Thomas Tscherne aus Bad Gastein kämpft für den Lebensraum und die Futterstelle. „Krone“- Gespräch über Ethik und seinen Bart, der parallel mit dem Vertrauen der Tiere wuchs.
Für die Tiere muss er wie ein Phantom aus einer anderen Welt erschienen sein: Drei lange Jahre beobachteten sie ihn, wie er die Futterstelle füllte. Erst in der tiefen Nacht trauten sie sich aus dem Wald ins Freie. Im vierten Jahr setzte er sich auf den kalten Boden. Stundenlang verharrte er in der Stellung und führte laute Selbstgespräche. Im fünften Jahr kamen die Hirsche heran und Thomas Tscherne (49) wusste: Er ist für sie jetzt berechenbar geworden.
Wie zutraulich das Wild in diesem tiefen Winter ist, beweisen die fantastischen Fotos von Thomas Kirchmeier. Seit 23 Jahren ist Tscherne Pächter der Jagd im Angertal, zu der die 1100 Hektar von der Gadauner Hochalm hinzu gehören.
Die Lebensräume der Tiere sind enger geworden, erklärt er uns. Früher wanderten sie vom Gasteinertal bis in die Gegend des Chiemsees. Nun sind seine 150 Schützlinge im Sommer nach Böckstein, Rauris, über den Stubnerkogel und die Schlossalm unterwegs.
Jeden Tag um neun ist er da, weil es so kalt ist, auch nachmittags um drei.
80 Prozent der Hirschkühe sind trächtig, im Mai und Juni werden sie Kälber auf die Welt bringen. Zum Vergleich: Ein Rothirsch wiegt 200 Kilo, ein Reh etwa um die 25.
Das Heu-Futter muss von bester Qualität sein, denn sonst verweigern sie und fressen die Rinde von den Fichten.
Damit sind wir im Mittelpunkt des Problems: Die Bundesforste, so sagt der Hirschflüsterer, seien sehr gewinnorientiert. Rotwild sei für sie ein Hindernis, denn der Wald sei als Zuchtstätte für Bäume angelegt. Es gab massiven Druck, die Futterstelle aufzulassen.
Der Gasteiner vergleicht es mit den großen Landwirtschaften, die Gifte auf den Acker streuen . . .
Doch die Fütterung existiert bei der 1750 Meter hoch gelegenen Gadauner Alm seit 50 Jahren. 14 Jahre lang ist Thomas Tscherne, der als Berufspilot in Kanada gearbeitet hat, mit dem Heli geflogen, dann errichtete er den Weg zur Alm auf Eigenkosten. Sein großes Argument: Die 150 Tiere verteilten sich im Sommer ja auf zehn Jagdgebiete, und so sei der Bestand konstant.
Die Jagd? Sie sei ein Moment der Demut, des Respekts und der Ehrfurcht, ethisch begründet im Zyklus der Natur. Er selbst trage eine Hirschlederhose, es sei wie eine unsichtbare Verbindung mit dem geschossenen Tier.
Sein prächtiger Bart wuchs, so meint er, mit dem Vertrauen der Hirsche und so müsse er keinen Schal tragen.
„Hirsche herbei“ ruft er und „Wo seid’s ihr denn?“ Dann kommen sie. Einer nach dem anderen.
Hans Peter Hasenöhrl
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