Die Grenzen zwischen realen und virtuellen Welten verwischt der Grazer Literaturstar Clemens J. Setz in seinen Büchern auf furiose Weise. In „Bot“ geht er geschickt einem Interview aus dem Weg und lässt eine 2000 Seiten lange Word-Datei für sich antworten. Mit der „Krone“ sprach er über das „Gespräch ohne Autor“.
Manche Menschen faken ihren Tod, um ihrer eigenen Beerdigung beiwohnen zu können. Andere, wie Erich Kästner, konnten ihren Nachruf selbst in der Zeitung lesen, weil die Medien ihren Tod zu früh ausgerufen haben. „Für mich fühlt sich das neue Buch ähnlich an“, erzählt Clemens J. Setz: „Wie ein posthumes Werk, obwohl ich noch lebe“.
Gespräche ohne Autor
„Bot. Gespräche ohne Autor“ nennt sich das Projekt, für das er tausende Seiten persönlicher Aufzeichnungen zur Verfügung gestellt hat. Eigentlich war vom Verlag ein Gesprächsband mit der renommierten Lektorin Angelika Klammer geplant: „Sie hatte ein derartiges Buch mit Hertha Müller gemacht. Nun hat Frau Müller ein reiches und bewegtes Leben. Aber wenn man mich vor die selbe Aufgabe stellt, kommt nicht viel dabei heraus – kurz: das war alles sehr fad, was ich geantwortet habe“, lächelt Setz.
Also was machen? Setz erinnerte sich an die Geschichte findiger Programmierer, die einen Roboter mit allen Texten des US-Autors Philip K. Dick bespielt haben und für ihn sprechen ließen: „Das war keine ausgefeilte künstliche Intelligenz, sondern eine simple Software. Das schien mir als ein guter Ausweg, mein Werk stellvertretend für mich antworten zu lassen.“
Antworten aus der Textfabrik
Als Rohmaterial diente ein 2000 Seiten langes Word-Dokument, das Setz als Tagebuch, Kuriositätensammlung und Textfabrik dient: Aus den Fragen von Angelika Klammer, die Setz als Ko-Autorin nennt, hat er Reizworte gefiltert, die für eine Volltextsuche genutzt wurden: „Der erste Text, den ich zu dem Thema fand, wurde als Antwort genommen. Diese sind teilweise total passend, teilweise völlig beliebig und teilweise wunderbar unpassend.“
Das Resultat ist schräg und sperrig aber auch unterhaltsam und smart – also typisch Setz. Und der steirische Literaturstar schlägt mit diesem Zugang dem oft sehr selbstverliebten Literaturbetrieb ein Schnippchen: „Wenn man als Autor über sich selbst und sein Werk spricht, wirkt das sofort eitel und überzogen staatstragend. Da lasse ich lieber eine Datei für mich sprechen – mit der Souffleuse der Volltextsuche. Und das Resultat gibt mehr über mich preis, als wenn ich einfach Antworten gegeben hätte.“
Setz-Roboter
Dass eines Tages ein Setz-Roboter für ihn übernimmt, kann er sich übrigens durchaus vorstellen: „Aus meiner Sicht, gibt es zwar keinen Ersatz für mich, weil für mich die ganze Welt ja in und aus mir existiert. Aber das, was ich für andere Menschen bin, kann man sicher sehr gut simulieren. Carrie Fisher macht nach ihrem Tod ja auch noch Star Wars-Filme, Prince und Tupac Shakur bringen noch Songs auf den Markt und Verstorbene leben auf ihren Facebook-Seiten weiter.“
Clemens J. Setz, „Bot. Gespräche ohne Autor“ (Suhrkamp, 166 S., 22,60 Euro). Am 6. März liest er daraus im Grazer Literaturhaus.
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