Nikolina Žunec und Bertram Schrettl sind Künstler und sie sind Türöffner. Mit ihrer Facebook-Seite „Humans of Innsbruck“ gewähren sie Menschen Einblicke in fremde Lebenswelten und Geschichten.
Täglich begegnen wir hunderten Menschen. Huschen an ihnen vorbei und nehmen im Stress des Alltags kaum etwas davon wahr. Die Gesellschaft wird zu einer großen, anonymen Masse. Seit Kurzem aber entfremden zwei Menschen diese Masse – picken Individuen heraus, stellen sie auf ihrer Facebook-Seite vor. Damit stellen sie Kontakt her, den es sonst nicht geben würde.
Von New York bis nach Tirol
Die Idee hinter dem Projekt ist nicht neu. Schon im Jahr 2010 hat der Fotograph Brandon Stanton begonnen, die Bürger von New York zu porträtieren. Auf einer Facebook-Seite veröffentlichte er ein Foto und ein paar kurze Sätze zur Person. Die Resonanz war riesig, die Bewegung breitete sich über den ganzen Globus aus – bis nach Innsbruck.
Bertram Schrettl und Nikolina Žunec haben die Tiroler Version der Seite eingerichtet und losgelegt: „Wir dachten uns, die Menschen würden auf Distanz gehen, wenn sie von zwei Fremden auf der Straße angesprochen und nach ihrer Geschichte gefragt werden. Aber dem ist gar nicht so“, erzählt Bertram. Im Gegenteil: „Die Menschen freuen sich, dass sie gefragt werden, wie es ihnen geht!“
Hilfsangebote von überall
Die Antwort auf die Frage posten die beiden Künstler samt Foto, aber ohne Namen auf der Facebook-Seite „Humans of Innsbruck“ – und jetzt kommt der aufregende Teil: „Es entstehen so viele interessante Diskussionen unter den Bildern. Menschen fangen plötzlich an miteinander zu sprechen.“ So etwa bei einem Posting über eine junge obdachlose Frau. „Wir haben das Bild gepostet und kurze Zeit später sind die Kommentare quasi explodiert“, erzählt Nikolina. „Hilfsangebote kamen von überall her. Von Job- bis Wohnungsangeboten war alles dabei.“
Wenig negative Kommentare
Das spannende dabei: Viele dieser kommentierenden Menschen sind schon an der jungen Frau vorbeigegangen, haben sich aber nie getraut, sie anzusprechen. Durch die kurze Geschichte über dem Foto wurde ein Gespräch eröffnet, das es sonst nicht gegeben hätte. „Natürlich gibt es auch negative Kommentare, aber die sind eindeutig in der Unterzahl“, erzählen die Betreiber der Facebook-Seite.
Selbsterfahrung
Für manche Angesprochene ist es oft auch Selbsterfahrung, wie die beiden Künstler erzählen: „Wir stellen immer dieselben Fragen, ’wie geht es dir und was beschäftigt dich?’ – viele wissen gar nicht, was sie sagen sollen, weil sie sich diese Fragen schon so lange selbst nicht mehr gestellt haben.“ Manchmal kommt es dann vor, dass sich Leute Tage später melden und sagen: „Jetzt weiß ich, was ich eigentlich zu erzählen habe.“
In Kontakt treten
Dass es der Gesellschaft offenbar ein Bedürfnis ist, miteinander in Kontakt zu treten, sieht man am großen Erfolg der eigentlich simplen Idee: „In weniger als zwei Monaten haben über 3000 Menschen begonnen uns zu folgen“, erzählen die beiden.
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