Stefanie Heinzmann

Der zweite Streich von Raabs “Unverbiegsamer”

Musik
23.09.2009 20:33
Als das freche 18-jährige Mädchen mit der "Mörderstimme", den Piercings und der Hornbrille im Jänner 2008 bei Stefan Raabs Castingshow SSDSDSSWEMUGABRTLAD gewann, freuten sich Musikkritiker auf "Mainstream der besseren Sorte". 18 Monate später steht Stefanie Heinzmann mit ihrem zweiten Album "Roots To Grow" in der Tür und entlockt den Zeitungen noch freudigere Zeilen. krone.at traf die 20-jährige Schweizerin zum Gespräch über das schwierige zweite Album, die neu entdeckte Liebe zur Heimat und ihren Unterstützer, Stefan Raab.
(Bild: kmm)

Stefanie Heinzmann hat eine Stricherlliste für den Monat "09" auf ihrem linken Unterarm. 44 Interviews hat sie in Deutschland und Österreich vom Monatsanfang bis in die zweite Septemberwoche gegeben, krone.at bekommt Stricherl Nummer 45. "Ich wollte einfach mal wissen, was da im Monat so zusammenkommt. Nicht dass es mir zuwider wäre. Ich bin bei Interviews sehr pflegeleicht", lacht die 20-jährige Schweizerin in akzentfreiem Deutschdeutsch. Begleitet wird sie auf den wochenlangen "Promo"-Reisen von ihrem Bruder, der die Karriere seiner kleinen Schwester managt und mindestens so viel Herzblut und Schweiß investiert wie die Sängerin selbst.

Seit ihrem Erfolg bei Raabs Rebellen-Castingshow vor rund anderthalb Jahren blieb für Stefanie Heinzmann kein Stein auf dem anderen. Sie verkaufte Tausende Alben ihre Debüts "Masterplan", gab Dutzende Konzerte in Deutschland und der Schweiz (ein Österreich-Termin für den Winter ist in Planung) und machte sich als kraftvoller Live-Act einen Namen (u.a. mit einem Cometen honoriert). Den Ruf der "Unverbiegsamen", die ihre Einstellungen vielleicht mal geringfügig adaptiert, aber nie wirklich anpasst, hat sich die 20-Jährige erhalten. 

Auch auf dem zweiten Album "Roots To Grow" gibt's keine Gefälligkeiten für die Popcharts oder das verflachte Musikfernsehen. Nicht, dass die vor Kraft nur so strotzenden Songs nicht radiotauglich wären! Den musikalischen Bogen spannt Heinzmann von Funk, Soul bis zum Reggae-angehauchten Duett mit Gentleman. 

krone.at: Dein neues Album heißt "Roots To Grow". Haben dich die letzten anderthalb Jahre, die du ja in Deutschland verbracht hast, nicht fast "entwurzelt"?
Stefanie Heinzmann: Nein, ganz im Gegenteil. Ich glaube meine Wurzeln haben sich noch tiefer in meine Heimat gegraben. Die Zeit, bis ich 18 wurde, verbrachte ich ja praktisch nur im Wallis (das Schweizer Alpen-Kanton, Anm.). Das Wallis ist im Grunde am Arsch der Welt. Denn mit 18 weißt du die Gegend natürlich nicht zu schätzen. Das hat hier nix, hier gibt’s nicht einmal einen H&M… man will nur weg. Jetzt hab ich zum ersten Mal seit zwei Wochen wieder zwei Tage frei und will eigentlich nur noch nach Hause. Ich könnte auch zwei Tage nach Berlin fahren, müsste weniger reisen und wäre dann viel schneller an dem Ort, an dem ich danach hin muss. Aber wenn es sein muss, fahr ich jetzt tausend Stunden ins Wallis!

krone.at: Du versteckst aber dein Schwyzerdütsch.
Stefanie Heinzmann: Ich geb mir sehr viel Mühe. (stellt auf Schweizer Dialekt um) Inn der Schulle schprechen wirr ja so, auch wenn ikch meinem Bruder wos vorlese, sprech ikch so. (wieder auf Hochdeutsch) Wenn du in einer Schweizer Schule so wie ich jetzt reden würdest, wärst du natürlich der absolute Oberspast! (lacht) Das kennt man im Wallis nur aus'm Fernsehen. Aber ich finde das nicht so cool, immer diesen Schweizer Stempel auf der Stirn zu haben. Wenn ich so rede, vergisst man das zwischendurch und es ist egal, woher ich komme.

krone.at: Und dabei hatte ich mich so auf Schweizerisch gefreut!
Stefanie Heinzmann: Ikch kchonn mit dir a Walliserdütsch rede. S'isch kchei Probläm!

krone.at: Bitte? Na ja, vielleicht doch nicht…
Stefanie Heinzmann: Seh’sch jetz, chenau das mein i!

krone.at: Warum gibt's eigentlich so wenige international bekannte Schweizer Popstars?
Stefanie Heinzmann: Mmh. Eigentlich ist in der Schweiz sehr viel Potenzial vorhanden. Ich denke - und das wird bei euch nicht anders sein -, sobald man aus der Schweiz oder aus Österreich kommt, ist man anderswo halt ein Exot.

krone.at: Schon dein erstes Album klang sehr erwachsen. "Roots To Grow" klingt jetzt noch eine Spur komprimierter, zusammenhängender. Du probierst aber trotzdem viel Neues aus.
Stefanie Heinzmann: Ich finde, dass es auch facettenreicher geworden ist. Ich spiele live sehr viele Covers von Stevie Wonder, Jamiroquai, Gill Scott, darauf steh ich halt total. Auf dem Album findest du einen Song, der ist leicht Reggae-angehaucht, ein Song hat'n Hip-Hop-Beat, einer ist total Blues-Brothers-mäßig unterwegs, der andere hat voll das Jimi-Hendrix-Riff. Es macht Spaß, so eine vielseitige CD zu haben, und vor allem, das dann live zu spielen. 

krone.at: Ich hab vorhin deinen Bruder belauscht, als er "Klamotten für die Band" organisiert hat. Du hast letztes Jahr einen Musikpreis als bester Live-Act bekommen. Deine Jungs und Mädels scheinen einen hohen Stellenwert zu haben.
Stefanie Heinzmann: Total! Mega! Zentraler geht's gar nicht. Diese Band ist mein Augapfel, ich würde alles für sie tun. Es macht mir ja schon selbst Angst, wie man sich in so kurzer Zeit an eine Band binden kann. Wenn ich unterwegs bin, dann ist das echt meine Familie.

krone.at: Deine Musiker sind aber ein ganzes Stück älter als du. Ist da das Chef-spielen schwieriger?
Stefanie Heinzmann: Stimmt, die sind alle um die 30. Aber das war schon so in meiner ersten Band, da war ich 15 und alle anderen waren auch 30. Das klappt eigentlich ganz gut. Mein jetziger Percussionist ist übrigens der Schlagzeuger von früher. Das verrückte Huhn (der Schlagzeuger, Anm.) musste einfach mit!

krone.at: Ich glaube, wir kommen jetzt an den Punkt, den mit Sicherheit alle 44 vorhergehenden Interviews im September auch irgendwann einmal erreicht haben müssen: Stefan Raab. Hatte er bei "Roots To Grow" seine Finger im Spiel?
Stefanie Heinzmann: Mit der Produktion selbst hatte er überhaupt nichts zu tun, eigentlich schon beim ersten Album nicht. Er hält sich da komplett raus und hat das alles Universal übergeben (Universal Music, Plattenfirma, Anm.). Er ist natürlich nach wie vor ein super Support für mich. Und es fühlt sich total gut an, wenn so jemand hinter dir steht. (Stefanie Heinzmann trat eine ganze Woche lang mit Songs aus "Roots To Grow" bei TV Total auf und war bei "Schlag den Raab" dabei, Anm.) Ansonsten haben wir selten Kontakt. Manchmal kommen halt SMS' wie "Gratuliere zu Platin", "Viel Glück beim Echo" oder "Stefanie, das find ich gut, was du da gemacht hast". Das zeugt von einem gewissen Interesse, mir gibt das immer wieder ein gutes Gefühl.

krone.at: Glaubst du, fördert er deshalb ernsthafte Musiker, weil er selbst immer nur mit Scherz-Songs punkten konnte?
Stefanie Heinzmann: Ich weiß es nicht. Er steht persönlich total auf Funk und Soul. Ich mein', kuck dir mal seine Studioband, die Heavytones an. Das ist ja krass, dass das "nur" eine Studioband is! Schon das ist ein Beispiel dafür, wie wichtig ihm Musik is. Klar, er hat nur mit Scherz-Songs Erfolge gehabt, er ist halt nun mal ein Witzbold. Aber musikalisch gesehen sind diese Songs auch nicht Scheiße. Das muss man auch sehen! Beispiel Max (Mutzke, Anm.): Ich glaub schon, dass ihn das stolz macht, solche Talente zu fördern.

krone.at: Du hast vorhin Stevie Wonder erwähnt. Warst du als Teenager mit deinem Musikgeschmack die Außenseiterin?
Stefanie Heinzmann: Überhaupt nicht! Ich bin eigentlich gar nicht mit Musik aufgewachsen. Meine Eltern hatten nie Zeit für Musik, die haben immer gearbeitet. Mein Bruder hatte dann irgendwann mal angefangen, mit der Klampfe zu hantieren und eine Nirvana-Coverband gegründet. Aber das war alles nur Rock, Alternative-Rock, Heavy Metal, Nirvana, Metallica - ich bin nur mit solchem Zeug aufgewachsen und hör's auch immer noch gern. Und jetzt wird's ganz peinlich: Meine ersten Teenie-Bands waren die No Angels, dann Alicia Keys, Joss Stone. Als ich zum Gesangsunterricht kam, hat sich das langsam geändert. Meine Lehrerin hat mir die CDs nachgeschmissen: Tower of Power, Stevie Wonder, Aretha Franklin. Für mich war das damals alles Übel auf einmal. Aber sie hatte schon früh gemerkt, dass diese Musik mein Zuhause ist. Und ierklären sich auch die Tattoos und Piercings. Das an deinem rechten Oberarm scheint ganz neu zu sein. Oder sind die vielleicht sogar alle in den letzten 18 Monaten entstanden?
Stefanie Heinzmann: Genau, die sind alle in den letzten 18 Monaten entstanden. Am Oberarm steht: "Du musst auf dein Herz hören. Hör, wie es schlägt, wie es fleht, wie es schreit. Hör, wie es lebt, wie es lacht, wie es weint. Wenn du es willst, wird es für dich entscheiden. Auch wenn du's irgendwann bereust, es wird schon richtig sein". Wie du siehst, hasse ich Entscheidungen (deutet auf den Tisch). Ich hab hier Tee, Wasser und Cola, weil ich mich einfach nicht für eins entscheiden kann. Es ist schrecklich! Bei mir lief ja mit der Musik alles wie von null auf hundert. Ich war noch in der Schule, dann hatte ich plötzlich einen Job, den ich nie vorher gemacht hatte. Ich hab das ja nicht gelernt! Und plötzlich musste ich Entscheidungen treffen, Entscheidungen über die Band, über mich; wie will ich das machen, will ich das überhaupt machen, ist das gut für mich, ist das schlecht für mich? Ich wusste es nie und hab halt irgendwie entschieden. Und da fand ich für mich raus: Immer aufs Herz hören! Das hab ich dann gleich eingraviert. (lacht) 

krone.at: Was sagt dein Herz zur Zukunftsmusik?
Stefanie Heinzmann: Jetzt bin ich mal voll auf Funk und Soul eingestellt. Aber ich hab schon länger total Bock, das mit Alternative-Rock zu mischen. Ich weiß halt noch nicht ganz wie. Aber das ist auch ein Schritt, in dem die Band echt eine Band sein muss. Das kannst du nur als Band angehen, finde ich. Wer weiß, ich könnt' mir das ganz gut vorstellen...

Interview: Christoph Andert

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