Mehr Lehrer als Kinder fehlten in Niederösterreich am ersten Schultag. 166 Jung-Pädagogen hatten anscheinend ihr Interesse am fix zugesicherten Job verloren. Oftmalige Entschuldigung: "Uns sind die Anfahrtswege zu weit." Die Gewerkschaft spricht hingegen davon, dass die Pädagogen nach zuvor erfolgten Absagen kurz vor Schulstart plötzlich Zusagen bekamen.
Die Sache ist für Landesschulratspräsident Hermann Helm jedenfalls nicht erledigt: "Wir durchforsten jetzt die Warteliste und klären ab, wer noch Interesse an einem Platz hat."
Pröll erbost über Verhalten der Junglehrer
Wie jetzt erst bekannt wurde, waren in der vorigen Woche insgesamt 166 Junglehrer trotz unterschriebener Bewerbungen nicht an ihren Arbeitsplätzen erschienen bzw. sagten kurzfristig ab.
Landeshauptmann Erwin Pröll zeigte sich gegenüber der "Krone" am Mittwoch erbost: "Ein Arbeitsplatz ist gerade in dieser wirtschaftlich schwierigen Zeit unbezahlbar. So ein Verhalten ist ein Hohn gegenüber allen Jobsuchenden – und nicht tolerierbar!" Vor allem, wenn - wie vom Landesschulrat behauptet - Anfahrtswege als Hauptabsagegrund hergenommen werden. Pröll: "Für Tausende Pendler ist dies eine tägliche Selbstverständlichkeit."
Streit zwischen Landesschulrat und Lehrervertretern
Laut Helm entstand das Lehrer-Chaos so: Im Juni wurden rund 350 Personen über eine Anstellung vom Landesschulrat informiert. Rechtzeitig, "damit sich alles ausgeht", sollten manche einen Job und dadurch eine Kündigungsfrist zu beachten haben. Am 14. Juli wurden dann jene verständigt, die vorerst keinen Posten erhielten - rund 500 Personen. Von den rund 350 Junglehrern haben dann aber ab Anfang August über 85 Personen abgesagt. "Wir haben dann bei den Lehrern angerufen, denen wir vorerst abgesagt haben. Bei rund 50 Prozent hieß es dann, dass ihnen der Weg zu weit wäre, obwohl sie bei ihrem Ansuchen die Bildungsregion angegeben haben", so Helm.
Noch kurioser: Einzelne Junglehrer hätten sich noch 48 Stunden vor Schulbeginn Bedenkzeit erbeten, empört sich Helm: "Sie haben zu mir gesagt: 'Herr Präsident, Sie müssen sich noch gedulden.'" Zudem ist es für den Landesschulratspräsident unverständlich, dass manche ihr Ansuchen aufrechterhalten haben, "obwohl sie teilweise schon andere Anstellungen hatten oder schwanger wurden."
Aufgrund der zweifachen Absagen - zuerst von den Lehrern, die eine Zusage hatten, und dann jenen, die auf der Wartelisten standen - wurden dann auch Lehrer angerufen, die eine andere Wunschregion angegeben hatten, und "die haben dann zugesagt". "Da fahren jetzt manche vom Most- ins Weinviertel", meint Helm.
Lehrervertreter ortet "Hetzkampagne"
Der Vorsitzende der Landeslehrer, Helmut Ertl, ortet in der Causa eine "Hetzkampagne gegen Junglehrer". Der Landesschulrat habe ja Mitte Juli allen auf der Warteliste verbliebenen Bewerbern eine schriftliche Absage erteilt. Als Lehrer mit Zusage dann plötzlich absagten, wurden die Anwärter auf der Warteliste aber wieder kontaktiert. "Einen Monat später wundert man sich, dass der Großteil der Bewerber nicht mehr zur Verfügung steht", ätzte Ertl.
In Summe fehlten zu Schulbeginn trotzdem 166 Jung-Pädagogen. Ob es tatsächlich volle Klassenzimmer ohne Lehrer gab, ist aber nicht bekannt. Der Unterricht begann in Niederösterreich in der zweiten Septemberwoche. Mittlerweile ist das Problem gelöst. Durch "Nachtelefonieren" kam man doch noch auf die benötigte Zahl.
Helm: "Bei uns fährt der Lehrer zum Schüler"
Landesschulratspräsident Helm will jetzt Nachgespräche mit einigen "Leider nicht"-Kandidaten führen: "Ich werde die betreffenden Personen gruppenweise einladen und ihnen die Personalsituation in Niederösterreich erklären." Es gebe rund 1.100 Pflichtschulen mit etwa 6.000 Klassen: "Wir bieten ein flächendeckendes Angebot. Und da fährt der Lehrer zum Schüler und nicht umgekehrt." Helm werde dann um "eine klare Antwort bitten", ob die Lehrer das Ansuchen aufrechterhalten oder nicht. Denn: Rund 30 bis 40 Personen werden dieses Jahr in Ruhestand gehen, "vielleicht sogar 60".
von Kronen Zeitung und krone.at
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