Golan-Videos geleakt

„UNO-Soldaten aus Österreich ließen Massaker zu“

Österreich
27.04.2018 18:27

Schwere Vorwürfe gegen Bundesheersoldaten erhebt ein anonymer Informant: Videoaufnahmen zufolge haben österreichische Blauhelme im September 2012 auf den Golanhöhen zugelassen, dass syrische Geheimpolizisten in einen tödlichen Hinterhalt gerieten. Neun Syrer wurden bei dem Angriff von Schmugglern erschossen. Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) setzte kurz nach der Veröffentlichung der Videos eine Untersuchungskommission ein. Es werde dabei auch zu klären sein, ob dieser Vorfall zum Golan-Abzug beigetragen habe. Österreich war jahrzehntelang der größte Truppensteller auf den Golanhöhen, bis im Juni 2013 überhastet ein mit Sicherheitsbedenken begründeter Abzug verkündet wurde.

Auf den Aufnahmen ist ein Massaker an syrischen Geheimpolizisten am Golan im Jahr 2012 zu sehen. Das Brisante daran: Die Videos wurden von den Blauhelmen selbst angefertigt - sie legen nahe, dass die österreichischen Soldaten syrische Polizisten nicht ausreichend vor einem Hinterhalt gewarnt und sie so in den Tod geschickt hätten.

(Bild: "Krone")

Kunasek verspricht „lückenlose und minutiöse Aufklärung“
Verteidigungsminister Kunasek setzte kurz nach der Veröffentlichung eine Untersuchungskommission ein. „Ich möchte so schnell wie möglich wissen, was im September 2012 tatsächlich passiert ist. Die Vorfälle werden lückenlos und minutiös aufgeklärt werden“, teilte er mit. Die Untersuchung „muss bis Ende Mai abgeschlossen sein“. Der Vorfall sei „in dieser Dimension“ erst durch die nun veröffentlichten Fotos und Videos bekannt geworden.

Die Kommission werde prüfen, ob gegen die Einsatzregeln verstoßen worden sei und Straftatbestände verwirklicht worden seien. Bei Bedarf werde den betroffenen Soldaten Rechtshilfe angeboten. Sollte tatsächlich keinerlei Warnung der syrischen Geheimpolizisten durch die österreichischen Blauhelme bzw. gar eine bewusste Falschinformation erfolgt sein, ist zu prüfen, ob es tatsächlich das UNO-Mandat war, das die Soldaten daran gehindert hat, in dem konkreten Fall das Leben der in Richtung des Hinterhalts fahrenden Menschen zu retten. Die UNO-Soldaten sind zu strikter Zurückhaltung verpflichtet und dürfen etwa ihre Waffen nur zur Selbstverteidigung einsetzen. Völkerrechtler Manfred Nowak betonte aber, dass die Pflicht zur Neutralität nur gegenüber den Konfliktparteien Israel und Syrien gelte, nicht aber gegenüber Kriminellen.

Mario Kunasek (Bild: AFP/ARMEND NIMANI, APA/HERBERT PFARRHOFER, krone.at-Grafik)
Mario Kunasek

Darabos hatte keine Kenntnis von Vorfall
Ex-Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) sagte, er habe keine Kenntnis von dem Vorfall gehabt, der sich während seiner Amtszeit im Jahr 2012 zugetragen hat. „Ich bin in Kenntnis gesetzt worden vom ORF-Teletext“, sagte Darabos mit Blick auf die aktuellen Medienberichte. „An mich als Minister ist so ein Vorfall nie herangetragen worden.“ Er wäre damals „selbstverständlich“ eingeschritten. „Es sind in mehreren Fällen, wo es um kleinere Geschichten gegangen ist, die Leute sofort repatriiert worden“, sagte der langjährige Verteidigungsminister (2006-2013). Sollten sich die Vorwürfe erhärten, sei er dafür, die Betroffenen aus dem Bundesheer zu werfen.

Nicht ausschließen wollte Darabos, dass die österreichischen Blauhelme besondere Kontakte mit den Schmugglern gehabt haben könnten, in deren Hinterhalt die syrischen Polizisten gefahren seien. „Das könnte so sein“, sagte der SPÖ-Politiker. Bei seinen Besuchen auf dem Golan habe er nichts davon gemerkt, aber solche Dinge werde man dem Minister „kaum erzählen“. Die Mission am Golan sei „einer der renommiertesten Einsatze des Bundesheeres gewesen“, so Darabos. Der nun bekannt gewordene Vorfall „ist nicht ein Ruhmesblatt“. Man dürfe sich aber die jahrzehntelange gute Arbeit nicht durch „Einzelpersonen“ zerstören lassen. „Ich hoffe, dass die Reputation nicht unter diesem Einzelfall leidet.“

Ex-Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) war wegen seines Eurofighter-Vergleichs angezeigt worden. (Bild: APA/Georg Hochmuth)
Ex-Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) war wegen seines Eurofighter-Vergleichs angezeigt worden.

Opposition drängt auf rasche und transparente Aufklärung
SPÖ-Verteidigungssprecher Rudolf Plessl, dessen Partei während des Vorfalls den Verteidigungsminister stellte, begrüßte die Einsetzung der Untersuchungskommission und forderte „rasche und vollständige Aufklärung“. NEOS-Verteidigungssprecher Douglas Hoyos forderte ebenfalls Aufklärung sowie „größtmögliche Transparenz“. „Eine offene Frage ist auch, ob der Golan-Abzug im Jahr 2013 durch diesen Vorfall begründet werden kann.“

Die außenpolitische Sprecherin der Liste Pilz, Alma Zadic, forderte, dass die von Kunasek eingesetzte Kommission „absolut unabhängig“ sein müsse. Außerdem sei das Parlament in die Untersuchung einzubinden, so Zadic. „Wir behalten es uns vor, den Nationalen Sicherheitsrat zu diesem Fall einzuberufen.“

(Bild: EPA)

23 Österreicher starben am Golan
Auf den Golanhöhen sorgt seit dem Jahr 1974 eine Truppe von Blauhelmsoldaten für die Einhaltung des Waffenstillstandes zwischen Israel und Syrien, indem eine Pufferzone beaufsichtigt wird. Die UNO-Soldaten sind zu strikter Zurückhaltung verpflichtet und dürfen etwa ihre Waffen nur zur Selbstverteidigung einsetzen. Österreichs UNO-Einsatz auf den Golanhöhen war nach 39 Jahren 2013 zu Ende gegangen. 23 Soldaten der mehr als 26.000 Österreicher starben in den Einsatzjahren eines gewaltsamen Todes. Die letzten 44 Soldaten des österreichischen UNO-Bataillons kehrten im Juli 2013 nach Österreich zurück.

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