Lautlos durchs ärgste Gelände kraxeln, nur die Räder schmatzen im saftigen Gatsch. Kein Motorgeräusch, keine Abgase, umweltfreundlich offroad gewissermaßen: Land Rover hat den Range Rover, das Luxus-Schiff der Marke, überarbeitet und bietet ihn künftig auch als Plug-in-Hybrid an. 404 PS Systemleistung und 640 Nm Systemdrehmoment versprechen Fahrspaß, elektrisch betrachtet ist es (offiziell) nach akzeptablen 51 Kilometern mit der Range over.
Wir durchwühlen nicht irgendeinen Boden, sondern den im Schlosspark von Blenheim Palace, dem Anwesen des Duke of Marlborough, dessen Urahn dereinst, im Jahr 1704, eine Armee aus Bayern und Franzosen (und damit auch den Sonnenkönig Ludwig XIV.) besiegt und an ihrem Marsch auf Wien sowie ihren Eroberungszug durch Europa gehindert hat. Das Anwesen gab‘s von Queen Anne als Belohnung.
Die Belohnung für Menschen, die den Range Rover P400e kaufen, kommt hingegen vom österreichischen Fiskus: Wegen NoVA-Befreiung ist er ausstattungsbereinigt der günstigste Vertreter dieser höchst luxuriösen Baureihe, obwohl er sogar (minimal) bessere Fahrleistungen bietet als der 4,4-Liter-V8-Diesel (6,8 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h, Vmax 220 km/h). Die Preisliste nennt (jeweils in Voque-Ausstattung) 119.700 Euro als Basispreis für den P400e, 143.300 für den 339-PS-Selbstzünder.
Natürlich stellen sich ein paar Grundsatzfragen: Passt ein Vierzylinder zu einem Range Rover? Kann ein Fast-2,5-Tonnen-SUV umweltfreundlich sein? Will man sein Auto wirklich für ein paar Kilometer elektrische Reichweite jeden Tag (vielleicht sogar mehrmals) an die Steckdose hängen? Ist der Preisvorteil durch den Wegfall der NoVA ein Kaufargument in Kreisen, wo Autos grundsätzlich sechsstellig kosten?
Kräftiger, unauffälliger Antrieb mit Elektrounterstützung
Die gute Nachricht: Weil er akustisch hervorragend weggedämmt ist, stört der Zweiliter-Vierzylinder-Benziner nicht. Aber der 300-PS-Aluminiummotor aus Jaguars Ingenium-Reihe kann auch keinen Wohlfühlsound bieten wie ein Sechs- oder Achtzylinder. Das Fahrerlebnis ist jedoch standesgemäß, dank des 85 kW/116 PS starken Elektromotors, der direkt im Achtgang-Automatikgetriebe sitzt.
Der Motor wird gespeist von einem 13,1 kWh großen Akku, der unter dem Kofferraum liegt und dessen Volumen um 100 auf gut 800 Liter verringert. Geladen wird er durch Bremsenergierückgewinnung oder über die gut versteckte Ladebuchse hinter dem Kühlergrill. Das dauert an einer 32-Ampere-Wallbox zwei Stunden und 45 Minuten, zu Hause an der einfachen Steckdose sind es siebeneinhalb Stunden.
Per Druck auf die EV-Taste kann man den elektrischen Modus aktivieren(wichtig, wenn man in etwaige Umweltzonen fahren möchte). Das verhindert den Einsatz des Verbrenners und erlaubt bis zu 137 km/h. Wer so weiter als rund 25 Kilometer fahren möchte, muss sich jedoch sehr zurückhalten.
Ansonsten fährt man mit einem Zusammenspiel aus E- und Benzinmotor; hat man ein Ziel ins Navi eingegeben, wird der Motormix auf das Streckenprofil hin optimiert. Zudem ist es möglich, mit „Save“ den Ladezustand zu erhalten. Einen speziellen Modus, in dem man mit dem Benzinmotor die Batterien vollladen kann, gibt es nicht. Das würde der umweltfreundlichen Ausrichtung des Hybridantriebs zuwiderlaufen, sagt Land-Rover-Chefingenieur Lynfel Owen.
Der König der Offroader
Alle Offroad-Fähigkeiten, die man vom Range Rover kennt, bleiben erhalten, also Allradantrieb, automatische Längs- und Quersperre sowie Untersetzungsgetriebe. Das Luftfahrwerk, das für eine Bodenfreiheit von bis zu 30 Zentimetern und eine Wattiefe von 90 Zentimetern sorgt, ist serienmäßig. Wer nicht gerade einen eigenen Schloss- oder Offroadpark sein Eigen nennt, weiß zumindest, er könnte, wenn er wollte. Ernsthafter ist keines der großen, eleganten SUVs.
Nicht nur der Motor ist neu
Der Bildschirm, auf dem wir den Energiefluss im Auto oder auch den Einsatz der Differenzialsperren beobachten, gehört zum neuen Navitainment-System „Touch Pro Duo“, das wir bereits aus dem neu eingeführten Range Rover Velar kennen. Es kombiniert zwei Touchcreens und zwei flexibel belegbare Drehregler, was sehr gut aussieht und den Umständen entsprechend gut zu bedienen ist, wenn man sich daran gewöhnt hat. Neu sind auch die Bedienelemente am Lenkrad und die Möglichkeit, die Abstandsregelfunktion des Radartempomaten zu deaktivieren.
Eine wirklich nette Spielerei ist die Gestensteuerung des Sonnenrollos: ein Wisch vor dem Rückspiegel mit der Hand nach hinten und es fährt nach hinten - ein Wisch nach vorn und es verdeckt das Glaspanoramadach wieder. Es ist die einzige Geste, die der Rangy beherrscht, und das ist gut so.
Umweltfreundlich?
Wer zu Hause eine Solaranlage betreibt, darüber die Akkus lädt und nur so weit fährt, wie die Batterien reichen, der ist sicherlich umweltfreundlich unterwegs. Aber eigentlich ist ein ohne Fahrer gut 2,4 Tonnen schweres SUV nicht umweltfreundlich (das gilt auch für den Tesla Model X). Die Masse muss bewegt werden und selbst Ökostrom kann man auch für etwas anderes verwenden.
Ob jemand Umweltfreund genug ist, seinen Range Rover für 20, 25 Kilometer elektrische Reichweite jedes Mal anzustecken, muss jeder für sich selbst entscheiden.
Der offizielle Verbrauch beträgt nach der NEFZ-Norm für Hybridfahrzeuge 2,8 l/100 km. Im wahren Leben wird, wenn der Akku leer gefahren ist, unter zehn Liter nicht viel gehen. Immerhin: Der Benzintank fasst die vollen 90 Liter. Andere Hersteller legen den Tank ihrer Plug-in-Hybriden teilweise extrem klein aus, was zulasten der realen Reichweite geht.
Unterm Strich
Je mehr man ausgibt, desto mehr spart man, denn die Normverbrauchsabgabe wird ja auch für Sonderausstattung berechnet. Die längste Nase zeigt dem Fiskus also derjenige, der den Range Rover P400e in der Ausstattungsvariante SVAutobiography mit langem Radstand (200.400 Euro) bestellt und dann vielleicht noch die Optionsliste ausschöpft. Zum Vergleich: Der V8-Diesel liegt da bereits 41.000 Euro drüber.
Spielerei. Wer sparen muss, wird tendenziell keinen Range Rover kaufen. Auch arme Adelige nicht. Aber teilweise lautlos Range Rover fahren ist schon ganz nett. Man merkt nur beim Anfahren ein leichtes Rucken, sonst verhält sich der P400e wie seine unelektrischen Brüder. Das bedeutet: vor allem auf höchstem Niveau - auch wenn er zum Einsteigen freundlicherweise fünf Zentimeter in die Knie geht. Das hat er sich wohl von den Bediensteten im Schloss abgeschaut.
Warum?
Immenser Preisvorteil
Mehr E-Reichweite als einige Konkurrenten
Warum nicht?
Adäquater Motorsound fehlt
Oder vielleicht …
… doch den stärksten Range Rover nehmen? 5.0-Liter-V8-Benziner mit Kompressor, 565 PS, ausschließlich als SVBiography Dynamic ab 224.300 Euro
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.