Im Zentrum Eurasiens

Unbekanntes Kasachstan

Reisen & Urlaub
09.01.2018 09:00

Das größte Binnenland der Erde, im Zentrum Eurasiens gelegen, ist durch seine gewaltigen Reserven an Erdöl, Gas, Gold, Kohle und Uran auch eines der reichsten, aber ein „weißer Fleck“ auf der Landkarte des Tourismus. Und ist wegen seiner faszinierenden Kontraste eine Reise wert.

Endlose, leere Steppen, Jahrhunderte nomadischer Tradition – dann ein gewaltiger Sprung in die Postmoderne: Langzeit-Staatschef Nursultan Naserbajew ließ 1997 eine neue Hauptstadt für den neuntgrößten Staat der Erde bauen. Astana entstand 1200 km nördlich der geschichtsträchtigen Metropole Almaty buchstäblich aus dem Nichts, auf dem Reißbrett, mit unbegrenztem Platz in der weiten Landschaft und mit fast unbegrenzten Mitteln. Star-Architekten konnten sich verwirklichen, Denkmäler schaffen, riesige Gebäude aller erdenklichen Stilrichtungen. Zum 20-Jahres-Jubiläum kam 2017 eine Expo auf einem 113 Hektar großem Areal dazu, ein gigantisches Glasgebäude in Kugelform mit acht Etagen, unter dem Motto „Energie der Zukunft“.   

Das Ergebnis dieses Kraftaktes lässt einfach nur staunen: Vom Wahrzeichen Astanas, dem 105 m hohen Bajterek-Turm, sind breite Prachtstraßen, Plätze und gigantische Gebäude zu sehen. Die größte Moschee Zentralasiens und das Khan-Shatyr-Einkaufszentrum, eine Pyramide des Friedens und der Eintracht, das neoklassizistische Opernhaus, das drittgrößte der Welt. Monumentale Hochhäuser erinnern an Moskaus „Zuckerbäckerstil“ der Stalinzeit. Die Aussichtsplattform in einer riesigen goldenen Kugel befindet sich in 97 m Höhe, Symbol für den Umzug der Regierung nach Astana 1997.  

Auf einem runden Tisch aus Malachit ruht ein Dreieck aus purem Gold mit dem Handabdruck Nursultan Naserbajews. Legt man die eigene Hand darauf, geht, so sagt man, ein Wunsch in Erfüllung, dazu ertönt laut die Nationalhymne: ein Erlebnis, das sich kasachische Turm-Besucher nicht entgehen lassen. Die wenigen Touristen bestaunen den Ausblick, denken an eine Computersimulation à la Sim City. Von unten sind die Riesenbauten, vor allem wenn der eisige Steppenwind durch die breiten Avenuen pfeift, eher einschüchternd. Es gibt keine Massenverkehrs-Infrastruktur, viel Autoverkehr.

Alles strömt in die Einkaufszentren, allen voran die postmoderne Version einer klassischen Nomadenbehausung, die 150 m hohe Jurte aus sonnendurchlässigem Kunststoff von Norman Foster. Das Khan-Shatyr-Zentrum hat 180 Geschäfte mit internationaler Markenware, einen Aquapark, Entertainment und Wellnesscenter. Die Globalisierung ist in der Steppe angekommen, samt Fast Food der US-Konzerne.

So faszinierend Astana auch ist, gemütlicher ist es in der Ex-Hauptstadt Almaty. Die „Stadt der Äpfel“ liegt klimatisch begünstigter im Südosten Kasachstans, am Fuß des imposanten Tien-Shan-Gebirges. Seine schneebedeckten Gipfel umrahmen das Panorama der 1,5-Millionen-Einwohner-Stadt, die 1887 nach einem verheerenden Erdbeben fast völlig neu erbaut wurde. Das Medeo-Eisstadion und der Skiort Schimbulak liegen kaum eine Stunde entfernt und bieten hervorragende Wintersportbedingungen. Der Stadt fehlt es weder an luxuriösen Einkaufszentren mit internationalen Juwelieren und Markenboutiquen noch an schicken Restaurants. Almatys Selyoni-Markt bietet dafür reines zentralasiatisches Einkaufsgewimmel, und in einem neuen Kunsthandwerkszentrum werden wieder Weber, Sticker und Kunstschmiede ausgebildet, ja sogar wieder Jurten im alten Stil, bunt und mit Teppichen ausgelegt, hergestellt. Sie erfreuen sich als Gartenhäuschen neuer Popularität bei den Stadtbewohnern …

Noch tiefer in Kasachstans Tradition tauchen Reisende in Türkistan ein: Das Mausoleum des Mystikers und Poeten Ahmed Yasawi, errichtet vom Mongolenherrscher Timur in den Jahren 1289 bis 1405, ist eine wichtige Pilgerstätte für Moslems. Das riesige, unvollendet gebliebene Gebäude mit der markanten türkisfarbenen Kuppel zählt zum UNESCO-Weltkulturerbe. Seine fertiggestellten Teile sind besonders edel und reich verziert, rund um die monumentale Anlage ist fast nur Steppe zu sehen, Kamele flanieren seelenruhig über die kaum befahrene Zufahrtsstraße.  

Im einzigen kleinen Wirtshaus wird die legendäre Gastfreundschaft der Nomaden spürbar: Es wird aufgetischt, was Küche und Vorratsräume hergeben. Riesentöpfe mit der Nationalspeise Beschpermak, gekochtem Pferdefleisch auf Nudelblättern und Kartoffeln. Dazu Fladenbrot, Schafkäse, leicht vergorene Stuten- und Kamelmilch. Wer sich nicht selbst bedient, dem wird der Teller gefüllt – mangelnder Appetit ist eine Beleidigung der Gastgeber. Dazu wird Musik gemacht, mit dem zweisaitigen Volksinstrument Dombra.   

Wir fühlen uns wie ewige Nomaden der Steppe – unendlich weit von der riesigen Kunststoff-Jurte von Astana. Beides aber sind Facetten Kasachstans – und beide machen Lust, dieses Riesenland besser kennenzulernen. 

Brigitte Egger, Kronen Zeitung 

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