Nach Wahlschlappe
Sigmar Gabriel ist neuer Vorsitzender der SPD
Gabriel rief die SPD zu einem Neuanfang auf. "Die SPD muss wieder eine Politikwerkstatt für den gesellschaftlichen Fortschritt werden", hatte er in seiner Bewerbungsrede gesagt. Streitfragen wie die Arbeitsmarktreformen sollten in den nächsten zwölf Monaten geklärt werden. Wichtige Fragen sollten häufiger durch Urabstimmungen der Mitglieder entschieden werden. Gabriel plädierte dafür, von links die politische Mitte zurückzuerobern.
Zuvor hatte schon der scheidende Parteichef Franz Müntefering die SPD gemahnt, mutig und selbstbewusst voranzugehen. "Wir sind kampffähig, und wir sind kampfbereit. Wir kommen wieder", rief er den gut 500 Delegierten zu. Wie Siege würden auch Niederlagen in der Demokratie nur auf Zeit gelten.
Kritik an Entscheidungen der Vergangenheit
Zum Auftakt des dreitägigen Parteikongresses rügten viele Delegierte Entscheidungen der Vergangenheit insbesondere in der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik. Das habe die SPD Vertrauen bei den Wählern gekostet. In einer gut fünfstündigen Debatte mit 66 Wortmeldungen wurde Kritik insbesondere an der Reform-"Agenda 2010" des damaligen SPD-Kanzlers Gerhard Schröder aus dem Jahr 2003 laut. Mit den Regelungen für Langzeit-Arbeitslose ("Hartz-IV") sei gegen die Solidarität verstoßen worden. Die Partei habe sich zu sehr "dem Mainstream des Marktradikalismus" angepasst, es sei zu viel abgenickt worden.
Mehrere Delegierte mahnten zum Schulterschluss. "Lassen wir uns von den Umfragen nicht die Zuversicht nehmen", sagte der Fraktions-Vize im Bundestag, Joachim Poß. Der Vorsitzende der Sozialdemokraten im Europaparlament, Martin Schulz, nannte den Niedergang "ein Phänomen in Gesamteuropa". Eine "Renationalisierung des Sozialstaates" sei aber keine Alternative.
Scheidender Müntefering verteidigt Regierungszeit
Müntefering gestand Fehler ein, lehnte es aber ab, sich von der Regierungszeit zu distanzieren. Er unterstrich mit Blick auf die Bundestagswahl vom 27. September: "Die Niederlage war selbst verschuldet", erschreckend sei die Dimension. Nach Ansicht Münteferings war die Wahlpleite aber auch der Zeit geschuldet. Die Zähmung der Finanzmärkte bleibe als "historische Aufgabe". Es sei richtig gewesen, dass die SPD ab 1998 Regierungsverantwortung übernommen habe: "Es war verdammt viel aufzuräumen." Nach den Worten Münteferings bleibt die Sicherung des Sozialstaates eine Herausforderung für jeden, "der soziale Gerechtigkeit will". Ein Aufstieg könne nicht jedem leichtfertig versprochen werden, eine "ehrliche Debatte" bleibe der SPD nicht erspart. "So einfach ist das mit der Gerechtigkeit nicht."
Der scheidende Generalsekretär Hubertus Heil sagte, im Bundestag müsse die SPD nun aus der Opposition heraus der Politik der neuen schwarz-gelben Regierung von CDU/CSU und FDP den Kampf ansagen, weil diese unsolidarisch sei. "Wir werden Widerstand zu organisieren haben", fügte Heil hinzu.
Am Abend wählte der Parteitag die weiteren Mitglieder der neuen Parteiführung, vier stellvertretende Vorsitzende und Andrea Nahles als Generalsekretärin.
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