"Kinderschänder"

Wirbel um Wien-Auftritt von Cohn-Bendit

Österreich
02.05.2009 16:25
Über den öffentlichen Auftritt des deutsch-französischen Europaabgeordneten Daniel Cohn-Bendit in Wien hat sich am Samstag die FPÖ erzürnt. Parteichef Heinz-Christian Strache bezeichnete den Fraktionschef der Europa-Grünen als "bekennenden Kinderschänder", der Auftritt sei "eine Provokation für die anständigen Menschen in dieser Stadt und zeichnet zudem ein Sittenbild des moralischen Zustandes der grünen Parteiführung". Die Vorwürfe der FPÖ gehen offenbar auf umstrittene Passagen in einem Buch Cohn-Bendits aus den Siebzigerjahren zurück. Cohn-Bendit wies alle Anschuldigungen zurück. In diesem Bezug müsse man die "Wahnsinnigen wahnsinnig sein lassen", erklärte er.

Cohn-Bendit, ein ehemaliger WG-Genosse und Aktivisten-Freund von Joschka Fischer, trat am Samstagnachmittag am Yppenplatz in Wien-Ottakring unter anderem mit der Grünen Spitzenkandidatin für die kommende Europawahl, Ulrike Lunacek, auf, um über das Thema "Multikulti und die Rechten" sprechen. 

Die Veranstaltung wurde von Protesten des RFJ begleitet. Dessen Obmann Johann Gudenus sprach am Samstag von 250 "friedlichen Protestteilnehmern", die Grünen von 150. Die mit Sonnenbrillen bekleideten Demonstranten versuchten Cohn-Bendits Ansprache mit Zwischenrufen zu stören. Der 64-Jährige reagierte barsch. "Halt die Klappe, du bekommst sonst Durchfall", rief er einem der RFJ-Mitglieder zu. Man werde bis zum Ende dafür kämpfen, dass dieses Europa erhalten bleibe, betonte Cohn-Bendit. 

Umstrittene Passagen in Buch
Strache erinnerte in seiner Aussendung an die Buchpassagen Cohn-Bendits aus den 1970er-Jahren, von denen sich der Politiker später aber distanzierte. "Es ist mir mehrmals passiert, dass einige Kinder meinen Hosenlatz geöffnet und angefangen haben, mich zu streicheln. Ich habe je nach den Umständen unterschiedlich reagiert, aber ihr Wunsch stellte mich vor Probleme. Ich habe sie gefragt: 'Warum spielt ihr nicht untereinander, warum habt ihr mich ausgewählt und nicht andere Kinder?' Aber wenn sie darauf bestanden, habe ich sie dennoch gestreichelt!", heißt es darin.

Cohn-Bendit, der damals Betreuer in einem alternativen Frankfurter Kindergarten war, hatte in dem 1975 erschienenen Buch "Le Grand Bazar" ("Der große Basar") weitere derartige Szenen beschrieben. Er bestritt allerdings, dass diese in jedem Detail persönlich gelebte Wirklichkeit widerspiegelten. Es seien eine provokante "Verdichtung" von Erlebnissen gewesen. Und er verwies darauf, dass die 68er-Bewegung außer den traditionellen Autoritäten auch die Tabus beim Thema Sexualität von Kindern in Frage gestellt habe. 

"Ich wurde auch schon als Drecksjude beschimpft"
Heutzutage würde "niemand mehr so etwas schreiben", erklärte er 2001, als die Passagen unter anderem als Munition in einer Kampagne gegen den deutschen Grünen Joschka Fischer verwendet wurden. Er sei schon als "Drecksjude" und vieles mehr beschimpft worden, aber er habe noch nie einen anderen Politiker deshalb geklagt. Es sei zwar manchmal bedauerlich und könne auch schmerzlich sein, aber man müsse einfach klar sehen, dass man "solche Dinge" nicht mit Klagen regeln kann.

Union als "Traum der Demokratie"
Bis auf die Zwischenrufe kam es bei der Grünen-Veranstaltung aber zu keinen weiteren Zwischenfällen. Die Grüne-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Ulrike Lunacek, erklärte in ihrer Rede, dass man gegen jene sei, die "Hasstiraden" in die Welt setzten. Man wolle die Grenzen in den Köpfen der Menschen öffnen und nicht schließen, so wie dies das BZÖ oder die FPÖ wollten. "Nein zu Kulturkämpfen", forderte Lunacek. Die Grünen seien gegen das "Jeder gegen Jeden"-Prinzip, und die "Mir san Mir"-Menatalität sei gefährlich.

Cohn-Bendit erklärte im Rahmen seines Vortrags, dass es im "auf den Senkel gehe", wenn Menschen immer fragten: "Was haben wir von Europa." Die Antwort sei in der Geschichte zu suchen. Europa sei gleichzusetzen mit Frieden, so der Chef der Europäischen Grünen. Alle diejenigen, die sagten, man müsse "raus aus Europa", sollten begreifen, dass dies auch ein "Raus aus einem friedlichem Zusammenhang" bedeute. Man habe mit der EU den "Traum der Demokratie" geschaffen und der Friede müsse erhalten bleiben.

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