Einwanderer-Skandal
Nächste Schlappe für May: Innenministerin tritt ab
Wegen eines Skandals um Einwanderer aus der Karibik, der in Großbritannien hohe Wellen schlägt, ist die britische Innenministerin Amber Rudd am Sonntagabend zurückgetreten. Ihr Nachfolger wird der bisherige Minister für Kommunen, Sajid Javid, wie die Regierung am Montag mitteilte. Mit Rudd verliert Premierministerin Theresa May im wichtigen Jahr der Brexit-Verhandlungen eine ihrer engsten Verbündeten im Kabinett. Dies ist der bereits fünfte Rückschlag für die Regierungschefin, seit sie im Juni des Vorjahres Neuwahlen ausgerufen und bei diesen eine schwere Schlappe erlitten hatte.
May und ihre Ministerkollegen stehen derzeit wegen des sogenannten Windrush-Skandals unter Druck. Nachfahren von Einwanderern mit karibischen Wurzeln wurden fälschlicherweise als illegale Immigranten klassifiziert, ihnen werden Sozialleistungen verweigert, zudem wird ihnen mit Abschiebung gedroht. Dieses Vorgehen löste unter den Einwanderern große Ängste und in ganz Großbritannien Empörung aus.
Falschangaben vor Abgeordneten eingeräumt
Im Rahmen des Skandals wurde Rudd vor einem Parlamentsausschuss angehört. Vor den Abgeordneten gab sie an, dass Großbritannien keine Pläne für die Abschiebung von Einwanderern habe. Später musste sie ihre Äußerungen korrigieren, denn es gelangten Dokumente an die Öffentlichkeit, die zeigen, dass solche Pläne durchaus existieren. Kritiker warfen daraufhin der konservativen Politikerin wegen ihrer widersprüchlichen Aussagen Ahnungslosigkeit vor, die oppositionelle Labour Party forderte Rudds Abgang. Diese räumte nun ein, dass sie die Parlamentarier irregeführt habe. Dies sei zwar ohne Absicht geschehen, sie hätte es aber besser wissen müssen und übernehme dafür die Verantwortung.
Immigranten und ihre Nachfahren ohne Dokumente
„Der ,Windrush-Skandal‘ hat zu Recht ein Licht auf ein wichtiges Thema für unser Land geworfen“, äußerte Rudd in ihrem Brief an die Premierministerin. Als „Windrush-Generation“ gelten in Großbritannien jene Einwanderer aus der Karibik, die nach dem Zweiten Weltkrieg als Commonwealth-Bürger ins Land eingeladen wurden, um beim Wiederaufbau der Wirtschaft mitzuhelfen. Benannt sind sie nach dem Schiff „Empire Windrush“, das 1948 als eines der ersten die Menschen ins Land brachte. Die Regierung sicherte ihnen damals das Recht auf unbefristeten Aufenthalt zu. Inzwischen haben die Immigranten und ihre Nachfahren jedoch große Probleme, ihr Aufenthaltsrecht nachzuweisen, weil sie nie entsprechende Dokumente erhalten haben. Sozialleistungen und medizinische Behandlungen werden verweigert, vielen Menschen droht die Abschiebung.
May als „Architektin der Krise“, Rudd als Bauernopfer?
Auch May selbst steht wegen des „Windrush-Skandals“ zunehmend im Kreuzfeuer der Kritik. Labour hält May vor, sie sei in ihrer Zeit als Innenministerin von 2010 bis 2016 für eine Verschärfung der Kontrollen in Sachen Aufenthaltsrecht verantwortlich gewesen und habe eine „feindliche Umgebung“ für illegale Einwanderer geschaffen. Zudem habe das Innenministerium die Dokumentationen der Einwanderer schon vor Jahren vernichtet. Rudd müsse nun das ausbaden, was May eingebrockt habe. Die Labour-Politikerin Diane Abbott bezeichnete May als „Architektin der Krise“, viele sehen Rudd als Bauernopfer.
„Einwanderern wird ihr Platz als Bürger verwehrt“
Bei einem Commonwealth-Treffen in London vor zwei Wochen beklagte der jamaikanische Regierungschef Andrew Holness, dass den Einwanderern trotz ihres Beitrags zum Wiederaufbau Großbritanniens nach dem Zweiten Weltkrieg ihr „Platz als Bürger“ verwehrt werde. Der Ministerpräsident von Antigua und Barbuda, Gaston Browne, sagte, viele der Migranten hätten „sehr hart“ für Großbritannien gearbeitet und gar keinen Kontakt mehr in ihre Herkunftsländer. May versuchte angesichts der Kritik von allen Seiten zuletzt die Wogen zu glätten und sagte der „Windrush“-Generation die britische Staatsbürgerschaft sowie Entschädigungen zu.
Rücktrittsserie nach Tory-Schlappe bei Neuwahlen
Die frühere Investmentbankerin Rudd war seit Juli 2016 Innenministerin. Als entschiedene Europa-Befürworterin spielte sie eine wichtige Rolle im Kabinett beim Abstecken des Brexit-Kurses. Mit ihrer moderaten Haltung gegenüber der EU galt sie als ausgleichende Kraft in Mays Kabinett, dem mehrere bekannte Brexit-Befürworter angehören. Mit Rudd verliert May eine weitere Vertraute in der Regierung. Es ist der fünfte Rücktritt seit der von ihr angeschobenen Neuwahl im vergangenen Juni, bei der May eine Wahlschlappe erlitten hatte. Seitdem regiert sie nur noch mit einer hauchdünnen Mehrheit.
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