Fall Kampusch

Zeuge spricht von einem “Priklopil-Vermächtnis”

Wien
09.11.2009 12:25
Der Entführungsfall Kampusch bleibt weiter undurchsichtig: Am Wochenende wurde seitens der deutschen Behörden eine Hausdurchsuchung bei einem mutmaßlichen Zeugen durchgeführt, der "brisantes Material" in der Causa besitzen will. Unter anderem ist die Rede von einem "Vermächtnis" des Entführers Wolfgang Priklopil, wie die Staatsanwaltschaft jetzt offenbarte. Natascha Kampusch bleibt indes weiter bei ihrer Einzeltäter-Version.

Bei dem Zeugen handelt es sich um einen deutschen Grafiker, der auf einer dem Fall Kampusch gewidmeten Website behauptet, im Internet auf ein Video von Natascha Kampusch in deren Verlies gestoßen zu sein. Neben dem Filmer und Kampusch sei darauf noch ein weiterer Mann zu sehen. 

Weiters will er von einem Freund Priklopils per Post ein "Vermächtnis" erhalten haben, das die Beziehung zwischen Natascha Kampusch und Priklopil in ein "anderes Licht" rücken würde. Um welchen Freund es sich dabei handeln soll, ist nicht bekannt. 

Wie glaubwürdig der Zeuge ist, will der für den Fall zuständige Grazer Staatsanwalt Thomas Mühlbacher nicht kommentieren. "Wir müssen warten, was die deutschen Behörden uns berichten. Klar ist, wenn jemand so etwas behauptet, dann müssen wir uns das auch ansehen", sagte Mühlbacher. "Bis jetzt gibt es kein Ergebnis. Das ist aber auch nur eine von vielen Spuren, denen wir derzeit nachgehen. Wir wollten uns nicht dem Vorwurf aussetzen, dass wir einem Hinweis nicht nachgegangen sind."

Frage nach U-Haft "hat sich bis jetzt nicht gestellt"
Das Hauptaugenmerk der Ermittler liegt weiterhin auf dem ehemaligen Freund von Wolfgang Priklopil, Ernst H. "Es gibt insbesondere am Tag des Todes von Herrn Priklopil als auch in dem Zeitraum rund um die Entführung einige widersprüchliche Aussagen von H.", sagte Mühlbacher. Ob gegen H. die Untersuchungshaft verhängt wird, ist dem Staatsanwalt zufolge kein Thema: "Bis jetzt hat sich die Frage nicht gestellt." Es wird derzeit auch nicht gegen andere Personen ermittelt.

Unter den aufklärungswürdigen Punkten - die die Staatsanwaltschaft nicht bestätigen, aber auch nicht dementieren wollte - sind folgende: Priklopil hatte sich nach seiner Flucht mehrere Stunden mit H. getroffen, bevor er sich schließlich das Leben nahm. H. hat stets angegeben, nichts von der Entführung von Natascha Kampusch gewusst zu haben. Dennoch soll er bei seiner Vernehmung wenige Stunden nach der Flucht von Natascha Kampusch gefragt haben: "Hat er sie umgebracht?" - bevor der konkrete Fall überhaupt angesprochen worden ist. Nach eigenen Angaben hat H. das Entführungsopfer kurz getroffen. "Ich wusste natürlich zu diesem Zeitpunkt nicht, dass das Natascha Kampusch war", stellte er in einer Erklärung klar. Weiters soll es rund um den Entführungszeitpunkt aufklärungswürdige Geldtransaktionen zwischen H. und Priklopil gegeben haben.

Staatsanwalt: Aussagen jetzt in einem anderen Licht
Dass H. nach all den Jahren plötzlich wieder im Zentrum der Ermittlungen steht, ergab sich Mühlbacher zufolge aufgrund des neuen Hintergrundwissens der Staatsanwaltschaft. "Manche Aussagen sehen wir heute in einem anderen Licht." Kritik an seinen Vorgängern sei daher unangebracht. Die Staatsanwalt will jedenfalls jetzt "so lange Ermitteln, bis alle Ungereimtheiten aufgeklärt sind."

H. betonte in einer Stellungnahme am Wochenende, dass er "nichts zu verbergen habe". Für ihn sei es aber die beste Variante, "gar nichts mehr zu sagen". Man interpretiere nur seiner Meinung nach ständig "etwas Negatives" in seine Aussagen.

Kampusch-Anwalt: "Sie weiß nichts zu H."
Aus dem Umfeld von Natascha Kampusch werden die neuen Entwicklungen indes aufmerksam, aber mit Vorsicht beobachtet. "Ob der Herr H. Mitwisser war, kann sie nicht wissen", meinte Kampuschs Anwalt Gerald Ganzger über die Sicht seiner Mandantin am Montag. "Und was Herr H. in den drei Stunden zwischen ihrer Flucht und dem Selbstmord von Priklopil gemacht hat, weiß sie auch nicht."

Kampusch hält - wie von Anfang an - daran fest, nur von Priklopil als Täter gewusst zu haben. An der bisherigen Lage habe sich durch die Anschuldigung, Ernst H. komme als Mittäter in Betracht, nichts geändert, so Gangzer. "Entführt hat er sie nicht, und gefangen gehalten auch nicht. Sie hat nichts verheimlicht, sie ist von niemandem erpresst worden." 

"Wir wissen es nicht - ob er am Verlies mitgebaut hat, ob er er im Hintergrund Mitwisser war", meinte der Anwalt weiter. Klar sei jedenfalls, dass es im strafrechtlichen Sinn verschiedene Formen von Mittätern gibt. Ganzger: "Es kommt auf die Beteiligung an."

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