Es mag noch ein langer Weg sein bis zum serienreifen Quantencomputer und zum Quanteninternet, aber die Quantenphysik bewegt sich Schritt für Schritt von der reinen Grundlagenforschung hin zu den ersten Anwendungen. Maßgeblich an diesen Entwicklungen beteiligt war und ist Anton Zeilinger, der anlässlich eines Vortrags am Institute of Science and Technology Austria am Dienstag keine Zweifel an der maßgeblichen künftigen Rolle der Quanten in der Informationstechnologie lässt: „Ich bin persönlich überzeugt, dass eines Tages die gesamte Informationsverarbeitung auf Quanten basieren wird - auch die Kommunikation.“
Im Lauf der Jahre hat Zeilinger immer wieder mit spektakulären Quantenerkenntnissen und -experimenten aufhorchen lassen - von der 1997 erstmals beschriebenen Teleportation eines Teilchens (später salopp „Beamen“ genannt) bis hin zum Senden verschränkter Photonen zwischen zwei kanarischen Inseln über die damalige Rekorddistanz (2009) von 143 Kilometern. Längere Strecken sind auf der Erde aufgrund der Störungen der Atmosphäre nicht möglich, weshalb die Forscher ihre Experimente ins Weltall verlagerten.
Nachdem chinesische Forscher 2016 den ersten Quantenkommunikationssatelliten „Micius“ ins All geschossen hatten, gelang in Kooperation mit den österreichischen Physikern der Nachweis, dass absolut abhörsichere Quantenkommunikation über 7600 Kilometer möglich ist. Im September 2017 erfolgte über diesen Satelliten und Bodenstationen in Österreich und China ein quantenverschlüsseltes Videotelefonat des Präsidenten der Österreichischen Akademie der Wissenschaften mit seinem chinesischen Amtskollegen Chunli Bai zwischen Wien und Peking. Für das Experiment machten sich die Wissenschaftler quantenphysikalische Phänomene zunutze, um einzelne Photonen mit einer zufälligen, nicht vorhersehbaren Schwingungsrichtung am Satelliten zu erzeugen und zu Bodenstationen zu senden.
Kinderspielzeug mit Quanten
Hinter all dem steckt im Grunde die sogenannte Verschränkung. Bei diesem von Albert Einstein als „spukhafte Fernwirkung“ bezeichneten Phänomen bleiben mindestens zwei Teilchen bzw. Quantensysteme über beliebige Distanzen miteinander verbunden. Was immer man mit einem tut, beeinflusst augenblicklich auch den Zustand des anderen. Zeilinger hat aus dieser scheinbaren wissenschaftlichen Kuriosität ein mächtiges Werkzeug gemacht - nicht nur für die Grundlagenforschung, sondern auch für Anwendungen. Dass Massenanwendungen kommen, daran glaubt der Physiker fest. Entsprechende, vielleicht noch nicht ganz ernst gemeinte Ratschläge ergehen bereits an Zeilingers Studenten: „Fangt an darüber nachzudenken, welche Kinderspielzeuge man damit bauen könnte.“
Bis aber die ersten serienreifen Quantencomputer oder ein daran angeschlossenes Quanteninternet die Welt der Informationsverarbeitung auf den Kopf stellen, werde es noch lange dauern. Das dritte große Thema, das man nicht vergessen dürfe, sind für Zeilinger Quantensensoren: „Es gibt Dinge, die man mit Quantensensoren genauer messen kann als mit klassischen Sensoren. Man kann zum Beispiel bei Mikroskopen eine bessere Auflösung bekommen oder den Abstand zwischen zwei Gegenständen genauer messen.“
Die Verschränkung könne man mathematisch hervorragend beschreiben. Die Frage sei viel mehr, was die Phänomene bedeuten. „Entweder müssen wir unsere Vorstellungen von Raum und Zeit aufgeben, oder unserer Vorstellungen von der Wirklichkeit“, zitierte Zeilinger den US-amerikanischen Physiker und Wissenschaftsphilosophen Abner Shimony. „Ich glaube, man muss beides aufgeben. Ich glaube, dass Raum und Zeit nicht von vornherein gegeben sind, sondern irgendwie durch die Beobachtung entstehen.“
„Wir bellen den falschen Baum an“
Die Phänomene der Quantenphysik lassen sich mit der klassischen Physik nicht erklären. An einem Erklärungsversuch oder einer einheitlichen Theorie beißen sich die intelligentesten Köpfe seit Jahrzehnten die Zähne aus. Das liege vielleicht daran, dass man einfach am falschen Ort oder mit falschen Denkansätzen suche. In Anlehnung an eine amerikanische Redensart vermutet Zeilinger: „Wir stehen vor einem Baum und bellen, aber in Wirklichkeit ist die Katze auf einem ganz anderen Baum.“
Die Zukunft gehört jedenfalls der Quantenphysik und ihren Antworten, ist Zeilinger überzeugt: „Wenn man sich die Leitwissenschaften von früher anschaut, das war einmal die Mechanik, dann die Elektrizität, dann war es die Atomphysik. Heute sind es die Informationswissenschaften. Das wird doch nicht der letzte Schritt sein?“
Zwei Dinge würde der vielfach ausgezeichnete Wissenschaftler gerne noch miterleben: „Ich würde schon noch gerne sehen, wie das Quanteninternet so richtig abhebt. Und, dass es jemandem gelingt herauszufinden, was wirklich dahintersteckt (hinter den Phänomenen der Quantenphysik; Anm.). Aber dafür bin ich wahrscheinlich zu alt.“
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