Großes Theater!

Horváths “Kasimir und Karoline” in Innsbruck

Tirol
27.09.2009 18:09
Fast 80 Jahre liegen zwischen der Uraufführung von Ödön von Horváths "Kasimir und Karoline" und der Premiere am Samstagabend bei den Innsbrucker Kammerspielen. Als hätte er es gestern geschrieben, so wirkt das Volksstück über Liebe in den Zeiten der Krise. Ein erschreckend aktueller Stoff, eindrucksvoll umgesetzt. Das Oktoberfest, Rummelplatz der Sehnsüchte. Doch im Schein der bunten Lichter zeigen die Dramen des Alltags erst so richtig ihre zerstörerische Fratze.

Kasimir (leidenschaftlich Helmuth A. Häusler) hat den Job verloren, liegt am Boden. Seine Karoline (Sarah Jung perfekt zwischen Naivität und Berechnung) will aber hinauf, verlässt Kasimir und folgt Schürzinger (Gerhard Kasal geschickt auf der Lauer), lernt den betuchten Kommerzienrat Rauch und dessen Freund Speer (faszinierend-schaurig Elmar Drexel und Günter Lieder) kennen. "Da hab ich es mir halt eingebildet, dass ich mir einen rosigeren Blick in die Zukunft erringen könnte", wird Karoline später resümieren.

Jeder in diesem Sozialdrama will einen besseren Platz auf dem Karussell des Lebens ergattern. Mit Gewalt der Merkl Franz (deftig Alexander M. Virgolini), mit Selbstaufgabe seine Erna (trefflich Elli Wissmüller). Maria und Elli mit ein paar Liebesdiensten (herausragend Ulrike Lasta und Petra-Alexandra Pippan).

Regisseur Guntram Brattia hat die Ambivalenzen der Charaktere perfekt herausgearbeitet. Mit Hilfe des zwischen märchenhaft und unbarmherzig-kalt changierenden Bühnenbilds (Andreas Jander) werden die Real- und Illusionsräume subtil verwoben. Ihr Vorhang wird von Walter Sachers als magischer Zirkusdirektor gehoben. Großes Theater!

von Claudia Thurner, Tiroler Krone

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