Irgendwann kommen sie alle wieder - ein ungeschriebenes Gesetz im Musikgeschäft. Zu den kommerziell erfolgreichsten Ausprägungen nostalgischer Reunions zählt die Kelly Family, die ihr Comeback-Konzert am 9. März in der Wiener Stadthalle bereits restlos ausverkaufen konnte. Gemeinsam mit Angelo Kelly blicken wir noch einmal auf eine einzigartige Karriere zurück.
Nur wenige Bands haben das Leben unterschiedlichster Generationen Musikliebhaber in Europa so begleitet und geprägt wie die Kelly Family. Sie spielten weltweit als Straßenmusiker, lebten in alten Bussen, einige Jahre gemeinsam auf einem Boot und in einem Schloss und haben sich dabei stets nur in der eigenen, familiären Hemisphäre bewegt. Mehr als 20 Jahre nach ihrer ursprünglichen Gründung und längst mit einer jüngeren Generation an der Bühnenfront, gelang der Hippie-Familie 1994 mit dem Album „Over The Hump“ und Paddy Kellys Single „An Angel“ der große Durchbruch im deutschsprachigen Raum. Bis zum Millennium befanden sich die Kellys auf dem Zenit ihres Erfolgs, verkauften millionenfach Alben, füllten die größten Hallen und sogar Stadien und heimsten eine Auszeichnung nach der anderen ein. In einer musikalischen Welt voller Pseudocoolness und Unerreichbarkeit erschuf die nach innen ganz und gar nicht friedlich agierende Familie ein angenehm-unschuldiges Gefühl von Zeitlosigkeit und Geborgenheit.
Private Niederschläge
Als der Vater und Familienpatriarch Daniel Kelly 2002 im Alter von 71 an den Folgen einer Hirnblutung verstarb, brach auch die Familie zusehends auseinander. Erst jetzt schwappten die Spätfolgen der unglaublichen Popularität an die Oberfläche. Paddy Kelly war einem Selbstmord nahe und zog für sechs Jahre in ein französisches Kloster, Jimmy Kelly wurde drogensüchtig und unternahm gleich mehrere Suizidversuche, Patricia erkrankte schon davor an einer Rückenmarksentzündung, die zu temporären Lähmungserscheinungen führte. Immer wieder betonen einzelne Mitglieder in Interviews, dass die Band den Hype nur überlebt habe, weil man trotz aller Widrigkeiten stets als Familie zusammenhielt und jedem Druck von außen geballt trotzte.
Angelo Kelly blickt im Gespräch mit der „Krone“ auf diese Zeit zurück. „Ich hatte eine absolut tolle Kindheit, aber dann kam der Durchbruch in meiner Jugend. Diese Zeit war ein einziger Rausch. Wir haben zum Beispiel in Wien auf der Donauinsel vor 250.000 Menschen gespielt – unser größtes Konzert aller Zeiten.“ Doch wo Erfolg, dort auch Neid und Missgunst. Keine andere Band musste in hiesigen Breitengraden durch derart dichten medialen Dreck waten, der Boulevard zerriss die teilweise noch minderjährigen Bandmitglieder oft unbarmherzig unter der Gürtellinie. Man stieß sich an der extravaganten Optik und dem alternativen, so gar nicht zur kapitalistischen Gegenwart passenden Lebensstil. „Ich habe es damals schlichtweg nicht verstanden. Ich fragte mich immer, warum Leute schlecht über uns schreiben, die noch nicht mal unsere Platten hörten oder unsere Konzerte besuchten. Unser Vater und wir waren auf diesen Erfolg nicht vorbereitet, wir konnten nicht gut genug damit umgehen. Zu viel Erfolg verursacht leider immer auch Hass.“
Ausverkauftes Comeback
Die Individualisierung der einzelnen Bandmitglieder half den Kellys, aus dem Hippie-Dogma zu finden und eigene Identitäten zu entdecken. Umso überraschender war dann Angelos Vorstoß im November 2016, wo er in einer Fernsehsendung bekannt gab, dass die Kelly Family im Frühling 2017 eine exklusive Show in ihrer musikalischen Heimat, der Dortmunder Westfalenhalle, geben würde. Nach 18 Minuten war das Konzert ausverkauft, wenig später auch die beiden Zusatztermine. Kurz darauf wurde eine komplette Tour angekündigt, die das um Paddy und Maite verminderte Geschwisterkollektiv nun auch in die Wiener Stadthalle führt. „Dass die Konzerte so schnell ausverkauft waren, das hat uns umgehauen. Erst da haben wir begriffen, wie wichtig wir und unsere Musik für viele Menschen eigentlich ist.“
Den Grund für die wiederaufgekommene, immense Popularität sieht Angelo Kelly in der Nostalgie verortet. „Wir haben offenbar den richtigen Moment erwischt. Unser Publikum war schon immer sehr breitgefächert, aber ein großer Kern war damals zwischen 10 und 18 Jahre alt. Anfang des Jahrtausends wurden diese Menschen langsam erwachsen. Du schämst dich dann für deine Eltern, deine Kindheit und die Musik, die du gehört hast. Jetzt sind diese Leute aber zwischen 30 und 40, haben fixe Jobs und oft auch Familien. Sie sind im Leben angekommen. Wenn sie also Musik aus ihrer Jugend hören, können sie sich für ein paar schöne Momente in diese unbeschwerte Zeit zurücktransferieren. Wir haben damals die Jugend der Leute geprägt und sie unsere Karriere – und all das bringt uns heute wieder zusammen.“
Türen stehen offen
Den kleinen Wermutstropfen, dass eben nicht die komplette klassische Besetzung der Kelly Family auf Tour ist, müssen die Fans verkraften. „Jeder hat mittlerweile seine eigene Karriere und musste viele Kompromisse eingehen, damit das überhaupt funktioniert. Es gab zwei Jahre lang intensive Gespräche, jeder von uns hatte die letzten 15 Jahre berufliche, finanzielle und private Aufs und Abs. Paddy und Maite hatten einfach nicht dasselbe Verlangen nach diesem Comeback wie wir anderen. Jeder müsste für die Kelly Family zurückstecken – aber nicht jeder will es. Die Türen stehen ihnen aber immer offen, falls sie doch wieder einen Teil des Weges mit uns gehen wollen.“
Der Erfolg der Kelly Family übertraf intern und extern sämtliche Erwartungen. Nahezu alle Shows der großen Comebacktour waren und sind restlos ausverkauft, so auch jene in Wien. Mit der dazugewonnenen Reife und einer wesentlich entspannteren Sicht auf die Dinge, lässt sich auch die Popularität besser einordnen als früher. „Ich kenne Künstler, die waren in ihrem Leben zwei- oder dreimal erfolgreich, haben dazwischen immer wieder mal alles verloren. Sie waren in den tiefen Momenten menschlich und in den erfolgreichen arrogant. Dann gibt es aber Typen wie Eric Clapton, die in jeder Phase ihres Erfolgs total bodenständig geblieben sind. Wir wissen von uns jedenfalls, dass wir ein sehr gesundes Verhältnis zum Erfolg haben und gut wissen, vorsichtig und mit Bedacht damit umzugehen.“
Zusammengerauft
Wie die meisten anderen in der Familie ist Angelo längst selbst Vater – in seinem Fall von fünf Kindern. Durch all die Erfahrungen konnte er seinem Nachwuchs vieles davon mitgeben, was ihm selbst verwehrt blieb. „Ich habe alles gesehen und erlebt und achte daher bewusst darauf, meinen eigenen Kindern nicht zu viel aufzubürden. Sie sollen keinesfalls das Gefühl kriegen, immer mit dem Papa auf Tour sein zu müssen, um für den Unterhalt der Familie zu sorgen. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu meiner eigenen Kindheit.“ Um nicht völlig „nackt“ auf große Wiedersehenstour zu gehen, veröffentlichten die Kellys letztes Jahr mit „We Got Love“ ein Album mit fünf Songs und den größten Hits ihrer beeindruckenden Karriere. „Bei uns herrscht nicht immer Friede, Freude, Eierkuchen. Wie in jeder Familie gibt es auch viel Streit und Diskussionsmaterial. Das Album trägt aber auch deshalb den Titel, weil eine gehörige Portion Liebe nötig war, um dieses Projekt zu ermöglichen. Prinzipiell ist dieses Album der Soundtrack unseres Lebens und die neuen Songs sind wie Bonbons, die sich gut eingefügt haben.“
Bleibt abschließend natürlich nur noch die Frage, ob man künftig auch mit einem richtigen neuen Studioalbum rechnen darf? „Ganz ehrlich? Keine Ahnung. Wir sind bis Sommer mit den Konzerten sehr dicht ausgebucht und werden erst nach all diesen Auftritten entscheiden, ob und wie es weitergeht. Schon jetzt müssen wir alle unsere eigenen Projekte stark zurückstellen und das wird sicher kein Dauerzustand sein. Ich denke, dass nach dieser intensiven Tour wieder jeder für sich arbeitet, aber es wäre tatsächlich interessant zu sehen, ob wir 2019 oder 2020 wieder etwas machen können. Andererseits kann es auch sein, dass wir uns nach dieser Tour so aufgerieben haben, dass wir uns überhaupt nicht mehr sehen wollen.“ Nichts Genaues weiß man nicht.
Kellys in Österreich
Für die Kelly Familiy am 9. März in der Wiener Stadthalle gibt es absolut keine Karten mehr. Im Sommer gibt es aber noch einen Nachschlag. Am 6. Juli am Dornbirner Messegelände und am 7. Juli im Messezentrum Salzburg. Der nicht in der Band befindliche Michael Patrick „Paddy“ Kelly spielt am 10. Mai im Wiener Gasometer und am 9. September auf den Grazer Kasematten am Schlossberg. Außerdem kehrt Angelo Kelly samt Familie für die „Irish Christmas“-Show am 14. Dezember in die Wiener Stadthalle zurück. Karten dafür gibt es unter 01/588 85-100 oder unter www.ticketkrone.at.
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