„Krone“-Interview

Nico Santos: Deutschlands junge Hit-Maschinerie

Musik
16.02.2018 07:00

Mit gerade einmal 24 Jahren hat Nico Santos bereits Top-Hits für unterschiedlichste Künstler wie Helene Fischer, Mark Forster, Lena oder Bushido mitgeschrieben oder produziert. 20 Jahre lang feilte er mit seiner musikalischen Familie in Mallorca an seinem Talent, bis er zuerst nach Köln und schlussendlich nach Berlin zog, um in der großen weiten Welt des Pop durchzustarten. Santos will aber nicht nur hinter den Kulissen reüssieren, sondern auch auf der Bühne glänzen. Nach seinem Single-Hit "Rooftop" hat er jedenfalls große Pläne, wie er uns im Interview verrät.

(Bild: kmm)

"Krone": Nico, deine Musikkarriere hat schon sehr früh im spanischen Mallorca begonnen, weil du bereits als Kind auf Bühnen gestanden bist. Kann man sich das so wie am Ballermann vorstellen oder war das ganz anders?
 Nico Santos: 
(lacht) Nein, mein Papa war früher Jazzmusiker und meine Mama Gitarristin in einer Frauen-Grungeband. Es wurde immer viel Wert auf echte Musik gelegt. Meine Lieblingssongs sind „Who Is It“ von Michael Jackson, „I Wish“ von Stevie Wonder und „Purple Rain“ von Prince. Bis auf Justin Timberlake stehe ich auf die Klassiker. Ich wusste schon immer, dass ich Musik und Pop machen wollte und Michael Jackson war mein Liebling. Ich habe aber immer mit Leuten aus dem Hip-Hop-Bereich zusammengearbeitet, weil das Ergebnis dann urbaner klingt.

Was hat dich speziell an Michael Jackson so besonders fasziniert?
Einfach alles. Auch wenn er schon mit sechs auf der Bühne war, wurde er konstant besser. Er hat so viele Weltstars geprägt und tut das immer noch, das wird für immer bleiben. „Who Is It“ ist von 1991, also fast 30 Jahre alt, und der Song ist noch immer aktuell, war seiner Zeit weit voraus. Die Beatbox am Ende und die Percussions klingen so anders wie alles andere früher. Für mich ist das nahe der Perfektion.

Jackson hat sich über seine Karriere hinweg musikalisch als auch optisch immer sehr stark verändert. Ist das auch für dich erstrebenswert?
 Optisch nicht, aber musikalisch auf jeden Fall. Das Geile an Musik ist, dass alle immer offener werden für andere Genres. Die zwei Jungs, mit denen ich arbeite, kommen aus dem Hip Hop und ich aus dem Pop und die Kombination macht alles so einzigartig. Wir haben einmal einen „Tatort“-Auftrag bekommen, was für uns totales Neuland darstellte. Da fokussiert man sich noch mehr darauf, alles so gut zu machen, dass andere Leute uns dafür Respekt zollen können. (lacht)

Du bist aktuell 24. Wie bist du vor Jahren schon so extrem jung in diese Branche hineingerutscht?
Ich hatte wirklich viel Glück. Ich habe jeden Tag hart gearbeitet und neue Songs geschrieben. Ich zog vor vier Jahren von Spanien nach Deutschland, war dann eineinhalb Jahre in Köln und übersiedelte dann weiter nach Berlin. Ich wusste, dass ich dort hinmusste, weil meine Jungs dort ansässig waren. Zuerst bin ich mit dem Fernbus gependelt, aber wir haben mir dann eine Wohnung gesucht und ich blieb dort. Vor etwa drei Jahren wusste ich, dass es mit den anderen passt und wir haben dann jeden Tag geschrieben. Zu Sessions wie die mit Mark Forster haben sie mich reingebracht, weil sie schon etwa zehn Jahre im Business sind. Ich wurde ins kalte Wasser geworfen, auch bei Bushido. Gottseidank hat es aber gut geklappt und ich konnte meine Einflüsse immer sehr gut in diese Projekte einbringen. Es war ein guter Schachzug, mich in dieses Wasser zu werfen, weil ich dadurch noch mehr Adrenalin freisetzen konnte.

Du hast aber für irrsinnig viele unterschiedliche Künstler gearbeitet. Robin Schulz, Mark Forster, Helene Fischer oder Bushido – da sind Welten dazwischen. Wie kannst du dich in jedes Genre einleben?
 Man bereitet sich schon auf all die Sachen vor. Ich schreibe nicht irgendwas, sondern stelle mich darauf ein. Mark Forster arbeitet hart und schreibt fast alles selbst und hat natürlich auch seine Einflüsse aus anderen Genres. Ich stelle mich dann auf die Person ein. Bei Lena habe ich mal hingehört, wie sie bislang klang und überlegte, wo sie hingehen könnte. Dann trifft man sich auf einen Kaffee und Croissants, spricht über Gott und die Welt und legt irgendwann mit der Arbeit los.

Du kannst dich also aus der Songschreiber-Perspektive in jede Art von Musik einleben?
Das geht nur, weil ich so viel Spaß daran habe. Es gibt sicher Tausende Menschen, die besseren Schlager schreiben können, aber ich habe Lust dazu und sehe das als schöne Herausforderung. Ich habe einfach Hunger auf diese Arbeit.

Gibt es noch ein Genre, in dem du dich unbedingt austoben möchtest?
Ich habe in letzter Zeit viel Spanisch gemacht und danach hat man immer gute Laune. (lacht) Derzeit arbeite ich aber hauptsächlich für mich selbst und das ist noch lange nicht ausgekostet. Ich habe immer neue Einflüsse für die Musik, die ich selbst machen will und das ist gerade sehr spannend.

Wäre ein Karriereweg wie deiner möglich gewesen, wenn du in Spanien geblieben wärst?
Das glaube ich nicht. Auf Mallorca wäre das nie gegangen, in Spanien selbst eventuell, aber es wäre sicher schwierig gewesen. In Köln stagnierte auch viel, aber in Berlin ging alles. Die Stadt pulsiert, du gehst raus und nach 30 Minuten hast du Ideen und kannst loslegen. Dort lebt die Musikwelt.

Du kennst das Musikgeschäft jetzt im und abseits des Rampenlichts. Befruchten sich diese beiden Bereiche in deiner Karriere aktiv?
Auf jeden Fall. Lena hat mir wirklich sehr viel beigebracht, denn sie hat eine riesige Medienpräsenz und konnte mir da einiges vermitteln. Ich habe mir abgeschaut, wie User auf Postings reagieren oder wie ich etwas machen würde. Sido und Bushido haben auch einen bestimmten Stempel und es ist irrsinnig interessant zu sehen, wie sie damit umgehen. Man kann sehr viel für sich selbst rausziehen.

Bist du als Sänger auf der Bühne total authentisch oder ist das ein eigener Bühnencharakter?
Nein, ich bin absolut und total authentisch. Ich bin meistens gut gelaunt, aber das war ich immer schon und es liegt in meiner Familie. Wir alle sind ein bisschen lauter und extrovertierter. (lacht)

Fiel es dir von Anfang an leicht, auf der Bühne zu entertainen?
Mein Papa war ja der berühmte „Melitta-Mann“ und hatte daher eine klare Präsenz. Nach einer Zeit hat es ihm nicht mehr so gefallen, was mich stutzig machte. Wir waren früher auf Mallorca eine Familien-Band namens „The Welly Family“ und ich habe die Zeit auf der Bühne wirklich genossen. Ich hatte schon immer den Wunsch, diesen Weg weiterzugehen.

Lassen sich die beiden Welten im Vordergrund und im Hintergrund auch leicht vereinbaren?
Ja, aber ich sehe das auch bei anderen. Mark Forster hatte unlängst seinen vielleicht zehnten Hit in Folge und schreibt permanent. Vincent Stein von SDP, mit dem ich ja im Team bin, schreibt auch alles selbst und zudem für unheimlich viele Künstler und macht auch die „Fack Ju Göhte“-Soundtracks. Außerdem hat er eine Band, die 9.000er-Hallen ausverkauft - das sind große Vorbilder für mich. Man sieht, dass diese Leute beides vereinbaren können, also kann ich das auch.

Was war von den vielen Highlights in deiner Karriere der wichtigste Knackpunkt?
Die allerersten Sachen, bei denen ich dabei war, waren mit Shindy und Bushido. Das war wirklich krass, weil ich dort meine ersten Credits hatte. Früh merkte ich aber, dass man auch ohne Label wirklich für Aufmerksamkeit sorgen konnte und von da ging es ziemlich schnell los.

Dein eigener Hit „Rooftop“ ist auch der Titelsong des Films „Hot Dog“ mit Til Schweiger und Matthias Schweighöfer. Welche Verbindung hast du heute zu den beiden?
Ich wollte nach „Keinohrhasen“ immer Musik für Til Schweiger machen, weil ich die Songs von OneRepublic so liebe. Ich habe mich bei der Musikausscheidung für den Film „Vaterfreuden“ angemeldet und ich wurde zweiter, das war vor vier oder fünf Jahren. Dann rief mich Matthias an und ich war ganz hin und weg. Es gab drei Songs zur Auswahl. Einen englischen, einen amerikanischen und meinen und er nahm tatsächlich meinen, weil er ihm gefiel. Es war seine Entscheidung und das fand ich echt cool. Zumal es nach „Vaterfreuden“ nicht klappte, aber bei „Hot Dog“. Wir werden in Zukunft garantiert wieder zusammenarbeiten.

Was ist für dich von Bedeutung, wenn du dich dazu entscheidest, mit oder für einen Musiker zu arbeiten?
Dass man sich auch privat versteht. Das Coole an unserem Team ist, dass sich Arbeit nicht wie Arbeit anfühlt. Man macht Songs, während man Sushi isst. Wir haben die beste Zeit, wenn wir zusammenschreiben. Man trifft sich um 11, redet zwei Stunden nur Quatsch und arbeitet dann wirklich konzentriert und entspannt zusammen. Man muss mit den Musikern harmonieren und wirklich Spaß haben. Das entspannt die ganze Atmosphäre.

Gibt es eine Art von Musik, die du ablehnen würdest oder die für dich nicht vorstellbar ist?
Ich glaube nicht. Ich finde, man muss zumindest alles einmal ausprobieren. Ich glaube zwar nicht, dass ich in Klassik der Beste wäre, aber man müsste es zumindest versuchen und nicht per se ablehnen.

Wie ist die Ausgewogenheit zwischen Talent und Arbeit, wenn man Songschreiber ist?
Ich würde sagen 20 Prozent Talent, 76 Prozent Arbeit, zwei Prozent Glück und wohl auch zwei Prozent Vitamin B. (lacht) Arbeit ist aber das Wichtigste und wirklich essenziell. Es gibt diese Berliner 10.000-Stunden-Studie, die besagt, dass du erst dann wirklich gut in etwas bist, wenn du eben 10.000 Stunden darin verbracht und gearbeitet hast. Das hat sich auch Ed Sheeran zu Herzen genommen und in einem Interview bestätigt. Diese Philosophie finde ich gut, denn im Endeffekt ist es einfach harte Arbeit.

Viele Menschen sagen ja, man könne Kreativität nicht erzwingen. Du bist doch ein lebendes Gegenbeispiel dafür.
Könnte sein. Man muss eine Ader für diese Art von Arbeit haben, aber Einsatzbereitschaft und Wille sind extrem wichtig. Wenn du dich darauf einlässt, kreativ sein zu wollen, fallen dir die Sachen auch eher in den Schoß, als wenn du dich dagegen sperrst.

Was macht einen guten Song für dich aus?
Er muss in verschiedenen Bereichen einsetzbar sein und die Message dahinter ist wichtig. „Rooftop“ ist so ein Song, wo viele nicht wissen, worum es geht, aber sie haben ein Gefühl, das ihnen gute Laune bringt. Das ganze Gewand muss einfach passen und man muss die Menschen mitreißen können.

Was willst du vermitteln, wenn du Songs schreibst?
Das Vermitteln ist die Hauptsache. Viele Songs schreibt man komplett persönlich und ein paar Erlebnisse werde ich bestimmt noch machen. Mein bester Kumpel ist etwa vor zehn Jahren gestorben und für ihn schreibe ich garantiert einen Song. Es muss aber auch Songs geben, die jeder schon mal gefühlt hat und mit denen sich jeder identifizieren kann. Wenn man mit anderen schreibt, tauscht man sich über Themen wie Liebe und Politik so aus, dass man durch die vielen Ansichten von anderen schon sehr weitläufig arbeiten kann.

Wird Politik für dich künftig ein Thema sein, wenn es um deine eigenen Songs geht?
Ich kriege natürlich besonders viel über den spanisch-katalonischen Konflikt mit, weil auch viele Freunde von mir in Barcelona leben. Das richtige Know-How, um wirklich Stellung zu beziehen, das fehlt mir aber. Das würde ich jetzt noch nicht machen.

Persönliche Songs muss du dann auch mal live spielen und natürlich an dein Publikum abgeben. Ist das etwas, dass dir Unbehagen bereitet?
Ich bin mir dessen vollends bewusst. Bei Lenas Song „If I Was Your Daughter“, den wir mit ihr geschrieben haben, war das so persönlich ihrem Papa gegenüber, dass wir das Bewusstsein dafür entwickelten. Sie hatte sich selbst wohl nicht ganz getraut, den Song zu schreiben und ihn uns anvertraut und damit muss man vorsichtig umgehen. Ich nahm mir das sehr zu Herzen.

Wie sieht es bei dir in näherer Zukunft mit weiteren Songs, einem Album oder Touren aus?
Ab April/Mai wird es eine neue Single gehen und im Sommer will ich ein Album herausbringen. Ich schreibe jeden Tag und bin total motiviert. Ich habe jetzt eine Band, will ein paar Festivals spielen und hoffe im Herbst auf eine eigene Tour.

In Zeiten von Spotify müssen Songs nach spätestens 30 Sekunden klicken, um von den Leuten wahrgenommen zu werden. Schreibst du deine Nummern auch bewusst nach diesem System?
Man schreibt nicht nur dafür, aber bei der Produktion muss man diese Sache schon beachten. Das ist aber auch für das Livegeschäft und das Livegefühl wichtig, dass man die Leute nach den ersten Sekunden packt. Manchmal haben aber auch Songs Erfolg, die sich lange aufbauen. Der Chorus bei „Despacito“ kommt erst nach eineinhalb Minuten – es gibt kein wirklich gültiges Rezept dafür.

Angenommen bei der kommenden Fußball-WM stehen sich Spanien und Deutschland im Finale gegenüber – welchem Land wirst du die Daumen drücken?
Dann bin ich für Deutschland. In Spanien würde ich das vielleicht nicht so direkt sagen. (lacht) Ich bin vor allem großer Werder-Bremen-Fan und deshalb ist das für mich mit dem Nationalteam auch klar.

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