Rüsten für Ernstfall

USA wollen Internet bei Cyber-Attacke ausschalten dürfen

Web
06.10.2009 10:08
Einen Ausschaltknopf fürs Internet gibt es (noch) nicht. In den USA ist jetzt jedoch eine heftige Debatte darüber entbrannt, ob der Präsident nicht die Macht haben sollte, im Fall einer umfassenden Cyber-Attacke den Netzverkehr zu infizierten Webservern abzuklemmen. Entsprechende Überlegungen eines Senatsausschusses sind auf massive Einwände von Unternehmern und Aktivisten für Meinungsfreiheit gestoßen. Die Regierung dürfe keine Kontrolle über das Netz erhalten, protestieren sie. Die Pläne wurden daraufhin überarbeitet. Die Diskussion aber geht weiter.

"Wir müssen uns auf diese digitale Katastrophe vorbereiten", sagt die ehemalige Regierungsberaterin Melissa Hathaway, die sich auf Internet-Sicherheit spezialisiert hat. "Wir brauchen ein System, das Cyberattacken in Lichtgeschwindigkeit erkennt, isoliert und bekämpft."

Die Sorge vor einem Angriff in Dimensionen wie beim Terroranschlag vom 11. September 2001 ist Auslöser für mittlerweile 18 Gesetzesinitiativen im Kongress. Der Ausschuss für Heimatschutz des Repräsentantenhauses berät zurzeit über eine Vorlage, die das gleichnamige Ministerium mit dem Schutz des Stromnetzes wie der staatlichen Datennetze betraut. Im Senat arbeitet der Ausschuss für Handel, Wissenschaft und Verkehr an einem Gesetz, das unter anderem das Amt eines Cyber-Beraters im Weißen Haus mit Kabinettsrang vorsieht.

"Präsident soll Volk schützen"
Eine erste Fassung dieser Vorlage sah eine Kompetenz für den Präsidenten vor, Teile des Netzes abzuschalten. Der zweite Entwurf enthält unverbindlichere Formulierungen. Jetzt soll der Präsident die Befugnis erhalten, "die nationale Antwort auf eine Cyberbedrohung zu leiten". Eine Sprecherin des Senatsausschusses, Jena Longo, betonte, es gehe nicht darum, die Regierung zu ermächtigen, "das Internet zu übernehmen und stillzulegen". Der Präsident habe aber laut Verfassung die Aufgabe, das amerikanische Volk zu schützen und in einer Notsituation zu handeln. Dazu gehöre auch "die Sicherung unserer nationalen Cyber-Infrastruktur vor Angriffen".

Erst vor der eigenen Türe kehren
Die Kritiker der Pläne machen geltend, dass die Regierung bisher nicht bewiesen habe, dass sie das Internet besser sichern könne als die Privatwirtschaft. Erst einmal müsse die Regierung die Sicherheit ihrer eigenen IT-Einrichtungen in Ordnung bringen", sagt Gregory Nojeim vom Center for Democracy and Technology. Die Vorlage des Senatsausschusses stelle den Präsidenten vor überaus schwierige Fragen - "und das ist nicht sehr beruhigend, weil einige Präsidenten diese Fragen auf höchst problematische Weise beantworten werden".

Jeden Monat vier Millionen neu infizierter Rechner
Die Behörden räumen ein, dass ihre Netze jeden Tag mehrere Millionen Mal angegriffen oder zumindest auf mögliche Angriffsstellen gescannt werden. Erst im Juli brachten Angreifer gleichzeitig mehrere Websites der US-Regierung zum Zusammenbruch. Nach einer Studie von McAfee werden jeden Monat bis zu vier Millionen Privatcomputer neu infiziert und zum Teil eines "Botnet" - also eines Verbunds von Rechnern, die fremdgesteuert werden. Bis zu zehn Prozent aller Computer weltweit könnten so ohne Wissen ihrer Besitzer infiziert sein.

"Private Unternehmen können Systeme selbst schützen"
Wenn Angreifer in ein sicherheitsrelevantes Netz eingedrungen sind, empfehlen Experten, das betroffene Teilnetz nicht einfach abzuschalten, sondern zu isolieren und die schädlichen Daten zu filtern. Auch ohne Regierungsmandat seien private Unternehmen bereit und auch in der Lage, ihre Systeme zu schützen, sagt Tom Reilly, Chef der Computersicherheitsfirma ArcSight. Die Regierung sollte sich auf den Schutz ihrer eigenen Infrastruktur konzentrieren und die Aufklärungsarbeit fördern.

Loading...
00:00 / 00:00
Abspielen
Schließen
Aufklappen
Loading...
Vorige 10 Sekunden
Zum Vorigen Wechseln
Abspielen
Zum Nächsten Wechseln
Nächste 10 Sekunden
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spiele
Vorteilswelt