf die Geschäftsverbindungen zwischen dem Geldinstitut und Meinl European Land.

Anleger haben mit "Jersey" Millionen verloren
Aufsichtsbehörden und Justiz hatten den betuchten Investmentbanker wegen eines Finanzskandals um verheimlichte Aktienrückkäufe bei der einstigen Meinl European Land (MEL) Jersey lange im Visier. Zigtausende Anleger haben mit den von ihm entworfenen Jersey-Meinl-Börsefirmen Milliarden verloren, über zwei der drei Ex-Meinl-Fonds auf Jersey - die von "Rebellen" übernommene "Airports" und "Power" - ist vorige Woche der Auflösungsbeschluss gefallen. Julius V. bestritt lange, mit den Firmen verflochten zu sein. Ob die Ermittler bei ihren Hausdurchsuchungen Organigramme über das weitverzweigte Netz an Stiftungen und Briefkästen und neue Beweise über die Art der Verflechtungen fanden, wird ein erwarteter Prozess zeigen.

Rücktritt Ende 2007
Seit vor knapp zwei Jahren die umstrittenen Aktienrückkäufe offenkundig wurden, kam Meinl nicht mehr aus den negativen Schlagzeilen. Als er um Weihnachten 2007 nach 24 Jahren an der Spitze der Meinl Bank zurück trat und sich kurzerhand an die Aufsichtsratsspitze wählen ließ, hatte das "nichts mit Notenbank-Untersuchungen zu tun", wie er damals wissen ließ. Meinl war trotz seiner damals erst 48 Jahre der dienstälteste Vorstandschef einer österreichischen Bank.

"Ich habe diesen Wechsel nach genau 25 Jahren im Vorstand der Bank schon länger geplant, um das Unternehmen in der Tradition der Familie Meinl als Vorsitzender des Aufsichtsrates zu führen", erklärte Meinl damals. Ein Versuch, als "Präsident" in die Fußstapfen seiner nach Generationen "durchnummerierten" Vorfahren zu treten.

Imperium von Liechtenstein aus gesteuert
Das Imperium wurde über Holdings von Liechtenstein aus gesteuert. Dem Banker Meinl haftete Luxus an, tausende Anleger, die bei Meinl European Land & Co. Milliarden verloren haben, sahen in ihm und seinen Getreuen zuletzt aber nur mehr eine ganz gewöhnliche Zockerpartie, die Börse und Behördenvertretern mit den ständigen Hinweisen, für sie gelte österreichisches Recht ganz einfach nicht, auf der Nase herumtanzte.

Julius Meinl V hat das Familienimperium stärker verändert als fast alle seiner Vorgänger. Kritiker sprechen vom Niedergang des Imperiums. Aus einer vor fast 150 Jahren gegründeten und rund um den Lebensmittelhandel zentrierten Gruppe hat er in etwas mehr als zwei Jahrzehnten einen Finanzdienstleister gemacht. Gute Kontakte zu Hochfinanz und Politik haben da nicht geschadet.

Julius Meinl wurde am 9. Juli 1959 in London geboren und trat 1983, mit etwas mehr als 23 Jahren, an die Spitze der Meinl Bank. Das mit einem britischen Pass ausgestattete Mitglied der bekanntesten Handelsdynastie der Habsburgermonarchie fühlte sich im gehobenen Bankgeschäft wohl, nicht im altehrwürdigen Einzelhandel. Ab Mitte der 90-Jahre verkaufte er in mehreren Schritten die Handelsfilialen in Österreich, Ungarn und Tschechien. Sie gingen an große Ketten, in Österreich 1998 an Rewe (Billa/Merkur), 2000 wurde schließlich der Rest an Spar verkauft. Zurückbehalten wurde nur die Meinl-Filiale am Graben. Auch auf Kaffee legte man noch Wert. 

1997 wurde die Immobiliengesellschaft Meinl European Land (MEL) gegründet, in die die verbliebenen osteuropäischen Handelsimmobilien der Familie eingegliedert wurden, die 2002 an die Börse gebracht wurde. Nach massiven Rückkäufen von Aktien, mit denen im Sommer 2007 der MEL-Kurs gestützt wurde, und deren Kurse in der Folge crashten, kam auch die Bank und deren Verbindung zur MEL ins Visier von Öffentlichkeit, Aufsichtsbehörden und Staatsanwalt.

Jachtausflug mit Flöttl
Obwohl Meinl und seine Familie nur selten Auftritte in der Society hatten, ist der Banker immer wieder unfreiwillig in den Schweinwerfer der medialen Aufmerksamkeit gerückt. Etwa durch seine Freundschaft mit dem früheren Finanzminister Karl-Heinz Grasser, der bei "Meinl Power" ins Management kam. Oder auch wegen einer Begebenheit aus dem Jahr 2005, die ihn mit Wolfgang Flöttl, der Zentralfigur des BAWAG-Skandals, in Zusammenhang brachte ("Jachtausflug").

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