EU-Mercosur-Pakt
Billigfleisch aus Südamerika gegen EU-Autoflotte
Neben TTIP, CETA und weiteren Freihandelsabkommen zwischen der EU und anderen Staaten der Welt steht der Pakt mit vier lateinamerikanischen Staaten aus dem sogenannten Mercosur-Wirtschaftsraum (Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay) unter extrem kritischer Beobachtung. Viele mächtige EU-Nationen wollen das Abkommen mit dem Mercado Comun del Sur (Gemeinsamer Markt des Südens) noch im Sommer durchboxen. Dabei weiß nur die Elite, was der Pakt mit sich bringt. Die „Krone“ beleuchtet in sieben Teilen alle Hintergründe, die Gewinner und Verlierer sowie die Folgen dieses Österreich stark betreffenden Abkommens.
Unaufgeregt klingt es, sobald EU-Abgeordnete vom „Leseraum“ im Brüsseler Glaskomplex sprechen. Die Türen sind gesichert, Smartphones, Fotos oder Aufnahmegeräte sind streng verboten. Hinter dieser Tür spielt sich die in Buchstaben und Zahlen gegossene Europa-Politik ab, die in dieser Form noch nicht an die Öffentlichkeit gelangen darf.
Nicht weil die EU-Kommission und das Parlament es so wollen, wie reflexartig betont wird, sondern sich mächtige europäische Exportnationen dagegen wehren. Wer lässt sich auch bei winkenden Milliardengeschäften schon gerne in die Karten schauen? Seit Mitte April liegt in dieser Kammer das Verhandlungsmandat zum Mercosur-Abkommen zur diskreten Einsicht für einen auserwählten Kreis auf. Verfasst und ausgehandelt von Spezialisten aus EU-Staaten, die mit Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay den Handel ohne erdrückende Zölle antreiben wollen. Jene vier Länder, die sich als Gegengewicht zu den USA zum Mercosur zusammengeschlossen haben.
Vorvertrag gibt es bereits seit dem Jahr 1995
Bereits am 15. Dezember 1995 unterzeichneten EU-Vertreter ein Assoziationsabkommen als Vorstufe zu einem Freihandelsabkommen. Der Tenor dieses Dokumentes, wenn auch überholt und veraltet, gilt immer noch. Oft wurden schnelle Abschlüsse versprochen, doch die Verhandler waren nicht zufrieden - bis heute. Der Deal: gelockerte Kontrollstandards bei Lebensmittelimporten aus Südamerika, dafür mehr Autoexporte. Grob zusammengefasst: Billigfleisch gegen EU-Autoflotte, Soja-Futter und Ethanol gegen europäische Produkte. Fast zollfrei anstatt bis zu 30 Prozent Aufschlag.
Profitieren würden aus rein wirtschaftlicher Sicht beide, der Mercosur-Markt ist jetzt jährlich für die EU 42 Milliarden Euro wert, vier Milliarden Zollabgaben würden wegfallen. Der Mercosur will Tausende Tonnen Rindfleisch von seinen gewaltigen Farmen loswerden, die EU-Länder ihre Autos - speziell in Zeiten des Diesel-Skandals. Eine gute Gelegenheit mithilfe der Politik unliebsame Wagen über den großen Teich zu bekommen. Eine gute Gelegenheit den vor einem Jahr ausgebrochenen gigantischen Gammelfleisch-Skandal in Brasilien zu übertauchen. Abgelaufenes und schlechtes Fleisch wurde mit Chemie ansehnlich gemacht und zurück in den Verkauf gebracht. Es gab Verhaftungen und Rücktritte.
Dieses Mal muss es dennoch rasch gehen, bis Sommer 2018 sollen die Verhandlungen abgeschlossen sein. Ende April kam es in Brüssel zu einem „Abtast-Treffen“, am Freitag tagte der Handelsunterausschuss. Besteht Einigkeit, kann die Unterzeichnung bereits in die österreichische Ratspräsidentschaft fallen, der Ratifizierungsprozess 2019 beginnen. Ein Grund mehr, warum Bauern, Handel, Staaten wie Österreich, Irland, Frankreich sowie Umweltschutzorganisationen Sturm dagegen laufen. Zu unsicher sind die Informationen, zu gefährlich scheint, was am Ende herauskommt. Kleine Betriebe als Verlierer, internationale Konzerne als Gewinner?
Die Bauern fürchten um die Qualität der Lebensmittel und enorme wirtschaftliche Nachteile, Irland stellt sich wegen des Brexits quer. Tonnen an irischem Rindfleisch gehen zollfrei nach Großbritannien, mit dem Austritt wird es schwieriger. Noch beschwichtigend agieren ÖVP und Wirtschaftskammer, die Freihandelskommen unter den „richtigen“ Voraussetzungen befürworten. Nur was sind die schon?
Dafür, dagegen und nachbessern
EU-Abgeordneter Paul Rübig (ÖVP): „Das Mercosur-Abkommen wird europäische Standards im Handel einbetonieren. Hormonfleisch ist in Österreich und Europa verboten. Für eine Reihe von landwirtschaftlichen Produkten wird der europäische Markt nicht vollständig geöffnet, es werden Quoten vereinbart, die zu reduzierten Zollsätzen importiert werden dürfen. Tiroler Speck kommt dann auch nur aus Tirol.“ SPÖ-Europasprecher Jörg Leichtfried: „Wie soll die klein strukturierte österreichische Landwirtschaft mit Abertausenden Tonnen Rindfleisch aus Brasiliens Rinderfabriken konkurrieren - von den Umweltstandards ganz zu schweigen?“ Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP): „Es fehlen etwa Rindfleischquoten. Nachschärfen sollte die EU generell bei den sanitären Standards. Wir müssen in allen Abkommen auf Lebensmittelkontrollen beharren. Einen Beschluss um jeden Preis und auf Kosten der Landwirtschaft wird es nicht geben.“
Morgen: Mercosur-Staaten - Zugang zu einem Markt mit 260 Millionen Menschen
Kronen Zeitung/krone.at
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