Neapel ist eine lebendige Metropole mit einer spannenden Vergangenheit und einem überaus interessanten Umland.
Capri, Ischia, die weltberühmten antiken Städte Herculaneum sowie Pompeji und natürlich die Amalfitana gelten als traumhafte Touristenziele, Neapel ist oft nur der Ausgangspunkt, um diese zu erreichen. Das ist schade, denn die Hafenstadt im Schatten des Vesuvs hat viel Geschichte und die architektonischen Zeugnisse verschiedener Epochen zu bieten.
So sitzen wir Freitagabend gemütlich in einem schönen Ristorante nur wenige Minuten Fußmarsch von der eleganten Galleria Umberto I, in der auch unser Hotel situiert ist. Der von einer gläsernen 57 Meter hohen Kuppel bekrönte Bau entstand 1887-1891 und ist einer der großen Eisen-Glas-Einkaufspaläste des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Unsere Restaurantwahl war goldrichtig; die Kellner aufmerksam, die Speisekarte umfangreich. Natürlich gibt es auch Pizza. Eine Pizza, die heutigen Vorstellungen entspricht, soll erstmals am 11. Juni 1889 in Neapel vom Pizzaiolo Raffaele Esposito von der Pizzeria Brandi hergestellt worden sein, der beauftragt worden sein soll, König Umberto I. und seiner Frau Margherita eine Pizza zu servieren. Zumindest hat der Pizzabäcker eine Quittung darüber aufgehoben.
Die Pizza ist übrigens genauso köstlich wie die Vorspeisen und die Pasta, die wir testen. Sechs Euro zahlen wir für eine Pizza Margherita, während in der Pizzeria Brandi, in die wir am Sonntag noch zufällig geraten, 7,50 Euro verlangt werden; aber hier soll schließlich, wie die Legende sagt, die Pizza erfunden worden sein und auch Prominente wie Berlusconi zähl(t)en zu den Gästen. 2017 wurde die neapolitanische Kunst des Pizzabackens („Pizzaiuolo“) von der UNESCO in die repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen.
In drei Reiseführern, die ich im Vorfeld zu Rate gezogen habe, wird als einer der Höhepunkte Neapels die Reggia di Caserta angeführt. Das Schloss, das sehr an Versailles erinnert, ist UNESCO-Welterbe, liegt aber ein wenig außerhalb. Kein Problem, mit dem Zug kommt man bequem hin und steigt direkt vor der imposanten Anlage aus.
Beeindruckend, was der Architekt Luigi Vanvitelli hier geschaffen hat. Das neben dem spanischen Escorial und dem französischen Versailles größte Schloss des europäischen Absolutismus verblüfft bis heute mit seinen Dimensionen: 44.300 Quadratmeter Fläche, wovon 16.000 Quadratmeter auf vier Innenhöfe entfallen, mehr als 1200 Zimmer. Das Herzstück der Reggia ist Vanvitellis grandioses Treppenhaus. Zu besichtigen sind die prunkvollen Repräsentationsräume und natürlich der riesige Schlosspark, der sich von der Ausdehnung eher für Kutschfahrten als für Spaziergänge eignet. Eine drei Kilometer lange zentrale Achse bietet einen unendlich scheinenden Blick in die Landschaft. Diese in die Ferne laufende Perspektive wird von Wasserbassins und kleinen Kaskaden strukturiert.
Interessantes Detail am Rande: Um das Schloss und vor allem den Park mit Wasser zu versorgen, wurde ein 41 Kilometer langer Aquädukt angelegt, der Wasser von den Quellen des Monte Taburno nach Caserta brachte. Die Errichtung soll genauso teuer wie der gesamte Schlossbau gewesen sein … Der Ausflug nach Caserta ist tatsächlich empfehlenswert, beim Zurückkommen streifen wir dann durch das Centro storico, ebenfalls ein unbedingtes Muss der Stadtbesichtigung. Der anarchische Charme des seit 1995 zum Weltkulturgut der UNESCO zählenden Centro storico macht die Altstadt mit ihren Palazzi und Kirchen zu einem lebendigen Freilichtmuseum.
Das Archäologische Nationalmuseum (U-Bahn-Station Museo), das am Nordrand der Altstadt liegt, zählt zu den wichtigsten und schönsten Museen Europas. Die Sammlung griechischer und römischer Kunstwerke ist einzigartig. Ein Höhepunkt unter mehreren im Museum: das Alexandermosaik aus mehr als 1,5 Millionen Einzelteilchen, 5,82 x 3,13 Meter groß, entstanden zwischen der Mitte und dem Ende des 2. Jahrhundert v. Chr. Der Besuch des Museums hat sich ausgezahlt und ich bin froh, dass wir die Geduld hatten, in einer langen Schlange im Regen durchzuhalten. Auch für meine 11-jährige Tochter war der Museumsbesuch nicht nur lehrreich, sondern auch spannend, fand sie doch viele der Götter, von denen sie in der Schule gerade gehört hatte, als Marmorstatuen wieder.
Das königliche Neapel findet man am besten in der Via Toledo, der eigentlichen Hauptstraße, die die Piazza del Plebiscito mit der Piazza Dante verbindet, im Palazzo Reale, der Galleria Umberto I und im Castel Nuovo. Gegenüber dem Königsschloss liegt die Chiesa San Francesco di Paola, deren Vorbild das römische Pantheon war, die Arkadengänge - nächtens immer bunt beleuchtet - sind von Palladios Veneto-Villen inspiriert.
Gleich nebenan ist das Café Gambrinus, das zu den großen historischen Kaffeehäusern Italiens gehört und nach wie vor Neapels erstes Haus am Platz bezeichnet. Die Innendekoration ist schönste Belle Epoque, die Torten hervorragend, die Preise hoch. Trotzdem ein Erlebnis, ein schöner Abschluss unseres Neapel-Wochenendes, bevor wir uns auf den Weg nach Hause machen.
Andrea Thomas, Kronen Zeitung
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