Mehrkämpferin im Talk

Ivona Dadic: „Ich war nie so ein Party-Typ“

Sport-Mix
23.05.2018 06:48

Nach der WM-Silbermedaille schuftet Ivona Dadic bereits für das nächste Großereignis: Bei der Freiluft-EM in Berlin (7. bis 12. August) möchte Österreichs Siebenkämpferin ihre Edelmetall-Sammlung erweitern. Wir haben die 24-jährige Oberösterreicherin nach einem harten Trainingstag in der Südstadt besucht und mit ihr u.a. über ihre sportliche Karriere, persönliche Schicksalsschläge, Österreichs Leichtathletikszene und die Wichtigkeit von Social Media für Profisportler gesprochen. Oben im Video sehen Sie Ivona Dadic im sportkrone.at-Wordrap.

sportkrone.at: Was hat sich seit dem Gewinn der WM-Silbermedaille für dich in deinem Leben verändert?
Ivona Dadic: Die Medienanfragen sind rasant gestiegen. Es war für mich am Anfang sehr stressig die ganzen Termine zu koordinieren. Im April war ich drei Wochen auf Trainingslager in Florida. Da hatte ich die Möglichkeit, das alles zu realisieren.

(Bild: AP)

sportkrone.at: Was hattest du für ein Gefühl in Birmingham, als du über die Ziellinie gelaufen bist?
Dadic: Auf der Zielgeraden habe ich kurz sogar noch mit Gold spekuliert. In diesem taktischen Rennen wäre bestimmt noch einiges drinnen gewesen, aber das Gefühl, Vizeweltmeisterin zu sein, kann man gar nicht beschreiben. Im ersten Moment war ich froh, dass der Wettkampf vorbei war. Am nächsten Tag dann neben der Medaille aufzuwachen, war schon ein sehr besonderes Gefühl (grinst).

sportkrone.at: Warum hast du dich für den Siebenkampf entschieden?
Dadic: Weil es vielseitig ist und es mir Spaß macht, jeden Tag etwas anderes zu machen. Ich habe in keiner Disziplin eine wirklich große Schwäche. Aber das ist die Challenge: Jeden Tag etwas anderes zu trainieren. Ich habe insgesamt fünf Trainer für die einzelnen Disziplinen und die wollen das Beste aus mir rausholen. Philipp Unfried ist mein Haupttrainer. Er koordiniert die Gesamtplanung.

(Bild: AFP)

sportkrone.at: Wie sieht so ein Trainingstag bei dir aus?
Dadic: Ich trainiere jeden Tag fünf bis sechs Stunden entweder in St. Pölten, Linz oder in der Südstadt. Nur sonntags hab ich frei. Am Plan stehen meist zwei Disziplinen. Das sieht dann so wie ein Stundenplan in der Schule aus. Jeden Montag trainiere ich Weitsprung in Linz mit Wolfgang Adler, danach Krafttraining mit Philipp. Am Dienstag folgt Laufen und Kugelstoßen. Am Mittwoch steht Hochsprung und Speerwurf am Programm. Am Donnerstag mache ich eine Krafteinheit, am Freitag Hürden und Sprint und am Samstag noch Tempoläufe. 

sportkrone.at: Ab wann hast du gewusst, dass du Profisportlerin werden willst?
Dadic: Eigentlich bin ich durch Zufall zur Leichtathletik gekommen. Als ich acht Jahre alt war, hat mich ein Talentscout bei einem Bewerb in Wels entdeckt. Ich habe dort auf Anhieb die 60 und 800 Meter gewonnen und danach begonnen, im Verein zu trainieren. Mit den Erfolgen ist der Ehrgeiz immer weiter gewachsen. Den internationalen Gedanken hatte ich sicher zwei, drei Monate vor meiner ersten U18-WM. Das war 2009, da wusste ich: Ich will es professionell machen.

(Bild: Stefanie Riegler)

sportkrone.at: Du warst schon mit 18 Jahren bei den Olympischen Spielen in London dabei. Zuvor hast du den österreichischen Rekord von Sigried Kirchmann in Götzis geknackt - war das ein Schlüsselmoment in deiner Karriere?
Dadic: Acht Monate vor London 2012 habe ich mir den Big Ben ausgedruckt und mir zum Ziel gesetzt, zu den Olympischen Spielen zu fahren. In Götzis ist jede Disziplin genau aufgegangen und ich habe mich für London qualifiziert. In den Interviews habe ich immer gesagt, dass ich nicht damit gerechnet hätte, aber insgeheim war das schon so geplant (lacht).

sportkrone.at: Hast du eine Lieblingsdisziplin?
Dadic: Der Siebenkampf ist ja schon eine Disziplin, aber wenn ich mich entscheiden müsste, dann wäre es der Weitsprung.

Ivona Dadic bei der WM in London 2017 (Bild: GEPA )
Ivona Dadic bei der WM in London 2017

sportkrone.at: Was zeichnet für dich einen guten Trainer aus?
Dadic: Ich habe in meiner Karriere schon viele Trainer gehabt. Was ich an Philipp sehr schätze, ist, dass er das Training komplett auf mich abstimmt. Ein guter Trainer schafft es, einen Athleten so zu trainieren, dass er bei Großereignissen immer in Top-Form ist. Das ist nicht einfach und Philipp hat das bisher immer geschafft. Er ist immer da, auch wenn es mal nicht so rennt.

sportkrone.at: EM-Bronze 2016, Hallen-EM-Silber 2017, Hallen-WM-Silber 2018 - was folgt als nächstes?
Dadic: Ich möchte bei der Freiluft-EM in Berlin im August einen anständigen Wettkampf zeigen. Das Niveau in Europa ist derzeit im Siebenkampf so extrem hoch und ein guter Gradmesser für Olympische Spiele. Bei Olympia kommen noch zwei US-Amerikanerinnen und eine Kubanerin dazu, aber das war’s schon. Und diese Sportlerinnen lagen immer hinter mir. Das Wichtigste wird sein, dass ich verletzungsfrei bleibe. Ich mache mir keine Gedanken über Medaillen. Auch während dem Wettkampf nicht, es kann sich von einer Disziplin zur nächsten alles drehen. Es muss passieren und eine Medaille gelingt am besten, wenn ich im Kopf frei bin.

(Bild: Stefanie Riegler)

sportkrone.at: Mit welchen Gefühlen blickst du Richtung Tokio 2020?
Dadic: Natürlich ist eine Olympia-Medaille mein großes Ziel. Ich bin mir sicher, wenn ich verletzungsfrei bleibe, dass es in Tokio möglich ist.

sportkrone.at: Im Jahr 2012 hast du einen Auslandsaufenthalt in London absolviert und mit Jessica Ennis-Hill trainert. Was konntest du für deine Karriere mitnehmen?
Dadic: Wenn ich die Chance mit 18 nochmal kriegen würde, würde ich es wieder machen. Jetzt sechs Jahre später, möchte ich allerdings nicht mehr ins Ausland gehen. Ich habe viel dort gelernt, auch wenn ich das Pech hatte, mich zweimal zu verletzten. Aber es hat mich zu der Athletin gemacht, die ich heute bin. Ich bin immer noch mit Jessica in Kontakt. Das Training war natürlich komplett auf sie abgestimmt, aber wenn ein Fußballspieler die Gelegenheit bekommt mit Cristiano Ronaldo zu trainieren, würde er auch nicht Nein sagen. Es war eine lehrreiche Zeit und im Endeffekt kocht jeder nur mit Wasser.

(Bild: Stefanie Riegler)

sportkrone.at: Wie konntest du deine Verletzungsphasen mental überwinden?
Dadic: Bei der ersten Knieverletzung habe ich mir nicht so viele Gedanken gemacht und bin schnell wieder ins Training eingestiegen. Die Belastung war dann aber zu hoch und diese Pause war dann schwierig für mich. Ich hatte durchgehend Schmerzen im Knie und dachte: „Hält mein Knie Leistungssport überhaupt noch aus?“ Ich habe sogar mit dem Gedanken gespielt, meine Karriere zu beenden. Mein Freund und meine Familie haben mir zum Glück in dieser Zeit viel Kraft gegeben und mich wieder nach vorne gepusht. 

sportkrone.at: Du bist in Oberösterreich aufgewachsen, hast im Heeressportzentrum in Linz trainiert - warum bist du nach St. Pölten übersiedelt?
Dadic: Ende 2015 habe ich zur Union St. Pölten gewechselt, weil sie mir dort bessere Trainingsbedingungen angeboten haben und mich finanziell auch besser unterstützen. Außerdem ist mein Haupttrainer Philipp dort. Ich habe nur diese eine Karriere und ich muss das machen, was am besten für mich ist. Natürlich besuche ich meine Eltern noch regelmäßig in Wels.

(Bild: GEPA )

sportkrone.at: Warum verzichtest du auf einen Start in Götzis?
Dadic: Ich wollte mir da keinen Stress machen. Die Hallen-WM im Februar war intensiv und ich habe mir danach eine Woche Pause gegönnt. Für ein gutes Abschneiden in Götzis hätte ich mein Training wieder anders ausrichten müssen. Deshalb habe ich meinen Fokus auf die EM in Berlin gelegt, auch weil ich weiß, dass ich die Top-Form nicht von Mai bis August halten kann.

sportkrone.at: Du hast kroatische Wurzeln - was verbindet dich mit Kroatien?
Dadic: Wir besuchen regelmäßig unsere Verwandten und meine Großeltern in Kroatien. Erst zu Weihnachten waren wir dort. Ich bin auch zweisprachig aufgewachsen und wir sprechen daheim Kroatisch.

(Bild: GEPA )

sportkrone.at: Du musstest in sehr jungen Jahren einen schweren Schicksalsschlag hinnehmen. 2008 ist dein Bruder bei einem Motorradunfall ums Leben gekommen. Wie hast du deine Trauer verarbeitet?
Dadic: Am Anfang ging es mir natürlich sehr schlecht, aber meine Eltern waren unglaublich stark und sind mit diesem Thema immer sehr offen umgegangen. Ich war ja erst 14 und wollte damals mit niemandem sprechen. Sie haben mich fast dazu gezwungen, darüber zu reden. Und das war wichtig, deshalb kann ich heute auch so offen damit umgehen. Ich habe bei jedem Wettkampf ein Bild von ihm dabei. Die Silbermedaille habe ich ihm gewidmet. Sein Foto gibt mir unglaublich viel Kraft und ich weiß, er ist mein Schutzengel und immer bei mir.

sportkrone.at: Hat dir der Sport in dieser Trauerphase geholfen?
Dadic: Auf jeden Fall. Es war hilfreich mal ein, zwei Stunden nicht daran zu denken und abgelenkt zu sein. Am Anfang habe ich drei Monate nicht trainiert. Mein erster Vereinstrainer Michael Hager hat mich da sehr unterstützt.

Ivona Dadic (Bild: GEPA)
Ivona Dadic

sportkrone.at: Wie sieht die Leichtathletik-Szene in Österreich aus?
Dadic: Mit Sarah Lagger, Verena Preiner und Karin Strametz habe ich im Siebenkampf gute Konkurrentinnen. Die Österreichischen Staatsmeisterschaften bekommen dadurch auch einen ganz anderen Stellenwert, denn ich kann dort nicht einfach hinfahren und gewinnen. Es ist schön, dass Athletinnen nachkommen. Im Siebenkampf sind wir gut aufgestellt. Bei Lukas Weißhaidinger im Diskuswurf ist das z.B. nicht der Fall, weil der Nachwuchs fehlt. Das ist sehr schade. Es wäre wichtig, dass die Leichtathletik in Österreich wieder einen größeren Stellenwert bekommt. Das geht nur mit Erfolg, wir brauchen mehr Vorbilder für die Jugendlichen.

sportkrone.at: In Österreich gibt es eine große Konzentration auf Wintersport und Fußball. Hast du das Gefühl, dass die Leichtathletik zu wenig Aufmerksamkeit in den Medien bekommt?
Dadic: Ich kann das nur schwer beurteilen. Es tut sich momentan sehr viel in der Leichtathletik und es geht in die richtige Richtung, auch wenn es noch einige Zeit dauern wird. Ich sehe aber schon, dass viele junge Mädchen zu mir aufsehen und sagen: „Hey, das will ich auch machen!“ Natürlich würde ich mich über mehr Medienberichterstattung freuen, leider macht sich die Leichtathletik da selbst keinen großen Gefallen. Der ORF wollte beispielsweise unbedingt die WM in Birmingham übertragen, aber die TV-Rechte waren ziemlich teuer. 

Ivona Dadic mit Freund Dario (Bild: Olaf Brockmann)
Ivona Dadic mit Freund Dario

sportkrone.at: Welche Tipps hast du für junge Sportlerinnen?
Dadic: Bewegung ist ganz wichtig. Viele Jugendliche empfinden das Leben eines Profisportlers vielleicht als extrem anstrengend und denken, dass man auf vieles verzichten muss. Dabei lernt man durch den Sport so viele schöne Dinge kennen. Man knüpft internationale Freundschaften, reist viel herum. Es wäre wichtig, dass man sich dessen bewusst wird. Es muss ja nicht jeder Leistungssport machen. Aber Sport garantiert ein gesundes Leben und gibt so viel zurück.

sportkrone.at: Auf welche Dinge musstest du im Laufe deiner Karriere verzichten bzw. wo fiel es dir besonders schwer?
Dadic: Man muss natürlich auf bestimmte Dinge verzichten. Ich konnte nicht jedes Wochenende fortgehen, wie meine Freunde. Feiern war nur möglich, wenn die Saison vorbei war. Aber ich habe das nie als Verzicht gesehen, weil ich nie so ein Party-Typ war. Ich habe immer meine sportlichen Ziele verfolgt und mich auf die positiven Dinge konzentriert.

(Bild: Copyright 2017 The Associated Press. All rights reserved.)

sportkrone.at: Wie gehst du mit Druck um?
Dadic: Ich bin eigentlich am besten, wenn ich unter Druck stehe. Deshalb kann ich bei Großereignissen auch dementsprechend abliefern. Man darf nicht darüber nachdenken, was die anderen Leute erwarten. Ich mache mir auch über Medaillen keine Gedanken. Ich rede auch nicht mit dem Trainer darüber. Natürlich möchte ich nicht Zehnte werden, doch je freier ich im Kopf bin, desto bessere Leistungen kann ich abliefern.

sportkrone.at: Russlands Leichtathleten sind nach einem riesigen Dopingskandal gesperrt. Wie siehst du diese Causa?
Dadic: Ich möchte mich aus dem Dopingthema eher raushalten. Im Siebenkampf ist keine Russin dabei. Aber natürlich: Athleten, die mit Doping zu tun haben, verdienen eine gerechte Strafe. Dopingkontrollen werden immer wichtiger. Ich werde fast jeden Monat kontrolliert. Es ist nicht schön, aber das gehört zum Sport dazu. 

sportkrone.at: Wer waren deine ersten Vorbilder?
Dadic: Natürlich war Jessica Ennis-Hill immer mein Vorbild. Als Kind habe ich die Hochspringerin Blanka Vlasic sehr bewundert. Sie war ein großer Star in Kroatien.

sportkrone.at: Kannst du vom Sport leben?
Dadic: Ich habe zum Glück viele Sponsoren und kann wirklich sehr gut vom Sport leben. Zusätzlich gibt es noch das Olympiaprojekt, das vor allem unsere Trainingslager finanziell unterstützt.

(Bild: Sarah Katharina)

sportkrone.at: Hast du dir schon Gedanken über die Karriere danach gemacht?
Dadic: Ich habe schon einige Pläne, wie es nach meiner sportlichen Karriere weitergehen könnte, aber die möchte ich nicht verraten. Mit meinem Hauptsponsor Harreither bin ich in guten Gesprächen.

(Bild: Sarah Katharina)

sportkrone.at: Du hast vor einigen Monaten bei einem Fotoshooting in Linz deine Modelqualitäten unter Beweis gestellt. Auch auf Facebook und Instagram findet man sehr ästhetische Fotos von dir. Macht es dir Spaß, dich in Szene zu setzen?
Dadic: Sagen wir so: Für einen Profisportler gehört das heutzutage einfach dazu. Es ist eine Marketingstrategie. Viele Firmen und Sponsoren legen viel Wert darauf und sehen sich an, wie viele Follower man hat. Mein Freund Dario unterstützt mich da sehr, er fungiert sozusagen als Social Media Manager. Das ist ein aufwendiger Job. Mode interessiert mich sehr, aber solche Fotoshootings sind doch recht anstrengend (lacht). Styling ist mir schon wichtig. Bei internationalen Wettkämpfen habe ich meine Fingernägel immer in rot-weiß-rot lackiert. Das ist ein wichtiger Tag für einen Sportler und mir ist es wichtig, dass alles zusammenpasst.

sportkrone.at: Wie stehst du als Sportlerin zur #meetoo-Debatte?
Dadic: Ich muss ehrlich gestehen, dass ich das nicht so verfolgt habe. Das Thema ist schwierig und es wäre schön, wenn so etwas nicht mehr passieren würde. Ich selber kenne zum Glück keinen Fall in der Leichtathletik. 

sportkrone.at: Der österreichische Leichtathletik-Verband hat mit Sonja Spendelhofer eine Präsidentin an der Spitze. Wie läuft die Zusammenarbeit mit dem Verband?
Dadic: Gut. Ich bin froh, dass Sonja unsere Präsidentin ist. Sie hat eine andere Beziehung zum Sport als die Präsidenten davor und steht sehr hinter den Athleten und Athletinnen. 

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(Bild: KMM)



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