Die „Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung“ waren Thema bei einem Gespräch, das ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz beim Boao-Forum auf der Tropeninsel Hainan mit Jack Ma, dem Gründer und Chef des chinesischen Internethandelsriesen Alibaba, führte. Beim Internethandel von China nach Europa gibt es aber auch heikle Themen, etwa den Verdacht des Steuerbetrugs.
„Wir haben 560 Millionen Pakete, die 2017 von China nach Österreich online verkauft wurden“, erklärte der Bundeskanzler. Bis zu 97 Prozent davon sollen laut einer Studie mit einem Wert von unter 22 Euro angegeben worden sein. Das sei der Betrag, ab dem Mehrwertsteuer anfalle, so Kurz. Daher gebe es die dringende Notwendigkeit einer stärkeren Kontrolle.
„Weil wenn die überwiegende Mehrzahl der Pakete mit unter 22 Euro deklariert ist, dann ist das grundsätzlich einmal ein Grund da genauer hinzusehen. Denn je größer die Zahl an Pakete ist, desto größer ist auch die potenziell abzugebende Mehrwertsteuer.“ Die entsprechenden Überprüfungen zu verstärken, sei eine gesamteuropäische Aufgabe, erklärte der ÖVP-Chef. Ganz generell trete er bezüglich dieser Steuerfrage für eine gemeinsame Lösung ein. Sonst müsse sich Österreich selbst etwas einfallen lassen.
Kurz für Besteuerung von Internetriesen
Die zweite Frage bei der Besteuerung sei folgende: „Wie geht man mit Internetgiganten um?“ Da gibt es seit neuestem einen Vorschlag der EU-Kommission, dass diese mit drei Prozent ihres Umsatzes zu besteuern sind. „Das ist etwas, was wir stark unterstützen. Ziel muss natürlich mittelfristig die Besteuerung anhand der digitalen Betriebsstätte sein, aber so lange es dieses Modell nicht gibt, ist es sinnvoll, auf diese Art der Besteuerung zu setzen.“
Es gebe da noch den Widerstand einiger Staaten, sagte der Kanzler, nannte Malta, Luxemburg und Irland und zog daraus seinen eigenen Schluss: „Es ist in der Flüchtlingsfrage oft von Solidarität die Rede gewesen in der Europäischen Union. Aber Solidarität kann man nicht nur im Umgang mit Flüchtlingen leben, sondern auch in Steuerfragen.“ Da sei er einer Meinung mit dem niederländischen Regierungschef Mark Rutte, mit dem er beim Boao-Forum zusammengetroffen war.
Kurz sehr beeindruckt vom Alibaba-Chef
Alibaba dränge durchaus auch nach Europa, erklärte Kurz, der sich von Ma sehr beeindruckt zeigte. Schließlich kommt dieser aus einfachsten Verhältnissen, sein Konzern ist dem weltweiten Marktführer Amazon aber bereits auf den Fersen. „Alibaba wächst und hat unzählige Ideen, wie sie weiter wachsen können“.
Zum Beispiel in Europa. Ein Auslieferungslager sei wahrscheinlich für Bulgarien geplant. „Aber wir haben jetzt schon 560 Millionen Pakete pro Jahr in Europa und spüren es gar nicht.“ Im Gegensatz zu Amazon kooperiert Alibaba weniger mit Großkonzernen, sondern viel mit klein- und mittelständischen Betrieben. Nicht zuletzt deshalb, weil diese in China noch stärker vertreten sind.
Kritik am Datenschutz bei Alibaba
Kritiker bemängeln freilich, dass beispielsweise über Bezahl-Apps von Chinas Internetriesen Alibaba viele persönliche Daten an die Behörden weitergereicht würden. Diese werden dann etwa für das in der Testphase befindliche „Sozialkreditsystem“ verwendet, nach dem das Verhalten der Bürger überprüft, bewertet und in Folge von den Behörden belohnt oder bestraft wird.
Internethandel verändere den Arbeitsmarkt, sprach Kurz gegenüber österreichischen Journalisten am Montagabend in Boao aber eher allgemeine Themen an. „Wir haben in Österreich derzeit ein Handelsvolumen, also Einkäufe, von rund 70 Milliarden Euro pro Jahr. Derzeit macht der Onlinehandel in Österreich zehn Prozent aus. Er boomt aber, die Wachstumsrate liegt international bei 30 Prozent.“
„Durch die Veränderungen im Handel fallen Arbeitsplätze weg.“ Allerdings würden durch diese neue Art des Handels wieder neue Jobs entstehen. „Vor allem in technischen Berufen, im IT-Bereich. Das ist auch der Bereich, in dem es die meisten offenen Stellen im Lehrbereich gibt. Und auch in ganz Europa.“ Folglich müsse man in diesem Bereich sowie in Forschung und Entwicklung investieren. „Wir wollen dieses Thema als einen unserer Schwerpunkte auf die Agenda des österreichischen EU-Vorsitzes bringen.“
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