Kinder stark betroffen

Der Kampf gegen die Handy-Sucht

Leben
04.01.2018 14:30

In vielen Familien ist die stundenlange Smartphone-Nutzung der Kinder ein immer größer werdendes Thema. Doch ab wann wird online sein zur Sucht? Und wie viel virtuelle Welt ist für junge Menschen verträglich? Die „Krone“ bat namhafte Experten um Rat.

Die Entwicklung ist rasant. In nur acht Jahren hat sich die Zahl der onlinesüchtigen Menschen in Österreich verdoppelt. „Die Betroffenen werden immer jünger“, weiß Michael Musalek, Leiter des Anton-Proksch-Instituts in Kalksburg, Europas größter Suchtklinik. 

Schon Kinder haben das Handy, das als Computer verwendet wird, immer bei sich. Kommunikation wird reduziert auf Icons, Smileys und Kurznachrichten. „Unsere Jugend verliert dadurch wesentliche soziale Fähigkeiten. Neben der Sprache spielen etwa Mimik, Gestik, Stimmlage und Haltung eine ganz wichtige Rolle im Zusammenleben“, warnt der Experte, wohl wissend, dass die mobilen Geräte im Alltag nicht mehr wegzudenken sind. Und auch Vorteile bieten. „Die jungen Menschen sind vernetzt, pflegen viele Kontakte“, nennt Dominik Batthyany, Leiter des Instituts für Verhaltenssüchte an der Sigmund Freud Universität, einen der positiven Aspekte der mobilen Begleiter. „Aber wir müssen Kinder lehren, gut damit umzugehen!“ 

(Bild: thinkstockphotos.de)

Fehlende Kultur durch raschen Fortschritt 
Eine Kultur für den Umgang mit dem Smartphone konnte die Gesellschaft aufgrund des raschen technischen Fortschritts nicht entwickeln. „Keiner weiß genau, wo die Grenzen sind“, sagt Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier. 

Von laut telefonieren bis am Klo surfen ist alles drin
Zeitliche Begrenzung und „handyfreie Zonen“ „Umso entscheidender ist für junge Handy-Nutzer die Vorbildrolle der Eltern.“ Und die geben laut dem Sozialwissenschaftler oft ein „fürchterliches Beispiel“ ab. Wenn etwa der Papa beim Essen Whatsapp-Nachrichten beantwortet, wird kein Kind verstehen, warum es das nicht auch darf.

(Bild: stock.adobe.com)

Jede Familie braucht handyfreie Zonen, etwa am Essenstisch. Auch Apps wie „Timekid“ können helfen, die Online-Zeit zu regulieren. „Verbote machen keinen Sinn, sondern positive Motivation!“, ist Musalek überzeugt: „Indem wir Kindern zeigen, dass es so viel schönere Dinge gibt, wie etwa die Natur oder den Sport.“ Menschliche Zuwendung statt Kompensation durch das Handy – auch für die Gesundheit ist das wichtig. Denn der deutschen BLIKK-Medienstudie zufolge verstärkt übermäßige Smartphone-Nutzung bei Kindern etwa Fettleibigkeit, Hyperaktivität oder Sprachentwicklungsstörungen.

(Bild: stock.adobe.com)

Interview Prof. Michael Musalek, Leiter des Anton Proksch Instituts: 

"Krone":
 Wie definieren Sie das Phänomen Handysucht?
 Michael MusalekDie Sucht besteht darin, nicht mit dem Gerät etwas Bestimmtes tun zu wollen, sondern den übermächtigen Drang zu haben, online zu sein. Der entscheidende Faktor für Sucht ist die Verfügbarkeit. Ein Handy ist 24Stunden nutzbar, es wird sogar auf die Toilette mitgenommen.

Wie agieren Betroffene?
 
Sie fliehen in eine Pseudo-Realität, sind 24 bis 72 Stunden am Stück online und halten sich mit Energydrinks wach. Das geht einher mit Bewegungsmangel und Junk Food.

Was kann man tun?
 Unser Ambulatorium in der Wiedner Hauptstraße bietet Hilfe für Betroffene, aber auch für besorgte Angehörige.

(Bild: stock.adobe.com)

Interview mit Bernhard Heinzlmaier, Sozialwissenschafler und Jugendforscher:

"Krone": Hat unsere Jugend ein Smartphone-Problem?
Bernhard Heinzlmaier: Übermäßige Handynutzung ist in der Regel kein Problem der Kinder, sondern der Erwachsenen. Weil die Eltern oft selbst einen unkontrollierten Umgang mit dem Gerät haben, der sich auf die Kinder überträgt. Es ist so schnell gekommen, dass sich noch keine Regeln einspielen konnten. 

Worauf müssen Eltern achten?
 Ich halte viel von „handyfreien Zonen“. Wir müssen Kindern zeigen, dass es eine reale Welt gibt, die nach anderen Gesetzen funktioniert. Das Leben hält Erfahrungen bereit, die die virtuelle Welt nicht bieten kann. Man kann sich umarmen und in die Augen schauen. Das ist nicht ersetzbar.

Anja Richter, Kronen Zeitung

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(Bild: kmm)



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