Arzt im krone.tv-Talk

Minister hüten Bett: Warum die Politik krank macht

Österreich
26.04.2018 15:57

Zuerst hat es Justizminister Josef Moser erwischt, dann Finanzminister Hartwig Löger und jetzt noch Außenministerin Karin Kneissl: Die türkis-blaue Bundesregierung wird derzeit von auffällig vielen krankheitsbedingten Ausfällen geplagt. Die Quereinsteiger im Kabinett von Bundeskanzler Sebastian Kurz scheint die Ministerarbeit an ihre Grenzen zu bringen. Warum die Politik krank macht, welche Rolle besonders der Stress im Polit-Job spielt und wie die Betroffenen doch noch „die Kurve kratzen“ können, darüber spricht der Allgemeinmediziner und Leiter der „Krone“-Gesundheitsredaktion, Dr. Wolfgang Exel, im krone.tv-Talk.

Bei den Krankenstandsfällen in der Bundesregierung ist zurzeit eine beängstigende Entwicklung zu beobachten. So war etwa Justizminister Moser erst vor Kurzem mit einer Blutvergiftung für etliche Tage ausgefallen, am Dienstag musste dann Finanzminister Löger alle Termine kurzfristig absagen und aktuell erwischte es auch noch die Außenministerin. Karin Kneissl ist - wie berichtet - aufgrund einer Infektion in ärztlicher Behandlung.

krone.tv- und W24-Moderator Gerhard Koller (li. im Bild) geht mit dem Leiter der „Krone“-Gesundheitsredaktion, Dr. Wolfgang Exel, der Frage nach, warum Politik krank macht. (Bild: Klemens Groh)
krone.tv- und W24-Moderator Gerhard Koller (li. im Bild) geht mit dem Leiter der „Krone“-Gesundheitsredaktion, Dr. Wolfgang Exel, der Frage nach, warum Politik krank macht.

Viele beschäftigt nun die Frage, ob die drei ministeriellen Ausfälle innerhalb kürzestes Zeit ein bloßer Zufall sind oder ob da die Belastung im Job doch auch eine wesentliche Rolle spielt. „Krone“-Mediziner Dr. Exel stellt dazu klar, dass momentan eine Zeit der Infektionen sei, die auch ohne Belastung auftreten können. Gerade bei Politikern, „unter diesem Druck, den sie jetzt haben“, sei ein Einfluss von Stress aber „natürlich auch wahrscheinlich“.

Politiker unter „besonderem Druck“
Zu beachten ist auch, dass es sich bei den Betroffenen um Quereinsteiger handelt - außer Kanzler Kurz war noch niemand aus dem Kabinett in Ministerverantwortung. Zusätzlicher Stress, ist Dr. Exel überzeugt, spielt hier mit Sicherheit eine Rolle, vor allem „wenn man noch nicht die Routine im Job hat“. Die Betroffenen würden in diesem Fall sicherlich unter einem „besonderen Druck“ stehen, so der Gesundheitsexperte.

Gerüchte über einen Rücktritt von Justizminister Josef Moser machten nach seiner Blutvergiftung die Runde. (Bild: APA/GEORG HOCHMUTH)
Gerüchte über einen Rücktritt von Justizminister Josef Moser machten nach seiner Blutvergiftung die Runde.

In diesem Zusammenhang erinnert krone.tv- und W24-Moderator Gerhard Koller an den früheren Justizminister Michael Krüger. Er hatte im Jahr 2000 gerade einmal 25 Tage lang als Minister in der schwarz-blauen Regierung gedient - die bis heute kürzeste Ministerzeit in der Geschichte der Zweiten Republik. Seinen Rücktritt hatte der FPÖ-Politiker (und nunmehrige Parteianwalt des Team Stronach) damals mit einem Überlastungssyndrom begründet. Krüger habe „die Vorzeichen richtig interpretiert und sich selbst aus dem Verkehr gezogen“, beurteilt Dr. Exel die Vorgehensweise Krügers als einzig richtige Reaktion in einer solchen Situation.

Der Mediziner bringt an dieser Stelle das heute allseits bekannte Burn-out ins Spiel - „eine Modekrankheit, die aber nicht zu unterschätzen ist, weil sie zu einem völligen Erschöpfungszustand führen und sogar lebensgefährlich sein kann“. Im Vorjahr hatte auch die damalige Grünen-Chefin Eva Glawischnig auf die „Warnsignale“ ihres Körpers gehört und die politische Bühne zum richtigen Zeitpunkt verlassen.

(Bild: Klemens Groh)

Aber wie merkt man, dass es gefährlich werden kann, wenn man nicht die Notbremse zieht? Dr. Exel nennt hier eine breite Palette an „Ausdrucksformen“: Signale können etwa rein körperlich Herzrhythmusstörungen sein, aber auch psychische wie depressive Verstimmungen, Panikattacken oder Gereiztheit. Auf jeden Fall merke man schon, dass etwas nicht stimmt, ist der Gesundheitsexperte überzeugt.

Außenministerin Karin Kneissl und Russlands Außenminister Sergej Lawrow (Bild: APA/BMEIA/ANGELIKA LAUBER)
Außenministerin Karin Kneissl und Russlands Außenminister Sergej Lawrow

Die aktuelle Infektion der Außenministerin, offenbar die Folge einer Moskau-Reise Kneissls, könnte indes durchaus stärker ausgebrochen sein, weil das Immunsystem durch die Stresssituation noch weiter geschwächt ist. Es sei laut dem Mediziner wissenschaftlich erwiesen, dass ein Zusammenhang zwischen Stress und Infektionen besteht. Dr. Exel nennt hier drei Komponenten einer Infektion: Aggressivität der Keime, Anzahl der Erreger sowie Widerstandsfähigkeit des Patienten - wobei beim dritten Punkt Stress ins Spiel komme. „Wir wissen, dass Stress die Immunabwehr senkt, und dann können natürlich alle möglichen Keime ,besser‘ wirken bzw. gefährlicher sein.“

„Kurve kratzen“ laut Experten noch möglich
„Die Kurve zu kratzen“ sei aber in solchen Situationen durchaus noch möglich, das hänge ganz vom Verhalten des Betroffenen ab, gibt der Experte zu bedenken. Da aber gerade Politiker „weitermachen“ und eher nicht „Ruhe geben“ würden, zudem wenig Zeit zur Regeneration hätten, sei man auch entsprechend gefährdet - und es komme letztlich zum Ausbruch dieser Krankheitsbilder.

(Bild: Klemens Groh)

Der Mediziner betont deshalb, wie wichtig es ist, „richtig zu reagieren“. Dr. Exel rät zu einem richtigen Zeitmanagement. Man müsse seinen Terminkalender im Griff haben und in diesen „generalstabsmäßig“ Erholungsphasen eintragen - die man dann aber auch einhalten müsse. Joggen, einfach nur Entspannung, oder auch ein Heurigenbesuch - Hauptsache weg von dieser Belastung, zumindest zeitweise. „Das ist ein gutes Rezept“, so der Experte.

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