Riesenaufregung und Entsetzen haben ein der „Krone“ und anderen Medien zugespieltes - offenbar geheim gedrehtes - Video sowie Fotos vom Golan-Einsatz österreichischer Soldaten im September 2012 ausgelöst. Die Aufnahmen zeigen ein Massaker an neun syrischen Geheimpolizisten. Mit der Veröffentlichung des brisanten Materials stellt sich nun die Frage, ob die Blauhelme aus Österreich das Blutbad bewusst bzw. auf Befehl zuließen. Eine Frage, mit der sich auch eine unmittelbar nach dem Bekanntwerden des Vorfalls eingerichtete Untersuchungskommission befassen muss.
Konkret geht es darum, dass einige rot-weiß-rote Friedenssoldaten von ihrer Stellung aus beobachtet haben, wie ein syrischer Pick-up der Marke Mitsubishi auf einer Straße nahe dem Mount Hermon in einen Hinterhalt geraten ist.
Aus dem Videomaterial, das auch die „Krone“ von einem Whistleblower zugeschickt bekommen hat, lässt sich folgender wahrscheinlicher Sachverhalt rekonstruieren: Am 29. September beobachten Österreicher zur Mittagszeit über ein Fernrohr, wie sich mehrere Männer - es dürfte sich um Schmuggler und Gegner des Regimes von Syriens Machthaber Bashar al-Assad gehandelt haben - in Bergstellungen schwer bewaffnet verstecken.
Von ihrer Position aus scheint den Österreichern - sie sind in den Videoaufnahmen zu hören - klar zu sein, dass hier ein Anschlag geplant wird. So spricht einer der Blauhelme von einem drohenden „Himmelfahrtskommando“.
Später kommt dann der Geländewagen ins Bild. Laut Angaben des Informanten, der die Videos und Fotos veröffentlicht gesehen haben wollte, befinden sich in dem weißen Mitsubishi-Pick-up neun syrische Geheimpolizisten. Angeblich sollen sie sich zuvor bei den Österreichern erkundigt haben, ob etwas Verdächtiges aufgefallen sei - was diese verneint haben sollen.
Informant spricht von „Feigheit der österreichischen Kommandanten“
Die „ahnungslosen“ Syrer seien somit „aufgrund der Feigheit der österreichischen Kommandanten in den Tod geschickt worden“, so der schwere Vorwurf des Geheiminformanten. Tatsächlich entbrennt kurz darauf ein Feuersturm, bei dem die Insassen des weißen Mitsubishi chancenlos sind. Die Polizisten auf der Ladefläche fallen von Schüssen getroffen auf die Schotterstraße.
„Hier überlebt kana!“, ist ein offensichtlich geschockter UN-Soldat im breiten österreichischen Dialekt zu hören. Als sich einige Angreifer dem Todeswagen nähern, eröffnet ein schwer verwundeter Polizist das Feuer. Ein Bewaffneter stürzt. „Jetzt is a hin, jetzt hat er ihn“, entfährt es einem der Blauhelme. Bilanz des Angriffs aus dem Hinterhalt: neun tote syrische Polizisten und ein Toter aufseiten der Schmuggler.
Aufdecker: „Hatten Befehl, sich nicht einzumischen“
Die alles entscheidende Frage ist nun die, ob die Österreicher - und vor allem die Kommandanten - tatsächlich von dem geplanten Anschlag wussten. Und vor allem, ob die Soldaten tatsächlich einen Befehl erhalten hatten, „sich in die Angelegenheit nicht einzumischen“, wie der Aufdecker behauptet. Denn so hätten sie die syrischen Polizisten bewusst in den Tod fahren lassen.
Untersuchungen stehen noch ganz am Anfang
Verteidigungsminster Mario Kunasek (FPÖ) kündigte unmittelbar nach der Veröffentlichung des brisaten Golan-Materials eine Untersuchungskommission an. Die Untersuchungen in dem Fall sind allerdings laut einem Sprecher des Verteidigungsministeriums noch ganz am Anfang.
Den Blauhelmen könnte aber ein Strafverfahren in Österreich ins Haus stehen. Sie könnten „im schlimmsten Fall“ wegen Beihilfe zum Mord belangt werden, kommentierte Völkerrechtler Manfred Nowak die Aufnahmen. „Sie hätten die Pflicht gehabt, die Syrer zu warnen.“
Christoph Matzl, Kronen Zeitung
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